In dieser Rubrik kommentieren wir in jeder Ausgabe eine Nachricht, die uns in der vergangenen Woche beschäftigt, betrübt oder erfreut hat.
»Wir bieten Ihnen eine verantwortungsvolle und abwechslungsreiche Tätigkeit in einem kreativen und kollegialen Arbeitsumfeld«, hieß es im vergangenen Jahr in der Ausschreibung des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden über die freie Orchesterdirektor:innen-Stelle. Für Ilia Jossifov wurde dieses Versprechen nicht eingelöst. Er hatte sich im Herbst 2021 auf die Stelle beworben und war nach einem Bewerbungsgespräch im Oktober von Intendant Uwe Eric Laufenberg eingestellt worden, mit Arbeitsbeginn am 1. April 2022. Jetzt wirft Jossifov dem Geschäftsführenden Direktor des Theaters, Holger von Berg, systematisches Mobbing vor. Gleichzeitig habe er in dessen Büro bei »konfrontativen Treffen« regelmäßig unter Hakenkreuzplakaten sitzen müssen. »Für einen jüdischen Menschen wie mich ist die Begegnung mit diesem Symbol immer traumatisch«, so Jossifov gegenüber VAN. »Ich musste zittern, wenn ich davor stand. Mein Onkel wurde vor den Augen meiner Oma lebendig verbrannt. Ich bin mit meiner Oma aufgewachsen und kann sehr viel von ihren Traumata und Erfahrungen erzählen.« Er habe von Berg gefragt, warum diese Plakate in seinem Büro hingen, woraufhin dieser nur geäußert habe, dass diese »Kunst« seien. Jossifov hatte sich mit den Vorwürfen an die Bild-Zeitung gewandt, die darüber vergangenen Donnerstag berichtet hatte.
Bei den Plakaten handelt es sich um nicht veröffentlichte Entwürfe zur Programmreihe »Diskurs Bayreuth 2017«, wie der Pressesprecher der Bayreuther Festspiele gegenüber VAN bestätigt. Begleitend zu Barrie Koskys Neuinszenierung der Meistersinger von Nürnberg setzte sich ein Symposium mit der kritischen Aufarbeitung der Verbindungen zwischen Wagner, Bayreuth und der NS-Ideologie auseinander. Die Beiträge des Symposiums sind auch als Buch veröffentlicht, bei dem Holger von Berg, damals Geschäftsführer der Bayreuther Festspiele, als Mitherausgeber fungierte. Im Mai 2020 wurde bekannt, dass von Bergs bis 2021 laufender Vertrag in Bayreuth nicht verlängert werden würde. Am 1. April 2021 übernahm von Berg dann die neue Position in Wiesbaden.

Gegenüber VAN erklärt von Berg, dass die Plakate bereits in seinem Bayreuther Büro gehangen hätten. Als Erinnerung an seine dortige Zeit habe er sie nach Wiesbaden mitgenommen und dort »vorübergehend, bis zur Veröffentlichung des Plakatsatzes für die neue Spielzeit« aufgehängt. Mittlerweile habe er sie abgehängt. »Ich hätte mit der ganzen Geschichte sensibler umgehen können und die Alarmsignale früher hören können«, so von Berg rückblickend. »Dass der Aussagegehalt des Plakates, das den Nationalsozialismus aufs Schärfste verurteilt, für Außenstehende nicht hinreichend deutlich wurde und daher Mitmenschen verletzt hat, tut mir leid. Dafür möchte ich mich entschuldigen.« Von den Vorwürfen Jossifovs habe er zunächst gar nicht von diesem selbst, sondern von Intendant Laufenberg erfahren. Laufenberg hatte von Berg bei einer Direktionssitzung am 21. Juni 2022 aufgefordert, sich bei Ilia Jossifov zu entschuldigen und die Plakate abzuhängen. Jeglichen Vorwurf des Antisemitismus weist von Berg von sich. Es sei ja in Bayreuth gerade darum gegangen, das Schweigen zu durchbrechen. »Jemand, der sich mit der Aufarbeitung der Nazivergangenheit beschäftigt, sollte allerdings wissen, dass man einen Juden nicht unter ein Hakenkreuz setzen sollte«, entgegnet Jossifov.
