»Als ich als Student nach Lübeck gekommen bin, gab es da einen typischen Musikhochschul-AstA [allgemeiner Studierendenausschuss]: nicht mit Referaten oder AGs, sondern einfach bestehend aus vier oder fünf Leuten«, erzählt Maik Hoppe. Damals hat er schon ein paar Jahre queere Hochschulpolitik und ein Musikwissenschafts-Bachelorstudium an der Hamburger Universität hinter sich. In Lübeck, wo Hoppe Instrumentalpädagogik studiert, hebt er bald ein AstA-Referat für Gleichstellung und Internationales aus der Taufe, mit kleinen Startschwierigkeiten: »Der damalige AstA-Vorsitzende hat dem Studierendenparlament das neue Referat erstmal als queer-Referat verkauft, was nicht gut ankam«, erzählt er. »›Brauchen wir das? Werden Schwule hier diskriminiert?‹, haben die Studierenden gefragt. Dass es auch Lesben und Trans-Personen gibt und andere Gruppen, die diskriminiert werden und für die ich arbeiten wollte, haben viele gar nicht verstanden. Da hat sich an dieser Hochschule vorher niemand drum gekümmert. Ich habe dann zum Beispiel sehr vielen Studierenden, die nicht Deutsch als Erstsprache haben, bei Amtsgängen, mit den Steuern oder der GEZ geholfen, Studienberatung gemacht, weil es die Studienordnungen nur auf Deutsch gab, viel mit dem ERASMUS-Büro zusammengearbeitet.« Außerdem hat Hoppe in Lübeck die queeren Hochschultage mit ins Leben gerufen, ist Mitglied der Bundeskonferenz der queeren Hochschulreferate, war Teil des Vorstands im Netzwerk Lambda für queere Jugendliche, hat als Harfenlehrer gearbeitet. Dabei ist er »nicht gerade der typische Harfenengel«, wie er es auf einer Parkbank in Berlin-Pankow sitzend ausdrückt. Er ist sehr groß, an diesem regnerischen Nachmittag unterwegs in Lederjacke und Kapuzenpulli zu Piercings und pinken Haaren, außerdem fast durchgängig selbstgedrehte Zigarette rauchend – was ihn nicht daran hindert, viel, schnell und laut zu reden und zu lachen.
Auf Lübeck folgten für Hoppe ein musikalisch-wissenschaftlicher Master und wieder queere Hochschulpolitik an der Folkwang Universität der Künste in Essen. Dort hatte er eigentlich ein Podcast-Projekt geplant, mit nicht-männlichen Sänger:innen, Performer:innen und Komponist:innen (erster Gast: Luci van Org aka ›Lucilectric‹ aka die Gründerin der rein weiblichen Neue-Deutsche-Härte-Band »Üebermutter«), das wegen Corona ausfiel. Stattdessen heißt es jetzt: Distanz-Studium in Berlin (ein Musikwissenschaftsmaster an der Humboldt-Universität) und ein Interview auf der windigen Parkbank – über Hierarchien und politisches Engagement an Musikhochschulen und was man ändern müsste, damit Studierende sich dort sicher fühlen.
VAN: Wie verbreitet war diese ›Über Gender oder Queerness reden – das brauchen wir nicht‹-Haltung an der Musikhochschule in Lübeck?
Maik Hoppe: Sehr verbreitet. Solche Rückmeldungen kamen immer und zu allen Gender- und Queerness-Themen. Bei der Studierendenparlamentssitzung, bei der ich in den AstA gewählt wurde, meinte eine Person zu mir: ›Wenn dich jemand als Schwuchtel bezeichnet und du dich davon angegriffen fühlst, dann ist das doch dein Problem.‹
Auch bei unserer ersten Podiumsdiskussion zu Übergriffen im Einzelunterricht und bei Gesprächen im Vorfeld hieß es immer wieder: ›Nein, sowas gibt es bei uns nicht.‹ Die damalige Gleichstellungsbeauftragte meinte sinngemäß zu mir: ›Ich bin jetzt 10 Jahre lang Gleichstellungsbeauftragte gewesen und in der Zeit ist niemand zu mir gekommen. So schlimm kann es ja nicht sein.‹ Da habe ich geantwortet, dass ich jetzt drei Monate Gleichstellungsreferent des AstA bin und mich in der Zeit schon vier Studierende um Hilfe gebeten haben. Es war so schlimm.
