Das Koninklijk Concertgebouworkest Amsterdam [wie wird das eigentlich korrekt ausgesprochen?] ist eines der ältesten und besten Sinfonieorchester der Welt. Wer aber glaubt, in einem reichen Land wie den Niederlanden werde so ein Kulturleuchtturm mit internationaler Strahlkraft finanziell bestimmt weich gebettet, liegt falsch: Im Vergleich zu deutschen Konzertorchestern sind die staatlichen Zuschüsse geringer, umso mehr ist das Orchester auf Eigeneinnahmen aus Fundraising, Tourneen und Ticketverkäufen angewiesen. Für deren Entwicklung ist seit März 2021 der gebürtige Niederbayer Dominik Winterling zuständig. Bevor er im März 2021 neuer Managing Director des Concertgebouw Orchestra wurde, verantwortete er sechs Jahre lang als Geschäftsführer der Stiftung Elbphilharmonie und Head of Development der HamburgMusik gGmbH die Aktivitäten zur Gewinnung von Sponsoring-, Spenden- und sonstigen Drittmitteln der Hamburger Konzerthäuser Elbphilharmonie und Laeiszhalle. 

Dominik Winterling • Foto © Nadine Grenningloh

VAN: Der Etat deutscher Konzertorchester wird durchschnittlich zu 61 Prozent von öffentlichen Zuweisungen gedeckt. Wie groß ist der Anteil bei euch?

Dominik Winterling: Wir haben eine staatliche Basisfinanzierung, die ungefähr 50 Prozent des Budgets deckt. Der Betrag ist nochmal zweigeteilt, etwas mehr als die Hälfte ist eine Bundesförderung vom niederländischen Kulturministerium im Rahmen der sogenannten ›kulturellen Basisinfrastruktur‹. Der Rest kommt von der Stadt Amsterdam. 

Für welchen Zeitraum ist diese Förderung festgelegt? 

Immer für vier Jahre. Die aktuelle Periode läuft bis 2024, nächstes Jahr müssen wir also wieder eine Anfrage stellen. Man muss sich dabei richtig bewerben und Vierjahrespläne einreichen, die dann bewilligt werden oder auch nicht.

Nach welchen Kriterien werden die Anträge bewertet?

Künstlerische Qualität und internationale Ausstrahlung spielen natürlich eine große Rolle. Tatsächlich verschieben sich die Kriterien gerade aber auch ziemlich stark. Für die neue Förderperiode wird ›Fair Practice‹ sehr wichtig, also beispielsweise gleiche Bezahlung für selbstständige wie festangestellte Musiker:innen und die Verpflichtung zu kollektiven Tarifabsprachen. Da hat sich bei uns in den letzten Jahren schon ziemlich viel getan: Die Aushilfen verdienen heute genauso viel wie die Festangestellten, das hat uns sehr viel Geld gekostet. Das zweite große Thema, was deutlich an Fahrt gewinnt, ist das Thema Nachhaltigkeit. Wir müssen für die nächste Förderperiode einen Nachhaltigkeitsplan einreichen, in dem wir aufzeigen, wie wir unseren CO2-Ausstoß reduzieren wollen. Das ist insofern eine große Herausforderung, als dass es unser Tourneegeschäft sehr stark beeinflusst, das etwa 75 Prozent unserer CO2-Emissionen verursacht. Drittens spielen Diversität und Inklusion eine wichtige Rolle. Wir müssen in einem eigenen Plan erklären, wie wir einen möglichst breiten Teil der Gesellschaft erreichen wollen und inwiefern die Zusammensetzung der Gesellschaft im Unternehmen repräsentiert ist. Das ist für uns, wie auch für viele andere Orchester, ein Riesenthema, weil wir natürlich ein bisschen in der elitären Ecke sitzen. Unser Stammpublikum ist immer noch überwiegend weiß, älter und gutsituiert. Unser Ziel ist, das Publikum im Hinblick auf kulturelle und soziale Herkunft zu verbreitern und unser Angebot auch für jüngere Zielgruppen zugänglicher zu machen. 

Wie wollt ihr das machen? 