Die Bild-Zeitung hatte den Fall unter der Headline »Nächster Skandal für Kulturministerin Angela Dorn!« in die Nähe zur Diskussion um die antisemitischen Kunstwerke gerückt, die auf der Kasseler Documenta gezeigt wurden. Aus Sicht des hessischen Antisemitismusbeauftragten Uwe Becker, den Jossifov bereits Mitte Juli in einer E-Mail über die Vorwürfen unterrichtet hatte, handelt es sich bei dem Fall allerdings »nach derzeitigem Kenntnisstand nicht um Antisemitismus, sondern eher um Konflikte im zwischenmenschlichen Umgang«. Die Plakatmotive stünden für die Auseinandersetzung mit der Rolle der Bayreuther Festspiele in der Zeit des Nationalsozialismus und seien damit als Instrumente des kritischen Umgangs mit der Verstrickung von Kunst und Kultur in das verbrecherische System des Nationalsozialismus anzusehen. Es sei damit kein Fall von Antisemitismus.
Demgegenüber stellt die Antidiskriminierungsstelle des Bundes in einer Mail an Jossifov, die VAN vorliegt, fest, dass es »eine unangemessene Schikane« darstelle, dass der Orchesterdirektor »bei konfrontativ geführten Gesprächen ununterbrochen Hakenkreuze vor Augen haben« musste. Die Darstellung des Hakenkreuzes sei strafrechtlich verboten (§ 86a StGB) und wenn überhaupt nur in sehr engen Ausnahmefällen erlaubt. »Auch, dass die Bilder mit diesen Symbolen nach mehreren Hinweisen nicht abgehangen wurden, kann für eine Belästigung aus antisemitischen Gründen sprechen.«
Jossifov betont, dass er selbst von Berg keinen Antisemitismus unterstellen möchte. »Ich bin nicht wegen meiner Religion oder meines Judentums direkt angegriffen worden.« Allerdings beschuldigt er den Geschäftsführenden Direktor, ihn »systematisch gemobbt« zu haben. »Schon bei einem ersten Kennenlerngespräch im Februar 2022 meinte er zu mir: ›Wenn ich mir so Ihren Lebenslauf anschaue – ich hätte Sie niemals eingestellt‹«, so Jossifov gegenüber VAN. »Er hielt mich für nicht kompetent genug.« Der 52-Jährige hatte zuvor viele Jahre als Sänger unter anderem bei den Bayreuther Festspielen und der Staatsoper Berlin gearbeitet, bevor er 2015 eine Stelle als Notenarchivar an der Israeli Opera in Tel Aviv antrat. Außerdem ist er Filmkomponist und Dirigent.
Bereits bevor er seine Stelle angetreten habe, hätte von Berg im Haus Stimmung gegen ihn gemacht, so Jossifov. Im Folgenden sei er systematisch von allen relevanten Prozessen ausgeschlossen worden. »Entscheidungen, die in meiner Kompetenz liegen, wurden komplett hinter meinem Rücken vollzogen und ich wurde regelrecht schikaniert.« Dabei ging es zum Beispiel um die Anschaffung neuer Instrumente aus dem Etat des Orchesters.
Von Berg weist VAN gegenüber auch den Vorwurf des Mobbings zurück. »Ich bin im Umgang offen und klar, in der Sache manchmal hart, aber bleibe immer auf der Sachebene.« Und: »Natürlich habe ich mit Herrn Jossifov von Anfang an offen diskutiert und ihm auch signalisiert, wo die Defizite liegen.« Jossifov habe vorher nie für ein Orchester gearbeitet. Ihm fehlten dadurch grundlegende Kenntnisse der Verwaltungsabläufe. Beim Bewerbungsgespräch mit Jossifov war von Berg wegen einer Erkrankung nicht anwesend. Die Anstellung von Jossifov habe Intendant Laufenberg ohne seine Zustimmung forciert. Von Berg hatte sich erst im Rahmen einer externen Mediation bereit erklärt, Jossifovs Vertrag zu unterzeichnen.

