Die am 23. November 1815 – wenige Tage vor dem bedeutenden Vertreter des Realismus Adolph von Menzel (1815–1905) – in Oslo (1624 bis 1924: Christiania) geborene Fredrikke Sophie Egeberg ist »erst« die dritte norwegische Komponistin dieser Serie – nach Anne-Marie Ørbeck (1911–1996) und Lene Grenager (*1969). Egeberg wurde schon im 19. Jahrhundert in einer Musikgeschichtsübersicht des norwegischen Komponisten Johann Gottfried Conradi (1820–1896) erwähnt – außergewöhnlich, findet das Store Norske Leksikon.
Mutter Anna Sophie Muus (1775–1862) brachte insgesamt neun Kinder zur Welt. Fredrikkes Vater arbeitete als Lebensmittelhändler. In diesen mittelständisch-wohlhabenden Familienkreisen musizierte man viel. Einer der Brüder Fredrikkes – Christian August Egeberg – war Amateur-Cellist und vermittelte der Schwester erste musikalische Grundlagen. (Später wurde Christian August Egeberg ein bekannter Arzt, der sich im Kampf gegen Cholera engagierte und die Norwegische Ärztegesellschaft mitgründete.)
Im erweiterten Familienkreis gab es nicht nur im heimatlichen Salon musizierende, sondern auch komponierende Nichten, die Fredrikke eventuell zum Komponieren anspornten. Als junge Pianistin trat sie jedenfalls früh auch als Solistin von Klavierkonzerten in der Region in Erscheinung. Der bekannte norwegische Komponist und Geiger Ole Bull (1810–1880), ein Verwandter Edvard Griegs, setzte sich häufig mit Frederikke zum vierhändigen Spiel ans Klavier. Und vielleicht kam die Sprache auch auf ihre ersten eigenen Stücke. Ein offizielles Kompositionsstudium – möglicherweise sogar außerhalb Norwegens – wurde Egeberg aber wohl verwehrt.
Egeberg komponierte im Verlaufe ihres nur 45-jährigen Lebens – sie starb am 16. Mai 1861 im südlich von Oslo gelegenen Tønsberg (die Todesursache ist nicht näher überliefert) – vor allem Lieder (50 davon wurden schon zu Lebzeiten publiziert) und Klavierwerke
Fredrikke Egeberg (1815–1861)
Sechs Lieder ohne Worte. No. 6: Religioso (ca. 1850)
Um das Jahr 1850 herum entstanden Egebergs Sechs Lieder ohne Worte (6 Sange uden Ord), freilich in der Tradition der gleichnamigen Stücke (ca. 1829–1845) Felix Mendelssohns. Beim Hören des letzten Stückes von Egeberg (Religioso) denken wir dann vielleicht eher an so manches Stück von Robert Schumann, an dessen Kinderszenen op. 15 (1838) oder dem Album für die Jugend op. 68 (1848).
Terzen in Bedeutsamkeit und Wehmut vermittelnder Einsamkeit erklingen in der rechten Hand, dann im zweiten Takt harmonisch eingebettet. Weiter geht es mit Sexten, die sich weiter unten sonor zusammenfinden. Bald wird es wahrhaft choralartig. Ein paar Sforzato-Augenblicke und Änderungen der Satzstruktur bringen Abwechselung. Das ist sehr gute, sehr lyrische Klaviermusik – absolut auf dem »Stand ihrer Zeit«! ¶