Wir sind jetzt gerade in einer Übergangsphase, in der wir viel mehr als früher darauf achten, was die Welt da draußen eigentlich von uns erwartet. Alle wollen eine jüngere Zielgruppe, aber was will die eigentlich von uns? Antworten auf diese Frage können dann durchaus Auswirkungen auf die Programmierung haben. Ich gebe dir ein Beispiel: Es gibt Zielgruppen, vor allem jüngere, die kürzere Konzerte sehr attraktiv finden. Ein bisschen nach dem Motto: Am Mittwochabend komme ich gerne ins Konzert, aber bitte nicht länger als eine Stunde. 

Wie setzen sich die 50 Prozent eurer Eigeneinnahmen zusammen?

Unsere Einnahmen aus dem Kartenverkauf machen ungefähr zwischen 20 und 25 Prozent unseres Gesamtumsatzes aus. Das sind vor allem die Konzerte im Concertgebouw in Amsterdam, die wir ja selbst veranstalten, 70 bis 80 pro Jahr, und deren Auslastung aktuell bei über 90 Prozent liegt. Dann haben wir circa 15 Prozent Einnahmen aus dem Fundraising – das hat sich in den vergangenen Jahren sehr gut entwickelt, vor zehn Jahren waren es noch deutlich unter 5 Prozent. Die restlichen 10 bis 15 Prozent stammen aus dem Tourneegeschäft. 

Ihr verdient mit Tourneen noch Geld?

Im Schnitt schon, der Markt hat sich aber in den letzten Jahren komplett verändert und durch die steigenden Kosten ist es zunehmend schwierig geworden. 

Ihr habt mit ›RCO Live‹ ein eigenes Label und seid jetzt gleichzeitig einer der ersten Kooperationspartner von Apple Music Classical – zwölf bisher unveröffentlichte Aufnahmen werden dort exklusiv erscheinen. Das Streaming wird euch nicht refinanzieren, aber vielleicht das Ende der CD beschleunigen.

Wir verdienen mit, aber wie stark sich das niederschlagen wird, wird sich zeigen. Erwarte ich, dass wir dort das große Geld verdienen? Ganz klar nein. Für uns ist es wichtig, beim Launch dabei zu sein, weil es eine gewisse Aufmerksamkeit generiert und unser Produkt in die Welt trägt. Am Ende des Tages wollen wir natürlich so viele Menschen wie möglich in unsere Konzerte ziehen. Die Verkaufszahlen der CD sind in den letzten Jahren schon stark gesunken. Ich sehe auch nicht, dass der Trend zu stoppen ist, glaube aber, dass ein haptisches Produkt – das kann eine CD, aber auch eine Vinylplatte sein – als Nischenprodukt ein bestimmtes Segment der Zielgruppe anspricht und dort auch seine Liebhaber finden wird. Aber glaube ich daran, dass die CD nochmal ein Revival erlebt? Nein, dafür sind die Streaming-Angebote, die jetzt auf dem Markt sind, einfach zu gut und zu praktisch. 

Wie sieht im Vergleich die Finanzierungsstruktur deutscher Konzertorchester aus? Deren Einnahmen aus dem Sponsoring sind auf jeden Fall im Durchschnitt deutlich geringer …

Eindeutig. Es gibt ein paar, die Sponsoring machen – mir fallen die Berliner Philharmoniker und das Leipziger Gewandhausorchester ein. Ich kann nicht genau sagen, wie hoch deren Sponsoringvolumen ist, würde aber schätzen, dass es deutlich weniger als 10 Prozent sind. Die Erklärung, warum es dort trotzdem funktioniert, liegt natürlich auch an den höheren öffentlichen Zuschüssen. Die deutschen Konzertorchester, die am besten mit uns vergleichbar sind – das sind um die 30 –, sind, wie du sagst, tatsächlich durchschnittlich zu 61 Prozent öffentlich finanziert, also 10 Prozent mehr als bei uns. Dazu kommen die ganzen Theaterorchester, die ohnehin fast komplett öffentlich finanziert sind, genauso wie die Rundfunkorchester.

Gibt es in den Niederlanden eine Diskussion um Sinn und Legitimation der staatlichen Kulturförderung?