Der Vorstand des Hessischen Staatsorchester betont, dass das Orchester mit Jossifov stets ein freundliches Verhältnis gehabt habe. Allerdings fehlten ihm Kenntnisse im Bereich des Tarifvertrags, des Teilzeitbefristungsgesetzes sowie der Verwaltungsabläufe innerhalb eines Staatstheaters. »Ohne die ständige Hilfsbereitschaft und freiwillige Zuarbeit der – ehrenamtlichen – Orchestervorstände wären er und sein Büro nicht funktionsfähig«, so der Vorstand gegenüber VAN. Die Ausschreibung für Jossifovs Stelle sei nicht auf die spezifischen Anforderungen des Hessischen Staatstheaters zugeschnitten gewesen. Außerdem sei aus dem Orchester niemand in den Bewerbungsprozess und die Auswahl einbezogen worden. Jossifovs Vorgängerin war, so der Orchestervorstand, schon 2021 gekündigt worden, auch die ihr zuarbeitende Mitarbeiterin hatte das Haus verlassen. Jossifov habe so bei Amtsantritt ein verwaistes Büro vorgefunden, eine Übergabe habe nicht stattgefunden.
Nun sei Jossifov zwischen die Fronten von Konflikten auf der Leitungsebene geraten und werde dabei instrumentalisiert. »Er wird als Werkzeug des Intendanten in dessen Auseinandersetzung mit Herrn von Berg missbraucht«, so der Vorstand, »mit dem einzigen Ziel, Herrn von Berg loszuwerden. Wohl mit einkalkulierend, dass die zuständige Ministerin, Frau Dorn, durch den Documenta-Skandal ›angezählt‹ ist.« Intendant Laufenberg hatte nach Veröffentlichung der Bild-Zeitung die Vorwürfe seines Orchesterdirektors umgehend bestätigt und dem Ministerium vorgeworfen, sich nicht darum kümmern zu wollen. In einer Mail an Kunstministerin Angela Dorn (Grüne), die VAN vorliegt, schreibt er: »Das Hakenkreuz, unter dem Jossifov gemobbt wurde, war ein ›gutes‹ Hakenkreuz, verkünden Sie. Darf man unter ›guten‹ oder ›gut gemeinten‹ Hakenkreuzen Juden mobben? Darf man überhaupt Menschen mobben? Interessiert Sie der Mobbingvorwurf überhaupt, wollen Sie ihn aufklären? Anscheinend: Nein.« Gleichzeitig fordert er Dorn und den Wiesbadener Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende (SPD) auf, von Berg zu beurlauben: »Keinem meiner Mitarbeiter und auch mir ist nicht länger zuzumuten, unter diesen Umständen mit Holger von Berg zusammen zu arbeiten. Es besteht keinerlei Vertrauen mehr, dass er seinen Aufgaben gerecht werden kann.«
Wer in Wiesbaden nur ein bisschen gräbt, stößt schon schnell auf zahlreiche Abgründe, die sich seit Jahren sukzessive vertiefen und auch öffentlich ausgetragen werden. Der Fall Jossifov ist dabei nur die letzte Ausweitung der Kampfzone, in der sich nicht nur Intendant Laufenberg und Holger von Berg unerbittlich gegenüberstehen. Spannungen auf der Leitungsebene zwischen künstlerisch denkender Intendanz und der Geschäftsführung gibt es an vielen Theatern: Der Wunsch nach einem möglichst großen Spielplan, illustren Gästen und aufwendigen Produktionen steht dabei oft dem Ziel soliden Haushaltens und dem möglichst effizienten Einsatz von Mitteln gegenüber. In Wiesbaden gibt es unter der Intendanz Laufenbergs schon länger eine Diskussion um eine falsche Disposition und eine zu hohe Arbeitsbelastung. »Ich gehe fest davon aus, dass Herr von Berg ein Auge auf das Budget des Hauses hat, dass er die hohen Krankenstände mitbekommt, die Überlastungsanzeigen der einzelnen Abteilungen. Da kann auch schon einmal eine Inszenierung des Hausherren in Frage gestellt oder deren Wiederaufnahme abgesagt werden. Und damit macht er sich Herrn Laufenberg zum Feind«, so ein Mitarbeiter des Hauses gegenüber VAN. Holger von Berg sei vom Ministerium auch als starkes Gegenwicht zu Laufenberg geholt worden, um die Ausgaben des Hauses stärker zu kontrollieren. Andere werfen dem Geschäftsführenden Direktor vor, mit seiner Sparpolitik in Wiesbaden das Haus künstlerisch vor die Wand zu fahren.
