Über die englische Musikerin Elizabeth Turner wissen wir fast gar nichts. Noch nicht einmal die Angaben zu ihrem Geburtsjahr sind überliefert. Wahrscheinlich kam Elizabeth Turner um das Jahr 1700 zur Welt. Zwischen 1744 und 1756 erlangte sie in bestimmten (aber wohl prominenten) Musikkreisen Bekanntheit, wie man liest. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden mehrere weltliche und geistliche Werke (darunter auch Liedarrangements) von ihr in populären englischen Magazinen veröffentlicht. Unter den Abonnenten dieser Publikationen befanden sich offensichtlich die Barock-Größen Georg Friedrich Händel und William Boyce; möglicherweise haben diese beiden Komponisten ihre Musik auch stellenweise aufführen lassen – ganz sicher aber zumindest wahrgenommen!
Neueren Informationen zufolge rühmte man Turner als eine hervorragende Sopranistin, die zusätzlich als die erste englische Komponistin, welche eine substanzielle Anzahl von musikalischen Werken auf den Notenmarkt bringen konnte, in die Geschichte einging. Unter den Beziehern ihrer Werksammlungen befanden sich neben Händel und Boyce wohl noch weit mehr als 400 weitere Musikerinnen und Musiker. Sehr wahrscheinlich hatte Turner als Interpretin im großen Stil auf sich aufmerksam gemacht. Der bedeutende Musikhistoriker Charles Burney (1726–1814) hob Turner als in London äußerst begehrte Sopranistin hervor, die in (oratorischen) Werken von Händel, Arne, Boyce und anderen brilliert habe.
Die London Evening Post schrieb anlässlich des Todes von Elizabeth Turner im Jahr 1756: »Yesterday died at Islington Miss Elizabeth Turner, whose extraordinary Genius and Abilities in Musick, make her justly lamented by all Lovers of Harmony.« Demnach wäre die im besagten – im Osten London gelegenen – Islington gestorbene Elizabeth Turner keine 60 Jahre alt geworden.
Elizabeth Turner (ca. 1700–1756)
Six Lessons for the Harpsichord, Nr. 6, Giga (1756)
Ab und zu spielen die Organistinnen, Organisten, Cembalistinnen und Cembalisten dieser Welt noch eines der Stücke von Elizabeth Turner (aus ihrer Sammlung Six Lessons for the Harpsichord), auch sind die Noten dieser Cembalo-Suiten niedrigschwellig zugänglich. Das Abschlussstück aus der letzten Suite – eine Gigue in F-Dur – schnurrt lustig (und doch nicht ohne Eintrübungen) ab. Die Herkunft aus Volksmusikgefilden schwingt mit. Besonders witzig sind die abspringenden Oktaven bei gewissen Phrasenabschlüssen. Das ist quietschvergnügte, gute Spielmusik.
Erst im zweiten Teil (der erste Part moduliert zeitgemäß-traditionell in die vorübergehend abschließende Dominante) entsteht der schwermütige Eindruck von »Kunstmusik«, begibt sich Turner doch auf ganzverminderte Akkordbrechungswege – und streift hier, sozusagen beim Tanz über eine grüne Wiese Südenglands – die melancholischen Moll-Eintrübungsmöglichkeitsgedanken des Lebens, im Rahmen einer kurzen Komposition für ein Tasteninstrument. Ein feines Stück. ¶