Die gibt es sicherlich, insbesondere im Hinblick auf die viel zitierte ›Elitenkultur‹. Es ist nicht so, dass die Zuschüsse alle gekürzt wurden in den letzten Jahren, aber man hat eine ganze Menge Orchester fusioniert, zuletzt 2020 mit der Neugründung des Phion [eine Fusion des Orkest van het Oosten mit dem Gelders Orkest, d. Red.], das den östlichen Teil Hollands mit den Provinzen Gelderland und Overijssel abdeckt. Heute gibt es in den Niederlanden nur noch 10 Orchester. Auch der relative Anteil der staatlichen Förderung nimmt ab, weil die Kosten natürlich schneller steigen als die Zuschüsse. Das ist ein Problem, mit dem auch wir zu kämpfen haben. Bisher konnten wir das ausgleichen durch höhere Eigeneinnahmen und Fundraising. Manche Orchester in den Niederlanden sparen Kosten, indem sie weniger spielen. Bei uns ist es genau andersrum, weil wir unsere Konzerte mit einem entsprechenden Preis in den Markt setzen können.

Du hast in Hamburg sechs Jahre lang Geld aufgetrieben für die Elbphilharmonie. Hamburg ist insofern vielleicht nicht repräsentativ für Deutschland, weil es dort eine lange Tradition bürgerlichen Engagements und Mäzenatentums für die Kultur gibt. Welche kulturellen Unterschiede stellst du zwischen Hamburg und Amsterdam fest bei der Sponsorenakquise?

Ich glaube, Hamburg ist tatsächlich recht besonders in Deutschland, weil es immer schon eine Geberkultur gehabt hat. Das ist auch der Elbphilharmonie sehr zugutegekommen, beispielsweise durch die großen Familien, die von Anfang an ›mitgemacht‹ haben. Natürlich ist auch Amsterdam ein durchaus dankbarer Ort, aber die Geberkultur ist nicht ganz so ausgeprägt wie in Hamburg, geschweige denn wie in den USA, wo wir nochmal über ein ganz anderes Niveau sprechen. Ganz allgemein betrachtet stelle ich immer wieder fest, dass man hier in den Niederlanden dazu tendiert, Dinge in einen ökonomischen Kontext zu stellen. Ein Engagement wird in vielen Fällen als Investment gesehen. Es wird sehr stark in Input – Output gedacht und darauf geachtet, dass dem Input eine entsprechende Gegenleistung gegenübersteht oder dass der Betrieb kontinuierlich optimiert wird. Außerdem ist der Stolz auf die kulturelle Infrastruktur, vor allem auch die musikalische Infrastruktur, hier leider nicht so ausgeprägt, wie ich das aus Deutschland kenne. Das ist schon etwas, was zu denken gibt. 

In Hamburg konntest du einen Neubau und ein zukünftiges Wahrzeichen der Stadt ›verkaufen‹, es gab Stufen-, Stuhl-und Säulenpatenschaften. Das kannst du beim Concertgebouw Orchestra nicht. Welche Gegenleistungen bietet ihr denn dann an?

Wir haben ein Donor’s Programme, das bei 1.500 Euro Jahresbeitrag anfängt. Der Gedanke ist: Je mehr du gibst, desto näher rückst du an das Orchester heran. Für Unternehmenssponsoren entwickeln wir in Abhängigkeit der Sponsoringsumme zum Beispiel eigene Veranstaltungskonzepte, außerdem betreiben wir den Business Club ›De Salon‹. Hierfür haben zwei eigene Eventmanagerinnen im Fundraising, die entsprechende Veranstaltungen wie Probenbesuche, Reisen oder exklusive Events mit Dinner und Kammermusik organisieren. Die höchste Stufe beinhaltet für Spender:innen zum Beispiel, dass du unter anderem mit dem Orchester auf Tournee gehen kannst. Du sitzt dann mit den Musiker:innen im wahrsten Sinne des Wortes am Frühstückstisch. 

Das bedeutet auch organisatorisch einen enormen Aufwand. 

Ja, das ist ein Riesenaufwand, deshalb ist bei uns das Development Department mit dreizehn Mitarbeiter:innen mittlerweile die größte Abteilung. Das Fundraisingvolumen steigt momentan jährlich um circa 10 Prozent, das sieht sehr stabil aus. Das Wachstum liegt dabei vor allem im Bereich privater Spenden einschließlich Nachlässen. In den Niederlanden ist es im Vergleich zu Deutschland insofern ganz geschickt geregelt, als dass es einen Unterschied gibt zwischen einer einjährigen und einer mehrjährigen Spende: Wenn du fünf Jahre spendest, bekommst du einen Sonderabzug auf die Spendensumme. Das bedeutet für uns, dass sich eine ganze Menge Leute gleich länger engagiert. In Deutschland hingegen hast du viele Einmalspenden und musst jedes Jahr nachfassen. Beim Corporate Sponsoring mit Unternehmen konnten wir im vergangenen Jahr Booking.com als dritten Hauptsponsor gewinnen. Trotzdem ist die Akquise neuer Unternehmenspartner aus verschiedenen Gründen zunehmend schwierig – nicht unmöglich, aber wir merken schon, dass es mit unserem Kernprodukt sehr herausfordernd ist, was viel mit einem bestimmten Image zu tun hat.  