Es gab dann insgesamt zwei Podiumsdiskussionen zum Thema Nähe und Distanz. Und es wurde ein Seminar zu ›Nähe und Distanz im Instrumentalunterricht‹ für Studierende angeboten. Außerdem habe ich angestoßen, dass AstA-Mitglieder zur Beratung bei Übergriffsfällen ausgebildet werden und einen WenDo-Selbstverteidigungskurs für Studentinnen organisiert.
Und für die Lehrenden? Wurden für die auch Workshops angeboten?
Nein. Viele haben das runtergespielt. Wir hatten damals neue Unterrichtsräume mit großen Fenstern, damit man immer reingucken kann. Es hat ein halbes Jahr gedauert, bis die Lehrenden sich geweigert haben, dort zu unterrichten, wenn nicht Blenden angebracht werden. Ein einziger Horndozent hat offen unterrichtet. Das fand ich als Statement sehr gut. Mit vielen anderen war es schwierig. Und es ist natürlich eine komplexe Situation. Ich kann verstehen, wenn Lehrende sagen: ›Wir dürfen das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Wir brauchen die persönliche Bindung. Man kann so viel besser arbeiten.‹ Das Grundproblem ist, dass viele gar nicht reflektieren, dass es dieses hierarchische Verhältnis gibt und dass gerade zwischen dem männlichen Lehrer und der weiblichen Studentin ein krasses Gefälle herrscht, wenn man alleine in so einem Raum sitzt.
Und es gibt leider immer noch viele, die Studentinnen, die sich beschweren, den Vorwurf machen: ›Warum hast du denn den Mund aufgemacht? Der war doch so ein guter Dozent!‹ Es kann nicht sein, dass man entscheiden muss zwischen ›Fühle ich mich sicher?‹ und ›Habe ich guten Unterricht?‹ Wir Studierende brauchen den Raum, selbst dafür sorgen zu können, dass es uns gut geht. Und wenn die Studentin keine Angst haben muss, die Klappe aufzumachen, wenn sie sich von ihrem Lehrbeauftragten bedroht fühlt, wenn sie nicht mehr denken muss: ›Oh Gott, ich muss schon wieder in diesen Unterricht. Ich werde wieder angegrapscht‹, dann wird sie dadurch besser werden. Deswegen ist es ganz wichtig, dass Musikhochschulen das Gefühl schaffen, dass man sich auch wehren kann und darf, wenn Lehrbeauftragte übergriffig sind. Oder unnötigen Druck erzeugen.
Was sagst du zu dem Argument, dass künstlerische Exzellenz nur durch einen gewissen Druck entsteht?
Ich glaube, der Druck ist bei der künstlerischen Ausbildung eh schon groß, den müssen Lehrende nicht noch verstärken. Wenn ich in Musikwissenschaft eine Hausarbeit schreibe, will ich das zwar vielleicht gut machen, aber sie ist kein Teil von mir. Wenn ich eine schlechte Note kriege, ist das keine Attacke gegen mich. Sobald ich mich als Musiker auf eine Bühne stelle, geht es nicht mehr nur um Technik, dann wird der ganze Mensch bewertet. Wenn ich als Student weniger Druck habe, kann ich mich viel besser auf mein Studium konzentrieren. Du kannst den Druck ja nicht wegüben. Du kannst ihn nur schlimmer üben und dann feststellen: Ich kann das Stück alleine zuhause und vor meiner Freundin spielen und sobald ich beim Dozenten im Raum stehe, klappt aus Angst nichts mehr.
