Die am 13. März 1813 in Magdeburg geborene Schauroth war Teil einer adeligen Familie, die aber nicht im Geld schwamm. Ihr Vater war Offizier in preußischen, später in französischen Diensten, wie wir auf der Seite des Sophie-Drinker-Instituts erfahren. In frühen Jahren unterrichtete der komponierende Haydn- und Beethoven-Schüler Friedrich Kalkbrenner (1785–1849) Delphine von Schauroth am Klavier. Bald kam es zu öffentlichen Auftritten und 1823 sogar zu einer Europatournee als Pianistin; später spielte sie auch in Paris und London.

Aufgrund von Krankheitsfällen innerhalb der Familie von Schauroth kam es nicht, wie eigentlich anberaumt, zu einem Treffen mit Johann Wolfgang von Goethe in Weimar – und auch nicht zu den geplanten Klavierstunden (die wahrscheinlich eingehende Unterweisungen in Komposition miteingeschlossen hätten) bei Johann Nepomuk Hummel (1778–1837). Die 1820er Jahre hielten weitere prominente, internationale Auftritte als Pianistin für Delphine von Schauroth bereit; mehrere Male traf sie auch Felix Mendelssohn Bartholdy, unter anderem in München. Auf der besagten Sophie-Drinker-Institutsseite wird der Ausschnitt eines Briefes von Robert Schumann zitiert. Schumann erinnerte sich in diesem Biref an das Lob Mendelssohns – die Klavierkünste von Schauroth, genauer: deren Interpretation seines (ihr gewidmeten) g-Moll-Klavierkonzerts betreffend: »Das Concert in G-Moll für Clavier schrieb er, wie er sagte, in wenig Tagen (er sagte in drei, glaub ich) in München. Delphine von Schauroth, der ausgezeichneten, sehr schönen Clavierspielerin, gedachte er dabei als einer, die ihm gefährlich werden konnte. Er schilderte ihr Persönliches höchst anmuthig.«

ANZEIGE

Mendelssohn verliebte sich in Delphine von Schauroth. Jedoch musste der Komponist nach Italien abreisen und konnte so die beginnende Beziehung nicht weiterverfolgen. Neben dem g-Moll-Klavierkonzert (1831) widmete er ihr auch sein berühmtes Gondellied g-Moll op. 19 No. 6 (1829/30). 1833 heiratete von Schauroth den Geistlichen Edwin Hill-Handley, ging mit ihm nach London – kehrte jedoch schon 1837 nach der Trennung von ihrem Ehemann zu ihrer Mutter zurück. 1848 ehelichte sie Stephan Freiherr Henninger von Berg, doch auch hier folgte bald die Scheidung. 1856 heiratete sie ein drittes Mal (einen Herrn Edward Knight); auch diese Beziehung hielt nicht.

Von Schauroth lebte nach ihren Scheidungen auf einem Familiengut in Schlesien, zog aber noch einmal nach Paris, um 1869 wieder in Weimar, daraufhin in München sesshaft zu werden. Nach den Jahren der unglücklich verlaufenden Ehen wandte sich die Künstlerin wieder ihrer Konzerttätigkeit zu. Seit den früheren 1860er Jahren hatte von Schauroth auch immer wieder eigene Klavierwerke in die Programme ihrer Soireen einfließen lassen. In ihren späten Jahren komponierte Schauroth aber wohl nicht mehr. Warum, ist nicht bekannt.

Delphine von Schauroth starb 1887 (also in ihrem 74. Lebensjahr) in München.


Delphine von Schauroth (1813–1887)
Sechs Lieder ohne Worte op. 18 (1830)

YouTube video

Die hier bereits porträtierte Liedkomponistin Josephine Lang (1815–1880) widmete Schauroth ihre (wahrscheinlich vor 1838 notierten) Lieder op. 4. Von Schauroth knüpfte aber gewissermaßen an die Lieder ohne Worte ihres Verehrers Mendelsohn Bartholdy an – und schrieb selbst keine Lieder mit Worten. Ihre Sechs Lieder ohne Worte op. 18 stammen aus dem Jahr 1830, wurden aber erst vierzig Jahre später (1870) im Druck herausgegeben.

Wunderbar fein nostalgisch und originell »fällt« im ersten Stück sogleich eine engschrittige Linie – in der Liebestonart E-Dur – in der linken Klavierhand nach unten. So sind jeweils kleine Farbwechsel zu vernehmen. Blickt von Schauroth auf die hier durch dessen Reisestress unmöglich gemachte Liaison mit Felix Mendelssohn Bartholdy zurück?

Nach dem schönen zweitaktigen Eingang holt die Komponistin und Pianistin von Schauroth etwas weiter aus – und beendet das Vorspiel dieses Lieds ohne Worte, nach einem subtilen, auskomponierten Zögern, mit einer E-Dur-Schleife. Erst dann kommt es zum Eintritt der (rein instrumentalen) »Gesangsstimme«. Hier wird es sogleich »expliziter«. Da sind holde Liebe, inbrünstige Hingezogenheit und süßer Schmerz spürbar. Kleine chromatische Engpässe vermitteln ein leises, aber nachdrückliches Drängen. Auch kann von Schauroth herrlich auf engem Raum Stimmungswechsel und Stauungen komponieren. Ach hätte sie doch noch viel mehr komponiert! ¶

... ist Konzertveranstalter, Moderator, Komponist und Pianist. Er gestaltet innovative Konzertformate, arbeitet als Musik-Satiriker, schreibt Stücke für Solist:innen und Ensembles und Texte für VAN, die Wiener Philharmoniker, die New York Philharmonics und die Bamberger Symphoniker. 2019 war er als Schauspieler an der Volksbühne zu erleben.