Zwischen Laufenberg und von Berg hat sich der Konflikt mittlerweile zu einem veritablen Beziehungsabbruch ausgewachsen. Die beiden kommunizieren fast nur noch über Mails oder Stellvertreter. In einer Mail von Laufenberg an von Berg vom 28. März 2022, die VAN vorliegt, listet der Intendant unter dem Betreff »nicht haltbare Zustände« über 20 Kritikpunkte, die »zur Sprache kommen sollten«. Einer davon: »Mobbing von Jossifov (Orchesterdirektor HSW) und anderen, denen Du – Deine Kompetenzen überschreitend – jede Qualifikation absprichst.« Weitere Vorwürfe sind unter anderem die Nichtbearbeitung von Verträgen, »Stechuhren-Regime« und »Kontrollwahn«, Verzögerung von Werbemaßnahmen, »Torpedierung« von Gastspielen, die »Gefährdung« der Wiesbaden Biennale 2022, die Verzögerung und Behinderung von Arbeitsabläufen … – also so ziemlich die Gesamtheit dessen, was operativ und strategisch in einem Theater und der Zusammenarbeit auf Leitungsebene anfällt. Das Ministerium war in dieser Mail in Kopie gesetzt. Auf die VAN-Nachfrage, ob und wie man mit dem Mobbing-Vorwurf umgegangen sei, heißt es, dass es zu diesem Zeitpunkt noch kein Arbeitsverhältnis zwischen Herrn Jossifov und dem Staatstheater gegeben habe.

Von Berg wiederum beschuldigt Laufenberg, alles zu sammeln, was gegen ihn verwendet werden könne. In der Vergangenheit sei es stets so gewesen, dass derjenige, der sich traue, in den Konflikt mit dem Intendanten zu gehen, das Haus verlassen musste. »Wer sich ihm widersetzte, muss gehen, geht freiwillig, oder geht in innere Emigration«, so von Berg gegenüber VAN. Dies habe immer wieder zu einer hohen Personalfluktuation geführt. Ein Mitarbeiter spricht von einem »Klima der Angst« und einem »System Laufenberg«, das ganz auf die persönlichen Ambitionen des Intendanten ausgerichtet sei. Er sehe das Theater als seine persönliche Spielwiese an. Wer nicht mitziehe, werde als Feind betrachtet.
Auch zwischen dem Hessischen Staatsorchester und Laufenberg gelten die Fronten schon länger als verhärtet. Im Laufe der Corona-Pandemie eskalierte der Konflikt weiter. Während die Musiker:innen und der ehemalige Generalmusikdirektor Patrick Lange für einen den Corona-Bedingungen angepassten Spielplan plädierten, beharrte Laufenberg auf der ursprünglichen Planung. »Das Tischtuch zwischen uns ist zerschnitten, seit wir ihm nicht ermöglicht haben, in der Corona-Zeit seinen Wagner-Ring im Orchestergraben aufzuführen in größerer Besetzung«, so der Orchestervorstand gegenüber VAN. »Zum damaligen Zeitpunkt wäre es für die Orchestermusiker im Graben nicht möglich gewesen, fünf Stunden lang ohne jede Abstände eine Götterdämmerung zu spielen.« In der Beschreibung der Beziehung zwischen Laufenberg und dem Orchester fällt auch das Wort »Krieg«. Wegen Verstößen gegen die Corona-Regeln reichte der Orchestervorstand im September 2020 beim hessischen Kunstministerium eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Laufenberg ein, die VAN vorliegt. Darin geht es unter anderem um die Nichteinhaltung von Mindestabständen und den Einsatz nicht getesteter Solist:innen. Der Konflikt kulminierte im vorzeitigen Abgang des Generalmusikdirektors Patrick Lange im Februar 2022 – auf eigenen Wunsch und »wegen künstlerischer Differenzen mit dem Intendanten«.