Ich kenne von meiner Hochschule auch die Stimmen, die sagen: ›Hier sind alle erwachsen, die Studierenden müssen eben selbst dafür sorgen, dass ihre Grenzen nicht überschritten werden.‹
Ich glaube nicht, dass man von 18-jährigen Studierenden erwarten kann, dass sie ihre Bedürfnisse kommunizieren. Wann hat man in der Schule denn mal die Situation, dass man der Lehrkraft ein Bedürfnis kommunizieren muss bezüglich der persönlichen Grenzen? Dazu kommt dann noch, dass ein Professor an der Musikhochschule noch nicht mal Pädagogik studiert hat, der braucht überhaupt keine pädagogischen Vorkenntnisse. Außerdem gibt es dieses merkwürdige Gemisch aus freundschaftlicher und gleichzeitig superhierarchischer Ebene. Und da festzustellen: ›Das geht mir zu weit, das ist zu viel‹, ist total schwierig, genau wie das im Nachhinein auszuloten und all das noch zu kommunizieren gegenüber einer Person, von der die ganze Karriere abhängt, in einem Klima, in dem bekannt ist, dass übergriffige Leute damit durchkommen … Wir sprechen da ja nicht von simplen Bedürfnissen wie: ›Ich habe Hunger‹, sondern: Diese Person hat mich auf einer persönlichen Ebene zu sehr involviert. Es geht ja nicht nur ums Angrapschen. Sondern zum Beispiel auch ums Psychisch-abhängig-Machen.
An der Uni ist das ganz anders, da hast du die erste längere Eins-zu-eins-Betreuung bei der Promotion. Da sind die Studierenden aber schon fünf, sechs Jahre an der Uni, vielleicht wirklich erwachsener, und auch schon erfahrener im Fach und in diesem akademischen Umfeld.
Wie hast du das politische Engagement an Musikhochschulen im Vergleich zu dem an Unis erlebt?
In den Asten der Musikhochschulen sitzen vor allem die Lehramtsstudierenden, die auch an der Uni studieren, die im Schulpraktikum mal andere Leute kennenlernen und die Tänzer:innen. Viele Musikstudierende werden etwas weltfremd, habe ich das Gefühl. Was ja auch gute Seiten hat – man muss sich der Musik ganz hingeben. Aber ich hatte in Lübeck Freund:innen, die zu unseren WG-Partys nicht gekommen sind, weil sie wussten, dass die Hälfte der Besucher:innen Nicht-Musiker:innen sein würden. Man wird an Musikhochschulen noch krasser als an der Uni in einen Elfenbeinturm gezogen, redet irgendwann nur noch über Musik. Die Gesellschaft ist sensibler geworden – gerade mit Blick auf Gender- oder andere Diskriminierungsfragen. Wenn man aber die ganze Zeit in dieser sich selbst reproduzierenden Blase hängt, muss man schon Glück haben, Personen zu treffen, die sich mit solchen Themen auseinandergesetzt haben.
Klischees halten sich an Musikhochschulen auch sehr hartnäckig – zum Beispiel rassistische Stereotype oder das vom guten schwulen Musiker. Da wird erwartet, dass du der Klischee-Homo bist, der Querflöte spielt. Und lesbische Sichtbarkeit gab es zum Beispiel an der Musikhochschule in Lübeck fast gar nicht, genau wie geoutete Trans- oder nichtbinäre Personen.
Auch beim Thema Barrierefreiheit wurde in Lübeck immer gesagt: ›Wir haben da keinen Bedarf.‹ Das Gebäude ist überhaupt nicht barrierefrei. Direkt am Haupteingang musst du vier Stufen hochgehen. Auf meine Frage, ob man da nicht mal eine Rampe anbringen kann, hieß es: ›Geht nicht, Denkmalschutz.‹ Man kann durch den Feuerwehreingang durch den Hof durch den nächsten Notausgang in den einzigen Fahrstuhl des Hauptgebäudes über eine Rampe in den Konzertsaal gelangen, das war die einzige Möglichkeit. Das hat eine Person manchmal gemacht. Aber das ist ja klar: Wenn der Raum nicht offen ist für Menschen, kommen die auch nicht.
Wo siehst du Anknüpfungspunkte zwischen klassischer Musik und Genderfragen?
Überall? [lacht] Ich finde zum Beispiel, dass es große thematische Schnittmengen gibt zwischen klassischer Musik und Judith Butlers Performativitäts-Theorien. Sobald Du auf die Bühne gehst, performst du ja Geschlecht. Wie du dich darstellst, wie du gesehen wirst … In der Bewertung von Musiker:innen wird Geschlecht immer mitverhandelt. Deutlich wird das zum Beispiel in den vielen Kritiken, in denen die Outfits von Musikerinnen erwähnt werden. Bei Männern ist das sehr selten – eigentlich nur, wenn sie optisch vom unmarkierten Mann-Sein abweichen, wie Teodor Currentzis.
