Genau auf den Tag vor 145 Jahren, am 7. April 1876, wurde Teresa Clotilde del Riego in London geboren, etwa einen Monat nach Eugeno Maria Giuseppe Giovanni Pacelli (von 1939 bis 1958: Papst Pius XII.) und einen Monat vor dem Schauspieler und späteren Theatergründer und Intendanten Richard Ohnsorg (1876–1946).
Viel ist über das Leben und Wirken der spanischstämmigen Teresa del Riego nicht bekannt. In einschlägigen Lexika sind nichtssagende beziehungsweise uneindeutige Hinweise auf ihre vermeintliche Ausbildung an musikalischen Institutionen Londons zu finden. Enger verbunden und assoziiert ist del Riego aber mit ihrem Klavierlehrer, dem italienischen Komponisten, Sänger und Pianisten Paolo Tosti (1846–1916). Der aus den mittelitalienischen Abruzzen stammende Tosti schrieb eine Vielzahl von frappierend populären italienischen »Opern«-Schlagern – als eine Art »Robert Stolz Italiens«. Dabei ist er, wie man aufgrund seiner Lebensdaten vermuten könnte, weder »Verismo-Spätausläufer« noch überhaupt Opernkomponist. Tosti legte wohl keine einzige Oper vor. Dafür sang noch Luciano Pavarotti (1935–2007) mit großer Leidenschaft und Emphase die süffigen Einzellieder Tostis bei entsprechenden Anlässen.
Als eine weitere Lehrerin del Riegos wird eine gewisse Marie Withrow aufgeführt, von der noch nicht einmal die Lebensdaten überliefert sind. Möglicherweise unterrichtete Withrow Teresa del Riego in Gesang – und Paolo Tosti übernahm die Klavierstunden. (Ein vereinzelter Hinweis auf eine Marie Withrow findet sich in dem Buch Women Music Educators in the United States: A History von Sondra Wieland Howe, Lanham 2013, S. 72. Hier wird eine Marie Withrow als Gesangslehrerin in San Francisco aufgeführt, die zwischen 1876 und 1883 in den USA tätig war, um anschließend nach Europa überzusiedeln.)
Auch über das Jahr der Ehelichung Teresa del Riegos mit einem F. J. Graham Leadbitter erfährt man erst einmal nichts. Die Auskunft, Leadbitter sei im Ersten Weltkrieg kämpfend 1917 umgekommen, lässt sich allerdings glaubhaft bestätigen. Del Riego gab wohl als Geigerin, Pianistin und/oder Sängerin Wohltätigkeitskonzerte während des Krieges und zog später ins ostenglische Norfolk, wo sie am 23. Januar 1968 im Alter von 91 Jahren starb.
Teresa del Riegos Grab befindet sich auf dem Friedhof von St. Martin’s in Norfolk. (Hier liegt auch Teresas Schwester Agnes.) Auf dem Grabstein wird del Riego als »composer and musician« beschrieben. Unter dem Namen ihres Mannes (»killed in action 1917«) wird der Titel eines tröstenden Liedes von Teresa del Riego angeführt: O Dry Those Tears.
Teresa del Riego (1876–1963)Homing (1917)
Del Riego komponierte Werke für Kammermusikbesetzungen, Orchester und Solo-Klavier. Doch vor allem wurde sie für ihre mehr als 300 Balladen und Lieder gefeiert – und in der Rezeption quasi als englische Version ihres einstigen Lehrers Paolo Tosti verstanden. Mit viel aufrichtigem Schmelz ausgestattet verkaufte sich allein der erwähnte Hymnus O Dry Those Tears im Druck über 30.000 Mal innerhalb von nur sechs Wochen. Weltberühmte Sängerinnen und Sänger wie Emma Albani (1846–1930), Nelli Melba (1861–1931), Gervase Elwes (1866–1921) und Clara Butt (1872–1936) sangen die Lieder del Riegos und setzten sich nachhaltig für die Verbreitung ihrer (schönen) Melodien ein.
1917 entstand del Riegos Lied Homing – nach einem Text von Arthur Leslie Salmon (1865–1952). (»Homing« lässt sich nicht nur recht unelegant auf Deutsch übersetzen. »Zielflug«, vielleicht – aber hier, trotz der Entstehungszeit im Ersten Weltkrieg, weniger militärisch gedacht; mehr im Sinne eines wohligen Gefühls beim Gedanken an die Rückkehr in ein sicheres, wärmendes Zuhause.)
Mit sonoren B-Dur-Akkorden beginnt das schöne Lied. Am Ende der ersten Textzeile (»All things come home at eventide«) setzt es eine »Sehnsuchtssexte« aufwärts – und am Schluss der zweiten Zeile (»Like birds that weary of their roaming«) eine Quinte abwärts. Sext- und Quint-Neigungen- und Steigungen bestimmen auch im Folgenden die sängerischen Bewegungen. Kleine harmonische Rückungen bringen farbige Abwechslungen innerhalb dieses schlichtweg aufrichtig schönen – im Mittelteil in ausholenden Dur-Akkorden wallenden – Songs. ¶