Einige Generationen vor Alicia Urreta (1930–1986) – bislang die einzige hier porträtierte Komponistin aus Mexiko – kam Guadalupe Olmedo zur Welt, genauer: am 19. Dezember 1853 in Toluca. Olmedo ist eine jener Komponistinnen, die offenbar derzeit wiederentdeckt werden. Die präzisesten Angaben zu ihrem Leben verbergen sich bezeichnenderweise in den »Shownotes« der Webseite mit der unten beschriebenen Musik.
Olmedo wird dort vor allem als für die Musikgeschichte ihres Heimatlandes äußerst bedeutend gerühmt. Der Autor Francisco Sosa schrieb beispielsweise 1884 über Olmedo: »Man spürt in der Musik von Frau Olmedo einer ruhigen, sanften Melancholie nach.« Offenbar entstammt Olmedo, der früh Bewunderung und Beachtung zuteilwurde, einer wohlhabenden kreolischen Familie. 1875 verlieh ihr das »Conservatorio de Música y Declamación de la Sociedad Filarmónica Mexicana«, an dem die Künstlerin studiert und möglicherweise auch gelehrt hatte, die Silbermedaille – und adelte Olmedo mit den Worten: »An Frau Guadalupe. Die erste klassische mexikanische Komponistin.« Olmedo war wohl auch die erste Komponistin, die am mexikanischen Conservatorio Nacional de Música ihren Abschluss machte.
Es waren aber nicht die kompositorischen Studien an der besagten Bildungseinrichtung, die Olmedo prägten, vielmehr verdankte sie ihre Fähigkeiten ihren Privatlehrern (und Landsmännern) Agustín Caballero (1815–1886), Cenobio Paniagua (1821–1882) und dem ersten bedeutenden Opern-Komponisten Mexikos Melesio Morales (1838–1908). Letztgenannten heiratete Olmedo. Sie starb am 11. Mai 1889 im Alter von nur 35 Jahren. Über mögliche Gründe für ihren frühen Tod wissen wir zu diesem Zeitpunkt nichts.
Guadalupe Olmedo (1853–1889)
Streichquartett D-Dur op. 14 (1875)
Olmedo komponierte – selbst Pianistin – offenbar vor allem Klavier-Solo-Musik. Das Streichquartett D-Dur op. 14 aus dem Jahr 1875 legte die damals 22-jährige Komponistin als eines ihrer Abschlussprüfungswerke am Konservatorium vor (und immerhin entdeckt man das Notenmaterial ihres Opus 14 frei verfügbar im Netz).
Alejandro Barrañón bezeichnet Guadalupe Olmedo als eine Komponistin, die »ihre eigenen Wege einschlug, um einen einzigartigen mexikanischen Klang zu schaffen.« Schimmert diese vermeintliche »nationale Identität« – nach der man sich offenbar zeitgleich, also in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, nicht nur in Europa sehnte – in ihrem D-Dur-Quartett hörbar durch?
Allein beginnt die erste Geige, um sich einer zunächst ganz reinen A-Dur-Klang- und Melodieranken-Welt hinzugeben. Schnell spielen alle vier Beteiligten des Streichquartetts wohlig zusammen. Die harmoniewollende Schönheit der Musik Dvořáks schwingt mit – und auch ein bisschen Smetana. Bald erzählt das Cello in fast pausenloser, landschaftlicher C-Dur-Diktion von seiner ganz persönlichen Sicht auf die Dinge. Dazwischen hängen immer wieder nachdenkliche Staccato-Tropfen in der Luft, die so etwas wie den »Lauf der Zeit« symbolisieren könnten. Extrem losgelassene Musik.
Das Scherzo erweist sich als verspielter. Doch auch hier tropft eine ganz besondere Melancholie zum Fenster hinein. Ein Fenster, das sich zu öffnen sehr lohnt! ¶