Intendant Laufenberg hatte im Herbst 2021 angekündigt, seinen bis 2024 laufenden Vertrag in Wiesbaden nicht zu verlängern. Damit war er einer Entscheidung von Kunstministerin Dorn zuvorgekommen, mit der er insbesondere in der Corona-Zeit immer wieder aneinandergeraten war. In seinen so genannten »Solo-Diskursen« hatte sich Laufenberg gegen die Corona-Maßnahmen gestellt, die »Aussetzung des Grundgesetzes« angeprangert und sich dabei auch auf umstrittene Personen wie den Mainzer Mikrobiologen Sucharit Bhakdi bezogen. Das Ministerium hatte Laufenberg daraufhin aufgefordert klarzustellen, dass es sich bei den »Diskursen« um eine rein persönliche Auffassung handele. Auch innerhalb des Theaters hatten sich viele von Laufenbergs Tiraden distanziert. Der damalige Personalratsvorsitzende Frank Hietzschold veröffentlichte daraufhin auf Youtube eine fünfteilige »Gegenrede«, in der er Laufenberg unter anderem eine »Verzerrung der gesellschaftlichen Verträge« vorwarf. Nachdem Laufenberg den Musikjournalisten Axel Brüggemann in einer E-Mail als »Parasiten« bezeichnet hatte, wurde er von Dorn zu einem »Dienstgespräch« geladen. Laufenberg habe mit der Mail gegen seine Pflicht verstoßen, das Theater angemessen zu repräsentieren. (Schon in der Vergangenheit hatte sich Laufenberg öffentlich mit Journalisten angelegt.) In einem Streit um das Corona-Hygienekonzept des Hauses, im Zuge dessen das Theater im September 2020 den Spielbetrieb kurzfristig einstellen musste, erteilte das Ministerium Laufenberg eine Abmahnung, die jedoch nach schiedsgerichtlicher Klärung zurückgenommen werden musste.
Wie kann es nun die nächsten zwei Jahre weitergehen in Wiesbaden? Im Konflikt zwischen Ilia Jossifov und Holger von Berg hat sich das Ministerium hinter den Geschäftsführenden Direktor gestellt. Gleichzeitig versucht es, zwischen beiden Parteien zu vermitteln. Man sei mit den Beteiligten am Theater im Dialog und wolle eine Verständigung herbeiführen, »um insbesondere die unterschiedlichen Wahrnehmungen der Beteiligten darzulegen und die Sachebene aufzuklären«, heißt es in einer Stellungnahme gegenüber VAN. Außerdem wolle man den Fall von einer »erfahrenen Expertin extern bewerten lassen«. Am Montag gab es ein Telefonat zwischen Jossifov und dem für Musik und Theater zuständigen Referatsleiter im Kunstministerium, Jan-Sebastian Kittel. Jossifov kann sich allerdings eine weitere Zusammenarbeit mit von Berg und ein vom Ministerium angestrebtes Schlichtungsgespräch nicht vorstellen.
Auch ob sich Intendant und Geschäftsführung nochmal zusammenraufen, nachdem sie sich gegenseitig öffentlich das Misstrauen ausgesprochen haben und der eine öffentlich den Rauswurf des anderen gefordert hat, ist mehr als fraglich. Die Beziehung sei so irreparabel zerrüttet, dass »der Krach weitergehen wird«, so ein Mitarbeiter. Leidtragende sind auch die rund 600 Mitarbeiter:innen des Theaters, dessen Arbeitsklima von Lagerbildung und Misstrauen geprägt ist. Auch ist fraglich, wie unter diesen Bedingungen noch zwei Jahre lang gutes Theater gemacht werden kann. Im hessischen Kunstministerium trudeln schon jetzt im Wochentakt Beschwerdemails aus dem Theater ein. Vielleicht hat man sich dort mit dem Theater als »failed institution« abgefunden und will die Sache bis 2024 aussitzen. »Die Haltung des Ministeriums lautet leider zu oft: Das sind Probleme, die müssen hausintern geklärt werden«, so ein Mitarbeiter. Ändern werde sich für das Haus erst dann etwas, wenn eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger für Laufenberg bekannt gegeben sei. Darüber entscheidet derzeit eine Findungskommission. Dann könne anfangen werden, das System »auf Null« zu setzen, eine »weiße Landkarte« zu schaffen und das ganze System von unten neu aufzubauen.
Das erinnert an den Fall des Badischen Staatstheaters Karlsruhe: Dort war Generalintendant Peter Spuhler öffentlich ein toxisches Arbeitsklima, Kontrollzwang und autoritäre Führung vorgeworfen worden. Nach der Auflösung des Vertrags mit Spuhler hatte man dann begonnen, in einem partizipativen Prozess über neue Leitungsmodelle, flachere Hierarchien und demokratische Teilhabe nachzudenken. Überhaupt kommen einem viele der Missstände in Wiesbaden wie ein Déjà-vu vor. Es scheint, dass der Karren regelmäßig erst fest im Dreck stecken muss, bis man sich daran macht, ihn wieder herauszuziehen. ¶
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