Als erstes von drei Kindern des Ehepaares Elisabeth (geb. Robin) und Joannes Kuyper kam Elisabeth Johanna Laminia Kuyper am 13. September 1877 in Amsterdam zur Welt, genau 13 Tage vor der Geburt des legendären Schweizer Chopin-Interpret Alfred Cortot (1877–1962), auf den viele Pianistinnen und Pianisten sich bis heute berufen. Wie Cortot erlernte Elisabeth früh das Klavierspiel – und zeigte sich begeistert und talentiert. Ab ihrem 12. Lebensjahr gab es zusätzlichen Gesangs- und Theorieunterricht bei der Gesellschaft zur Förderung der Tonkunst (Maatschappij tot Bevordering der Toonkunst) in Amsterdam.
Mit 19 Jahren – 1896 – zog Elisabeth Kuyper nach Berlin, um hier bei dem (im Vergleich zu Cortot ungleich unbekannteren) Pianisten Karl Heinrich Barth (1847–1922) Klavier zu studieren. Nach ihrem Klavierabschluss wurde sie 1901 als erste Frau überhaupt in eine Kompositionsmeisterklasse an der Preußischen Akademie der Künste in Berlin aufgenommen. In diesen Jahren entstanden Kuypers erste vollgültige Werke, die sie auch dem Komponisten Max Bruch vorlegte. Bruch förderte Kuyper und empfahl ihr, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen.
1905 sprach man Elisabeth Kuyper – ebenfalls als erster Frau – den Mendelssohn-Preis für Komposition zu, und so konnte diese sich in den Folgejahren nicht über Aufträge und Engagements beschweren. 1908 wurde Kuyper die erste weibliche Kompositionslehrerin an der Berliner Hochschule für Musik (allerdings nur als Assistentin). Im selben Jahr erhielt sie die preußische Staatsbürgerschaft. Ihre inzwischen ausgeprägten dirigentischen Aktivitäten wurden jedoch durch die männlich dominierte Orchesterwelt ausgebremst. Man verwehrte ihr als Orchesterdirigentin den institutionellen Zugang zu entsprechenden Klangkörpern. Auch als Reaktion auf solche Restriktionen engagierte sich Elisabeth Kuyper in der Frauenrechtsbewegung. 1909 gründete sie den rein aus Profis bestehenden Frauenchor des »Lyzeum-Clubs« und ein Jahr später das Berliner Tonkünstlerinnen-Orchester. Nun konnten auch Frauen im Orchester ihr Instrument spielen: eine absolute Pionierinnentat!
1912 musste das Orchester wegen wirtschaftlicher Probleme aufgelöst werden. Zudem verwehrte man Kuyper weiterhin eine langfristige Hochschulanstellung. In den Jahren 1920 und 1921 starben gleich zwei ihrer wichtigsten Förderer: Engelbert Humperdinck und besagter Max Bruch. Offenbar intrigierte man nun an der Hochschule gegen sie. Frustriert verließ Kupyer Deutschland – und bezog nie eine Pension für ihre langjährige Lehrtätigkeit.
Für den Internationalen Frauenfriedenskongress in Den Haag im April 1915 organisierte Kuyper Frauen-Chöre und Frauen-Orchester. Bald siedelte sie nach London über und gründete hier nun wiederum das London Women’s Symphony Orchestra. 1924 folgte die Gründung des American Women’s Symphony Orchestra. 1925 kehrte sie nach Europa zurück und lebte vornehmlich an diversen Orten in der Schweiz (ab 1939). Auch Berlin besuchte sie noch einige Male. Vergeblich kämpfte sie um ihre Pensionsansprüche. Massive gesundheitliche Probleme machten sie bald zu einem Pflegefall.
Elisabeth Kuyper starb am 26. Februar 1953 in Muzzano (Kanton Tessin) im Alter von 75 Jahren.
Elisabeth Kuyper (1877–1953)
Konzert für Violine und Orchester h-Moll op. 10 (ca. 1908)
Das ungefähr 1908 entstandene Violinkonzert h-Moll erinnert auf angenehme Weise an die Themengestaltungen Dvořáks. Voluminöse Spätromantik! Kühn wechselt Kuyper kurzzeitig nach g-Moll, um die Tonikaparallele der h-Moll-Ausgangstonart D-Dur flüchtig in den Blick zu nehmen. Dann geht alles zunächst seinen (dramatischen) Gang. Wie ein idyllisches Leitmotiv Wagners umfängt uns alsbald H-Dur, die leuchtende Dur-Version der Grundtonart. Von der tiefsten Saite formuliert die Solo-Violine ihre ersten, ausholenden Gesten. Mit zünftigen Doppelgriffen – beschwichtigend, weise, scherzoartig. Eine absolut lohnenswerte Ergänzung des gängigen Violinkonzert-Repertoires, das in beängstigender Weise kaum etwas anderes kennt als die Konzerte von Beethoven, Brahms und Tschaikowsky. ¶