Dieses Problem wird nicht dadurch gelöst, dass Mädchen ein bisschen mehr Trompete spielen und Jungen ein bisschen mehr Flöte. Es geht um das Verhandeln von Zuschreibungen. Und ich glaube, dass diese Situation von Performance und Zuschreibungen bei Tanz, Schauspiel und Fotografie thematisiert wird. Man inszeniert Körper und das wird auf einer Metaebene besprochen – anders als in der Musik. Diese Metaebene wird an der Musikhochschule überhaupt nicht als wichtig erachtet.
Die Musikwissenschaftlerin Freia Hoffmann hat in ihrem Buch Panische Gefühle. Sexuelle Übergriffe im Instrumentalunterricht etwas Ähnliches über Körper im Instrumentalunterricht geschrieben: Beim Instrument-Lernen wird die ganze Zeit mit dem Körper gearbeitet, darüber wird aber nie gesprochen.
Es ist erschreckend wenig selbstverständlich, dass Leute fragen, bevor sie einen anfassen im Instrumentalunterricht. Oder dass Gesangslehrer:innen nicht erst fragen, wenn sie die Hand schon zwei Zentimeter über den unteren Bauch halten. Wenn ich die Studierenden ermächtige, das selbst zu bestimmen, und auch nicht doof gucke, wenn sie sagen ›nein danke‹, dann ist das was Anderes, als wenn ich einfach zupacke, in diesem hierarchischen Verhältnis.
Welche Maßnahmen oder Veränderungen wünschst du dir an Musikhochschulen?
Mein Traum ist, dass alle zukünftigen Lehrenden – auch für den Instrumentalunterricht – an Musikhochschulen sensibilisiert werden für Diskriminierung. An Universitäten passiert das schon viel mehr. Ich erwarte ja gar nicht, dass zum Beispiel angehende Musiklehrer:innen Trans-Jugendliche beraten und Probleme lösen können. Sondern dass sie einfach wissen: Was heißt trans? Was heißt queer? Und die entsprechenden Beratungsstellen in der Kartei haben. Themen wie Nähe und Distanz im Instrumentalunterricht müssen Teil von jedem Musikstudium werden, weil wir – mit kleinen Ausnahmen – alle später mal irgendwie unser Instrument unterrichten werden. Das gehört einfach nicht nur ins Lehramtsstudium.
An Unis stellen sich Studierende Fragen nach Gender und Zuschreibungen unabhängig vom Fach. Im AstA sitzt du da mit Studierenden aus der Biochemie, Germanistik, Musikwissenschaft, Jura, Theologie und dem Mathe-Lehramt und diskutierst: Wie gehen wir mit dem Geschlechtseintrag in der Uni um? Brauchen wir den überhaupt in den Dokumenten? Kann man den ändern? An der Musikhochschule wurden wir bei solchen Themen immer gefragt: Wo ist der Musikbezug? Natürlich ist an einer Musikhochschule die Relevanz für Studierende gegeben, sobald Musik vorkommt. Aber man kann eben nicht auf Biegen und Brechen alles auf Musik beziehen. Gesellschaft wird auf der Bühne wie im Publikum immer verhandelt und muss darum auch Teil der Ausbildung sein.
Ich habe aber auch schon erlebt, dass gerade von Studierenden eher der Wunsch nach weniger Inhalten oder einem nicht zu komplexen Überblick kommt.
Klar, ein musikgeschichtlicher Überblick ist auch wichtig. Aber man muss doch auch schauen: Was ist der Kontext? Warum hören wir nicht mehr Ethel Smyth? Warum Beethoven statt Saint-George? Das sind doch keine rein ästhetischen Entscheidungen! Und dieser Teil der Musikwissenschaft ist gerade so wichtig für die Praxis.