Dabei ist das ›Royal Concertgebouw Orchestra‹ doch eigentlich eine Marke mit internationaler Strahlkraft. 

Absolut, aber es ist sehr zwiespältig. Wenn du in Wien ins Taxi steigst, kann dir fast jeder Taxifahrer sagen, ob die Philharmoniker am Abend Mahler 5 oder 8 spielen, das ist im kollektiven Bewusstsein. Das ist hier definitiv nicht so. Es gibt leider immer noch viele Leute, die gar nicht wissen, dass es uns gibt. Zweitens gibt es auch ein bisschen ein Imageproblem. Wir werden immer noch sehr stark als Teil des bildungsbürgerlichen, elitären Establishments gesehen und das ist etwas, was gerade in den Niederlanden nicht als positiv wahrgenommen wird. Dies ist sicher die größte Herausforderung, die wir in der Positionierung gerade haben. 

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Die Debatte um ›Kultursponsoring‹ ist im Zuge des Krieges in der Ukraine und der Kritik an russischen Sponsoren, zum Beispiel bei den Salzburger Festspielen, im letzten Jahr neu entbrannt. Bisweilen wurde dabei von einigen Künstler:innen die alte Kluft aufgemacht zwischen dem ›schmutzigen Geld‹ aus ›der Wirtschaft‹ auf der einen, und der ›reinen Kunst‹ auf der anderen Seite, die möglichst komplett unabhängig von privaten Geldern sein soll. Du bist sowohl ausgebildeter Betriebswirtschaftler als auch Konzertpianist. Wie hast du diese Diskussion erlebt?

Es ist eine zutiefst ambivalente Diskussion. Es hilft nicht, alles in schwarz und weiß einzuteilen, die Welt ist oft auch sehr grau. Wir haben gerade eine ›Gift Acceptance‹-Policy entwickelt, quasi ein Due Diligence Filter, um abzuschätzen, ob das Geld, das uns zur Verfügung gestellt wird, ›sauber‹ oder besser gesagt, annehmbar ist. Aber du wirst nie den perfekten Sponsor oder den perfekten Spender oder den perfekten Kulturbetrieb finden. Es ist immer auch eine Abwägung. Die Salzburger Festspiele sind ein gutes Beispiel, die könnten ihr kulturelles Angebot ohne Sponsoren nicht ansatzweise auf diesem Niveau realisieren. Wir sind in einer ähnlichen Situation. Ich gebe dir ein Beispiel: Einer unserer Hauptsponsoren ist die Bank ING, die wegen ihrer Rolle bei der Finanzierung fossiler Brennstoffe von verschiedenen Aktivisten massiv angegriffen wird. Gleichzeitig ist ING aber auch einer der entscheidenden Player bei der Finanzierung der Energiewende. Ich kenne das, was du beschreibst, in den Kulturbetrieben: dass die Nase gerümpft wird, wenn ein Sponsor um die Ecke kommt. Davon halte ich absolut nichts, man muss die Welt schon differenzierter betrachten. 

Oft wird gesagt, dass sich eine größere Abhängigkeit von privaten Geldgebern auch auf das künstlerische Programm auswirkt – man geht weniger Risiken ein, um niemanden zu vergraulen, und setzt eher auf Mainstream. Besteht die Gefahr bei euch? 

Ich sehe die nicht. Was ich sehe ist, dass viele Spender:innen ganz klare Präferenzen für bestimmte Programmschienen haben. Das Education Programm steht immer hoch in der Gunst, es gibt aber auch Spender:innen, die bewusst neue Musik unterstützen wollen. Ich habe es bisher noch nicht erlebt, dass sich private Geldgeber:innen in irgendeiner Form in die Programmierung einmischen, das wäre auch für uns ein No Go. Es ist völlig klar, dass die Programme hier im Haus gemacht werden. 

