Beim Osteraufstand (irisch: Éirí Amach na Cásca) des Jahres 1916 – also mitten im Ersten Weltkrieg – versuchten irische Republikaner, die Unabhängigkeit ihres Landes von Großbritannien zu erzwingen. Das gelang mit militärischer Gewalt nicht, führte aber schlussendlich 1922 zur Unabhängigkeit Irlands. Ungefähr ein Jahr zuvor erblickte im (heute nordirischen) Enniskillen Joan Trimble das sorgenvoll gedimmte Licht der Welt.

Die Familie der am 18. Juni 1915 geborenen Joan Trimble war – wie wir in ihrem Nachruf in »The Guardian« lesen – sehr musikalisch. Beste Voraussetzungen für ein erfülltes musikalisches Leben. Mutter Marie stammte aus einer bekannten Dubliner Familie von Musikerinnen und Musikern – eine talentierte Geigerin und Lehrerin. Joans Vater war ein guter Bassbariton und ein passionierter Sammler von Volksliedern, außerdem war er der Besitzer und Verleger der örtlichen Zeitung von Enniskillen.

In den 1930er Jahren studierte Joan Trimble musikalische Fächer an der Royal Irish Academy of Music und später an der University of Dublin. Vor allem als Pianistin machte sie in diesen Jahren stark auf sich aufmerksam. Einer ihrer Lehrer war der große englische Komponist und Dirigent Ralph Vaughan Williams (1872–1958), der sich gerade bei weiblichen Kompositionsstudierenden großer Beliebtheit erfreute. Hinzu kamen Studien unter anderem bei dem britisch-australischen Pianisten und Komponisten Arthur Benjamin (1893–1960), der in diesen Jahren unter anderem zu Alfred Hitchcocks Film The Man Who Knew Too Much (1934) die Musik beisteuerte.

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1936 kam der berühmte irische Tenor John McCormack (1884–1945) auf Joan Trimble zu – und fragte sie, ob sie die Intermezzi bei den Recitals seiner Tourneen am Solo-Klavier übernehmen wolle. Aus diesem Grund intensivierte Trimble vor allem ihre Klavierstudien. McCormack, der als einer der wichtigsten Traviata-Alfredos des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts überhaupt gelten kann (unter anderem sang er diese Rolle an der Metropolitan Opera in New York), beendete jedoch leider schon 1938 mit einem großen Abschiedskonzert in der Londoner Royal Albert Hall seine glanzvolle Laufbahn. Allzulange konnte Joan Trimble sich also auf den Meriten dieses Beifang-Erfolgs nicht ausruhen.

Daraufhin konzentrierte sich Trimble auf das Komponieren – und gewann 1940 mit ihrer Phantasy for Piano Trio einen Kompositionswettbewerb. Sie ging in diesen Jahren immer häufiger ihrer Leidenschaft für das irische Volkslied nach, auf den Spuren ihres Vaters, der 1941 nach einem Schlaganfall gestorben war. Vor allem zeigte sich dieser Einsatz anhand von Neu-Arrangements irischer Folk Songs. (Zu dem Thema entstand 2003 sogar eine Dissertation von Ruth Stanley: Joan Trimble (1915–2000) and the issue of her ›Irish‹ musical identity, Limerick 2003). Außerdem bildete Trimble für mehrere Jahre ein sehr erfolgreiches Kammermusikduo mit ihrer cellospielenden Schwester Valerie.

Die Zeit des Zweiten Weltkriegs verbrachte Joan Trimble offenbar zur Gänze in Großbritannien. Unter anderem debütierte sie bei den legendären »Proms« im Jahr 1943. 1959 erhielt sie eine Professur für Liedbegleitung am Royal College of Music in London, ließ sich aber 1977 beurlauben und verschrieb sich nun tatsächlich der Lokalzeitung von Enniskillen – und repräsentierte auf diesem Wege die vierte Generation ihrer Verleger-Familie. Bis zu ihrem Tode kümmerte sie sich um die Belange der Zeitung. Die mit vielen Preisen und Ehrungen ausgezeichnete Joan Trimble starb am 6. August in ihrer Geburtsstadt Enniskillen im Alter von 85 Jahren. Anlässlich ihres 100. Geburtstages fand dort 2015 eine große Ausstellung zu dem Lebenswerk Trimbles statt.


Joan Trimble (1915–2000)
Suite für Streichorchester (1951)

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Als Hauptwerk Joan Trimbles gilt die Oper Blind Raftery aus dem Jahr 1957. Aufführungen des Werkes sucht man aber vergeblich. Hinzu kommen im (berufsbedingt kleinen, aber feinen) Schaffenskatalog Trimbles drei Werke für Orchester, etwa sechs Kammermusikstücke, einige Werke für zwei Klaviere sowie ein paar Lieder. Die Suite für Streichorchester stammt aus dem Jahr 1951.

Der erste Satz (Prelude) beginnt mit einem Motto, in dem ein paar Hohlklänge auffallen und so einen interessanten filmmusikalisch-erzählerischen Historismus-Aspekt einbringen. Bald schöpft Trimble diverse lyrische Potentiale aus, die sich mit der Besetzung ganz natürlich, organisch ergeben. Ungebrochen fließt die Musik dahin, aber abwechslungsreich, elegant – schön an andere Streichermusik Großbritanniens gemahnend. Da kann der Verlauf der Streicherlinien auch mal festfrieren, um sich hernach ritterlich-repetitiv selbst zu befreien. Ansonsten springt es sehr inspirierend dahin, viele Traditionen in sich aufnehmend, auch die der Streichermusik von Mendelssohn, Tschaikowsky und Britten. Die Melodien ziehen schnell vorbei, sind kleingliedrig strukturiert. Es zappelt. Die anfänglichen Bordun-Klänge grüßen regelmäßig und sind Auslöser für zahlreiche Wiederaufschwünge (so nach einem Solo, ungefähr nach vier Minuten). Tolle Musik, die zum Glück nicht gänzlich vergessen ist. ¶

... ist Konzertveranstalter, Moderator, Komponist und Pianist. Er gestaltet innovative Konzertformate, arbeitet als Musik-Satiriker, schreibt Stücke für Solist:innen und Ensembles und Texte für VAN, die Wiener Philharmoniker, die New York Philharmonics und die Bamberger Symphoniker. 2019 war er als Schauspieler an der Volksbühne zu erleben.