Über das genaue Geburtsdatum von Franziska Dorothea Danzi – so ihr voller Name – besteht keine Einigkeit. Als Taufdatum ist jedoch der 24. März 1756 gesichert. Ort: Die Musikstadt Mannheim! Franziska war die Tochter des Mannheimer Hof-Cellisten Innocenz Danzi – und somit war fast »klar«, dass auch sie mit Musik mehr als nur »in Berührung« kommen würde. (Franziskas jüngerer Bruder war Franz Danzi, 1763–1826). Sehr wahrscheinlich, so Autorin Bärbel Pelker in ihrem Artikel, unterrichtete Vater Innocenz Franziska höchstpersönlich in Gesang und Klavier. Wahrscheinlich lud Franziskas Vater aber bald pädagogisch begabte Sängerinnen und Sänger des Mannheimer Hofoper ein, seine Tochter weiter zu unterrichten. Bei einer rein »gesangssolistischen« Ausbildung blieb es indes nicht: Auch schickte man Franziska Danzi zu Unterrichtseinheiten in Kontrapunkt und Harmonielehre.

Über Danzis ersten Schritte in der musikalischen Öffentlichkeit bemerkt Bärbel Pelker: »Ihr Operndebüt gab sie im Sommer 1772 im Alter von 16 Jahren mit der Partie der Rosina in Florian Leopold Gassmanns Oper L’amore artigiano sowie als Hauptdarstellerin in Antonio Sacchinis La contadina in corte, die in dem kleinen Schlosstheater in der Sommerresidenz in Schwetzingen aufgeführt wurden. Noch in demselben Jahr wirkte sie in gleich zwei komischen Opern im Rahmen der Namenstagsfeierlichkeiten des Kurfürstenpaares mit. Außerdem trat sie in der Gala-Akademie vom 7. November als Gesangssolistin auf. Die Mitwirkung Johann Christian Bachs, der eigens aus London wegen der Einstudierung und Uraufführung seiner Oper Temistocle angereist war, adelte dieses Hofkonzert zusätzlich. Für Franziska Lebrun hätte das erste Jahr ihrer Opernkarriere nicht verheißungsvoller enden können: Mit diesem Auftritt auf der repräsentativen, von der europäischen Fachwelt aufmerksam beobachteten Mannheimer Hofoper hatte sie im Grunde die Bretter der internationalen Opernbühne betreten. Zur gefeierten Primadonna avancierte sie dann endgültig mit der Partie der Pfalzgräfin Anna in Ignaz Holzbauers Oper Günther von Schwarzburg, die am 5. Januar 1777 mit großem Erfolg uraufgeführt und von den Zeitgenossen als erste deutsche Nationaloper emphatisch begrüßt wurde. Von allen Mitwirkenden konnte sie den größten Erfolg für sich verbuchen. Ihre Interpretation der Rolle inspirierte die Zeitgenossen sogar zu überschwänglichen Huldigungsgedichten.«

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Von diesen Erfolgen konnte Franziska Lebrun lange zehren. In Mannheim ließ sie sich bald weniger häufig blicken, stattdessen unternahm sie mit dem Mannheimer Oboisten und Komponisten Ludwig August Lebrun (1752–1790), den sie im Mai 1778 geheiratet hatte, ausführliche Konzertreisen, beispielsweise nach Frankreich, Italien und England. Die Kennerinnen und Kenner der Oper von Paris waren von den Gesangskünsten Franziska Lebruns sehr angetan. Von Paris aus ging es zu Engagements am King’s Theatre nach London, die sich ebenfalls – auch finanziell – erfolgreich ausgingen. (Denn in London wurde noch besser gezahlt als in Paris.) Pelker schreibt zur Folgezeit: »Nach Ende der Spielzeit 1778 kehrten die Frischvermählten nach Mannheim zurück. Da Kurfürst Carl Theodor nach dem Ableben des kinderlosen bayerischen Kurfürsten Max III. Joseph wegen vertraglicher Vereinbarungen seine Residenz nach München verlegen musste, entschlossen sich auch die Lebruns, wie etwa die Hälfte ihrer Kollegen, zur Übersiedlung in die bayerische Residenzstadt. Franziska Lebrun erhielt nun ein festes Jahresgehalt von 1000 Gulden, so dass sich ihr gemeinsames Einkommen auf stattliche 1900 Gulden belief.«

Doch bald ging es wieder auf große Tour – und nun legte Lebrun auch erste eigene Kompositionen vor, sozusagen auf Grundlage großen interpretatorischen Selbstbewusstseins. Das Künstlerpaar Lebrun freundete sich unter anderem mit Wolfgang Amadeus Mozart an und trug gewissermaßen dauerhaft den Status »reisend« mit sich, doch plötzlich verstarb Lebruns Mann am 15. Dezember 1790 an den Folgen einer Leberentzündung. An verschiedenen Stellen heißt es, Franziska Lebrun habe den Verlust ihres Mannes nie verwunden und sei daher wenige Monate später selber gestorben. Hat sie ihr Leben selbst beendet? Oder war eine körperliche Erkrankung ursächlich für ihren Tod? Merkwürdig, wie offenbar alle Autorinnen und Autoren die Legende eines »Todes durch Gram über das Versterben des Ehemannes« kritiklos akzeptieren.

Franziska Lebrun jedenfalls verstarb am 14. Mai 1791 in Berlin. Sie wurde nur 35 Jahre alt.


Franziska Lebrun (1756–1791)
Sonate für Klavier und Violine op. 1 No. 1 B-Dur, 1. Satz: Allegro (1780)

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Das Gesangsrepertoire von Franziska Lebrun war – naturgemäß – weit reichhaltiger als ihr Werkkatalog. Lediglich zwei Bände mit jeweils sechs Sonaten für Klavier (beziehungsweise Cembalo) und Violine konnte Lebrun publizieren. Beim Anhören ihrer allerersten Sonate merken wir schnell, dass Franziska Lebrun auch kompositorisch äußerst talentiert war. Hier wird nicht etwa nur leeres Laufwerk abgespult. Wir erleben schöne Vorhalte – und vor allem ein toll auskomponiertes Zusammenwirken von Tasteninstrument und Violine. Auch werden wir Zeuginnen und Zeugen einer damals neuen und doch schon ganz normalen Praxis des Komponierens für Violine als dezidiert fast nur »begleitendes«, jedenfalls nicht oberflächlich durch Akkorde und Begleitfiguren des Tasteninstruments unterstütztes Instrument. Eine kammermusikalische Dauer-Einbettung, durchflochten, umwoben. Ein stetiger Dialog – im wirklichen Miteinander! Es resultiert eine spielfreudige Musik mit lieblichen Gesten menschlicher Zuwendung. ¶

... ist Konzertveranstalter, Moderator, Komponist und Pianist. Er gestaltet innovative Konzertformate, arbeitet als Musik-Satiriker, schreibt Stücke für Solist:innen und Ensembles und Texte für VAN, die Wiener Philharmoniker, die New York Philharmonics und die Bamberger Symphoniker. 2019 war er als Schauspieler an der Volksbühne zu erleben.