Man kann drüber streiten, ob es relevant für seine Musik ist, dass Chopin schwul war. Aber natürlich ist es relevant, dass die Gesellschaft sich 170 Jahre lang aktiv dafür entschieden hat, sein Schwul-Sein zu verheimlichen. Da wurde gefälscht, bewusst falsch übersetzt, unter den Teppich gekehrt, dementiert. Heute kann man nicht mehr so tun, als wären in der Musikgeschichte alle männlich, weiß und heterosexuell gewesen. Gerade Musik war ja immer divers. Wir haben, glaube ich, auch ein falsches Bild davon, wie die vergangene Gesellschaft war, weil da jahrhundertelang weiße wohlhabende Männer das aufgeschrieben haben, was ihnen gut gepasst hat.
Machen wir’s wie Oxford – schmeißen wir ein paar Haydn-Streichquartette raus! Und nehmen mehr Zeitgenössisches rein, global einen breiten Blick, mehr Kontext. Der Musikwissenschafts-Master an der HU ist mein viertes Musikstudium. Und jetzt erst fächert sich die Musikgeschichte richtig auf, jetzt erst gucken wir auch mal anders, zum Beispiel auf Black-Atlantic, auf andere Perspektiven in der Geschichtsschreibung.
Wenn man sich für historische Kritik Zeit nehmen will, kann man aber nicht so viele Stunden am Tag Probespielstellen üben.
Wenn man jemanden gewissenhaft aufs Orchester vorbereitet, macht man im Unterricht natürlich die Orchesterstellen. Und welche sind das? Wieder die altbekannten weißen Komponisten. Man sollte beides kombinieren. Es muss doch möglich sein, in so einem Studium zu sagen: Ein Mal im zweiten Semester muss ein Werk von einer Komponistin studiert werden und im dritten eins von eine:r Komponist:in of Color. Wir müssen diese Reproduktion von ›Das ist klassische Musik, das sind alte Meister – und das ist der Rest‹ durchbrechen. Warum manche als alte Meister gesehen werden, hat Gründe, und die werden gar nicht reflektiert.
Es braucht einen kritischen Umgang mit der eigenen Geschichte – ohne dass man das als persönliche Kritik sieht. Der alte Musiktheoretiker kann ja selbst nichts dafür, dass er aus der Vergangenheit anderes gewohnt ist. Die Musikhochschule muss aber ein Raum werden – wie jede andere öffentliche Institution –, in dem People of Color, queere Personen, Personen, die Diskriminierung ausgesetzt sind, angstfrei studieren können. Viele an Musikhochschulen erkennen zum Beispiel auch nicht, wie klassistisch die Institution ist, wie viel Geld man haben muss, um überhaupt Musik studieren zu können. Und dass da eine Bubble dranhängt. Natürlich kann sich jede Person an der Musikhochschule bewerben. Aber die, die es schaffen, haben ein Umfeld, das sie gefördert hat, fördern konnte, von Anfang an. Bei diesen ganzen Diskriminierungsfragen hängen die Musikhochschulen noch hinterher.
Was sollte im Instrumentalunterricht passieren?
Die Lehrenden müssen ihren Umgang mit Körper und Zuschreibungen reflektieren. Und den Druck rausnehmen. Man kann natürlich nicht so tun, als wären später im Berufsleben alle immer lieb und nett. Wenn man ins Orchester will, ist das ein hartes Pflaster. Aber das macht ja am Ende auch nur ein kleiner Prozentsatz der Studierenden. Trotzdem tun viele Musikhochschulen noch so, als würden sie vor allem für Orchester ausbilden. Wenn man nicht an alle – auch nicht an alle in der künstlerischen Ausbildung – den Anspruch stellen würde, dass sie ins Orchester können müssen, könnte man Musik mehr als Kulturgut und weniger als Handwerk vermitteln. Ist es wirklich gut, dass man Leute dahin treibt, mindestens sechs Stunden am Tag zu üben und sich trotzdem schlecht zu fühlen? Stattdessen sollten alle einen obligatorischen Kurs in Übetechniken machen. Für meine Harfen-Klasse gab es einen Meisterkurs, in dem wir das gelernt haben. Es bringt doch nichts, wenn ich mich jeden Tag mindestens sechs Stunden lang quäle, mein Leben aufgebe, dann nichts dabei rumkommt, ich mich trotzdem schlecht fühle – und am Ende noch nicht mal irgendwas über Gender oder unsere Gesellschaft weiß! [lacht] ¶