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Klassische Orchester unterliegen der sogenannten Baumolschen Kostenkrankheit, vereinfacht gesagt: Das Produkt selbst, zum Beispiel die Aufführung von Mahlers Achter, lässt sich nicht rationalisieren und automatisieren, es braucht immer jene 80 bis 100 Musiker:innen. Gleichzeitig steigen inflationsbedingt die Löhne und Personalkosten. 2014 hat das beim Concertgebouw Orchestra mal zu einer richtigen Krise geführt. Wie wurde die gelöst?

Diese Momente gab es mehrfach in der Historie. Wenn die Schere zu weit auseinander klafft, ist klar, dass es irgendwann nicht mehr geht. Damals wurden die Gehälter und die Subsidies angepasst, denn: Geld ist ja da – die Niederlande sind ein unglaublich reiches Land –, es wird nur auf eine andere Art und Weise verteilt. Ehrlich gesagt laufen wir im Moment wieder auf eine ähnliche Situation zu, mit all dem, was um uns herum passiert, mit steigenden Kosten, Löhnen, Inflation. Es gibt eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Entweder wir schaffen es, die Lücke aus eigener Kraft zu schließen, beispielsweise durch noch mehr Fundraising, oder der Staat muss einspringen. Ein gesunder Mix aus beidem erscheint mir eigentlich die beste Lösung, aber dafür brauchen wir klare Commitments vor allem von Seiten der öffentlichen Hand. Denn eine echte Notsituation will man eigentlich erst gar nicht entstehen lassen.  

Eure Gehälter sind im Vergleich zu deutschen Spitzenorchestern schon jetzt geringer …

Ja, eindeutig. Das ist natürlich eine Riesenherausforderung, weil du eine:n Spitzenmusiker:in auf internationalem Niveau schon überzeugen musst, hierher zu kommen und nicht zu den Wiener oder Berliner Philharmonikern zu gehen. Wir bieten unabhängig von der finanziellen Vergütung ein sehr gutes Paket: Wir haben das Concertgebouw, fantastische Kolleg:innen, tolle Auslandsgastspiele, wir stellen unseren Musiker:innen herausragende Instrumente zur Verfügung, das Orchester spielt auf höchstem Niveau mit den besten Dirigent:innen und und und. Aber wenn die Lebenshaltungskosten wie in allen europäischen Großstädten so durch die Decke gehen, wie es auch hier gerade passiert, bekommt man zunehmend ein Problem. Dementsprechend müssen wir uns gut überlegen, wie wir das Paket schnüren, damit es weiterhin attraktiv bleibt. Wir sind mittlerweile ein relativ junges Orchester, wir haben zudem immer noch eine ganze Menge offener Stellen, die vor allem mit jungen Leuten aus der ganzen Welt besetzt werden. Aber in dem Moment, in dem sie eine Familie gründen, wird es kritisch, weil sie sich Amsterdam dann nicht mehr leisten können. In München gibt es ähnliche Probleme, aber du hast andere Grundgehälter.

Aber wir müssen uns keine Sorgen machen um das Concertgebouw Orchestra?! Niemand würde so eine Institution über die Klinge springen lassen.

Gute Frage. Ich glaube das auch, ich möchte das auch glauben, aber wenn man sieht, wie sich die politische Landschaft hier in den Niederlanden verschiebt, dann würde ich nicht grundsätzlich ausschließen, dass irgendwann mal die Daumenschrauben angezogen werden. Ich glaube schon, dass wir ein bisschen ›too big to fail‹ sind, aber wir brauchen auch die anderen Orchester, damit Orchestermusik im kollektiven Bewusstsein verankert wird und es überhaupt einen Nährboden gibt. Wenn der nicht da ist, wenn das Publikum weniger wird, dann kommen wir ganz automatisch in Existenz- und Erklärungsnöte. ¶

... ist Herausgeber von VAN. Er studierte Development Studies, Ethnologie und Asienwissenschaften in Berlin, Seoul, Edinburgh und an der London School of Economics und arbeitete im Anschluss zehn Jahre als Berater in Projekten der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. 2014 gründete er mit Ingmar Bornholz den VAN Verlag, wo er auch als Geschäftsführer fungiert. hartmut@van-verlag.com

3 Antworten auf “»Wir brauchen die anderen Orchester, damit es überhaupt einen Nährboden gibt«“

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