Die Eltern der am 6. Juli 1858 in Kopenhagen geborenen Ida d’Fonseca waren keine wohlhabenden Leute. Ihr Vater war ein jüdischer Wechselmakler deutsch-portugiesischer Herkunft (wie wir anhand des Artikels von Lisbeth Ahlgren Jensen erfahren), also jemand, der die diversen kursierenden Geldsorten quantifizierte und entsprechend umtauschte. Trotz der eher übersichtlichen wirtschaftlichen Verhältnisse erhielt d’Fonseca privaten Gesangsunterricht bei dem einflussreichen Sänger und Pädagogen Giuseppe Siboni (1780–1839), der später als Direktor des Königlichen Theaters von Kopenhagen fungierte. Auch andere Geschwister d’Fonsecas bekamen Gesangsstunden – und wurden zum Teil ebenfalls professionelle Sängerinnen und Sänger.

1827 – in Beethovens Sterbejahr also – feierte Ida d’Fonseca ihr Debüt bei einer Soiree am Theater Kopenhagen. Im Dezember des Jahres machte die 21-Jährige nachhaltig auf sich aufmerksam, als sie in Männerkleidung die Titelrolle in Rossinis Oper Tancredi sang. Der Tancredi-Part blieb für die kommenden Jahre eine ihrer Paraderollen. Ihre gerühmte, tiefe Altstimme machte sie prädestiniert für Hosenrollen, trugen aber, wie Jensen bemerkt, »dazu bei, dass das bürgerliche Publikum sie unweiblich und fremdartig fand. Unter der letzteren Kritik hatte auch ihre Schwester Emilie zu leiden. Zudem warf man im Zuge des Antisemitismus, der etwa ab 1819 in Dänemark aufgekommen war, dem Königlichen Theater vor, in Widerspruch zum Gesetz zwei jüdische Sängerinnen angestellt zu haben, womit die Schwestern d’Fonseca gemeint waren.« Der grassierende Antisemitismus und die Skepsis des konservativen Publikums (bei Begeisterung bei Hofe!) führten dazu, dass sich d’Fonseca bald von der Opernbühne eher zurückzog und sich auf konzertante Auftritte fokussierte. (Am 5. April 1842 kam es offenbar zu einer Begegnung mit Clara Schumann.)

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Ende der 1820er Jahre reiste d’Fonseca zwecks Kur nach Deutschland und trat unter anderem am Hofe von Hannover auf. 1833 begleitete sie ihren einstigen Lehrer Siboni auf einer langen Auslandsreise. Auch im musikbegeisterten London machte man Station – doch statt lukrative Konzertengagements einzuheimsen erkrankte d’Fonseca und musste mit königlicher Unterstützung nach Dänemark zurückgebracht werden. Zurück in Kopenhagen sang d’Fonseca wieder am Königlichen Theater, doch der Musikgeschmack hatte sich gravierend gewandelt, so waren charakteristische Hosenrollen-Sängerinnen inzwischen viel weniger gefragt, wie Jensen schildert. Man verlangte nach strahlenden Sopranstimmen und romantischen Opernergüssen. Die dunkel grundierte Stimme d’Fonsecas passte demgegenüber zur Klassik und zum frühen Bel Canto. In Webers Freischütz und anderen hochromantischen Bühnenwerken fand sie keinen rechten Platz. Der fragile Gesundheitszustand und die schwindende Popularität d’Fonsecas führten schließlich sogar 1840 zu ihrer Pensionierung als Sängerin. Es folgten bis in die späten 1840er Jahre noch weitere Konzerte. D’Fonseca wohnte teilweise bei einer ihrer Schwestern in Norwegen und kehrte 1848 nach Dänemark zurück.

Ida d’Fonseca starb am 6. Juli 1858 mit nur 51 Jahren im dänischen Frederiksberg.


Ida d’Fonseca (1806–1858)
Die Erwartung für Gesang und Klavier (1853)

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Wahrscheinlich, so Lisbeth Ahlgren Jensen, genoss Ida d’Fonseca nie regelmäßigen Kompositionsunterricht. Trotzdem erschienen zwischen 1848 und 1853 zwei Bände mit Gesangskompositionen aus ihren Händen. Und einige von ihren Vokalkompositionen sind sogar kostenfrei zugänglich.

Fünf Jahre vor ihrem Tod entstand unter anderem das Lied Die Erwartung auf einen Text von Friedrich Schiller. Überraschend beginnt das Lied – dessen Opernherkunft nicht zu leugnen ist – mit einem D-Dur-Unisono, das sogleich die sechste Stufe melodisch streift. Dann folgt ein Tremolo und eine Bel-Canto-Linie im Klavier, die sich in gewisse Höhen schraubt. Ganz alleine – mit nur spärlichster Recitativo-Begleitung – singt die Gesangsstimme zögernd die Schillerschen Fragen uns entgegen: »Hör ich das Pförtchen nicht gehen? Hat nicht der Riegel geklirrt?« Plötzlich vernehmen wir – unter der längsten Note dieser Zeilen – erneut ein Tremolo. Erst danach beginnt das »eigentliche« Lied.

So ganz »brav« ist die ganze Angelegenheit dabei nicht! Wir spüren, wie Ida d’Fonseca mit ihrer warmen, tiefen Stimme dieses Lied – komponierend am Klavier – angestimmt haben mag. Und die Zeile »Du sollst die Anmuthstrahlende empfangen!« strahlt fast »angeschrägt« ins Ohr. Die Mischung von früher Romantik im Verbund mit Bel-Canto-Schleifen und klassischer Cavatinenhaftigkeit wird mit opernszenenartigen Tempowechseln abgeschmeckt: Auf das »Andante« folgt nach einigen Takten ein einbrechendes »Allegro assai«. Interessant und lohnend! ¶

... ist Konzertveranstalter, Moderator, Komponist und Pianist. Er gestaltet innovative Konzertformate, arbeitet als Musik-Satiriker, schreibt Stücke für Solist:innen und Ensembles und Texte für VAN, die Wiener Philharmoniker, die New York Philharmonics und die Bamberger Symphoniker. 2019 war er als Schauspieler an der Volksbühne zu erleben.