Der Komponist Johannes Kreidler behauptete in einem 2020 veröffentlichten Aufsatz nicht ganz zu Unrecht, »dass die ungleich höhere Rationalität des Kompositionsmetiers einen exzessiven Lebenswandel bis hin zum Selbstmord nachgerade verunmöglicht«. Will heißen: Die »ordnende«, Partituren verfertigende Tätigkeit des Komponierens, die Strukturieren, Planen, Zusammensetzen mit sich bringt, führe auch dazu, dass innerhalb der Künste die Zahl der komponierenden Protagonistinnen und Protagonisten, die sich »das Leben nehmen« (Thomas Macho plädierte in seinem 2017 erschienenen klugen Buch mit entsprechendem Titel für diese Formulierung), wohl bedeutend geringer ist als beispielsweise bei Vertreterinnen und Vertretern aus dem Bereich der Malerei oder der Literatur. Natürlich sind tragische Ausnahmen zu konstatieren: Bernd Alois Zimmermann (1918–1970) beispielsweise beendete sein Leben selbst. Und auch die im September 1831 im englischen Southampton geborene – später schwer an Depressionen erkrankte – Fanny Arthur nahm sich mit 48 Jahren, am 31. Oktober 1879, das Leben.

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Arthur begann ihre Laufbahn – wie so viele Komponistinnen des 19. Jahrhunderts – als Pianistin. Sie studierte Klavier in London, bei zwei absoluten Größen ihres Faches, die auch emsig komponierten: bei dem mit Felix Mendelssohn Bartholdy gut bekannten William Sterndale Bennett (1816–1875) sowie bei dem großen Virtuosen Sigismond Thalberg (1812–1871). Am Rande eines Konzerts, das Fanny Arthur in Dublin gab, lernte sie den Dirigenten, Komponisten und Chordirektor der St. Patrick’s Cathedral in Dublin – Joseph Robinson (1815–1898) – kennen. Beide heirateten im Februar 1849. Bald trat Fanny Arthur Robinson als Pianistin erfolgreich in London und Paris auf. Und ab 1856 unterrichtete sie selbst an der Royal Irish Academy of Music in Dublin – offenbar bis zu ihrem frühen Tod.


Fanny Arthur Robinson (1831–1879)
Constancy (1864)

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Fanny Arthur Robinson legte 1869 die Kantate für gemischten Chor God is Love vor. Ansonsten entstand vor allem Musik für ihr ureigenes – meist 88 Tasten zählendes – Instrument. Robinsons Kompositionen wurden auch schon zu Lebzeiten gedruckt. Ihre »Melody« für Klavier mit dem schönen Titel Constancy kam 1864 heraus. Die Künstlerin war zu diesem Zeitpunkt 33 Jahre alt.

Eine nostalgische Anmutung stellt sich schon beim ersten Hören des Stückes ein. Chopins Musik schwingt genüsslich, sehnsüchtig mit. Anhand der emotionalisierenden Vorhalte, der feinen Moll-Ausweichungen spüren wir eine intensive und doch introvertierte Kraft des Erzählens. Das Stück wirkt wie ein Gebet, kreisend in sich gekehrt. Wäre Fanny Arthur Robinsons Leben doch mit mehr Konstanz gesegnet gewesen … ¶

... ist Konzertveranstalter, Moderator, Komponist und Pianist. Er gestaltet innovative Konzertformate, arbeitet als Musik-Satiriker, schreibt Stücke für Solist:innen und Ensembles und Texte für VAN, die Wiener Philharmoniker, die New York Philharmonics und die Bamberger Symphoniker. 2019 war er als Schauspieler an der Volksbühne zu erleben.