Mary Frech Vicker benennt in ihrem Buch Women composers of classical music quasi nur die Eckdaten des Lebens von Halina Krzyżanowska, hatte aber zur Entstehungszeit der Schrift (2011) wohl noch nicht die richtigen Zahlen vorliegen. Als Geburtsjahr vermutet sie noch 1860, als Geburtsort Paris – und hinter der Angabe, sie sei in »Rennes« gestorben, steht ein Fragezeichen (wie so oft im Zusammenhang mit den das Leben einer Komponistin näher »fassenden« Fakten). Richtig ist aber offensichtlich, dass die polnisch-französische Halina Krzyżanowska am 4. August 1867 im französischen Rennes geboren wurde und dort am 18. Januar 1937 starb.
Krzyżanowska beschrieb vor allem als Pianistin eine eindrückliche Laufbahn. Sie gewann als 17-jährige Studentin des sagenumwobenen Pariser Konservatoriums den »Prix d’honneur« der Hochschule. In der einflussreichen französischen Tageszeitung Le Temps war bereits am 2. August 1881 zu lesen, dass »Frau Krzyżanowska, 13 Jahre und zehn Monate alt« den ersten Preis beim Konservatoriumswettbewerb der Frauen gewonnen hatte, mit ihrer Darbietung von Frédéric Chopins Ballade No. 1 g-moll, »eines der Lieblingsstücke am Konservatorium«.
Am Conservatoire de Paris studierte Krzyżanowska Komposition bei Antoine Marmontel (1816–1898), der auch der Lehrer von Marguerite Long (1874–1966), Claude Debussy und Georges Bizet war sowie bei Reicha-Schüler Ernest Guiraud (1837–1892, auch Lehrer von Paul Dukas und Erik Satie).
Krzyżanowska wurde eine sehr erfolgreiche Pianistin, die durch ganz Europa reiste und sich später als Professorin am Konservatorium in Rennes niederließ. Dort starb sie 1937 im Alter von 69 Jahren.
Halina Krzyżanowska (1867–1937)
Sonate für Violine und Klavier e-Moll op. 28 (1905)
Halina Krzyżanowska komponierte neben einiger Kammer- und Klavier-Solo-Musik auch eine einaktige Oper: Magdusia (1894). Ihre Sonate für Klavier und Violine e-Moll op. 28 stammt aus dem Jahr 1905, also aus demselben Jahr wie Max Regers fünfte Sonate für Violine und Klavier fis-Moll op. 84. Und ähnlich wie in Regers besagtem Werk durchströmt auch die e-Moll-Sonate von Krzyżanowska etwas Tiefromantisches, etwas Verwobenes, etwas, das von Anfang an leidenschaftlich präsent erscheint.
Ganz tief beginnt die Violine, findet sich aber schnell auch in höheren Lagen wieder: häufig synkopiert, also Taktschwerpunkte drängend verschiebend – und immer in absoluter Gleichberechtigung mit dem Klavier verschränkt. Wir vernehmen Einiges an Chromatik, engzahnige Harmonik also, die sich aber nie als »stehendes Konzept« leicht vorausschaubar offenbart. Das ist großartige Musik – ganz in der Traditionslinie der Sonaten für Klavier und Violine von Johannes Brahms. Eine potentiell absolut repertoirebereichernde Musik, die – im Vergleich zu Regers besagter Arbeit – alles andere als »überfrachtet« erscheint. ¶