Von 1801 bis 1917 war Georgien Teil des Russischen Reichs. 1905 kam es in Georgien zu einem Bauernaufstand – resultierend aus einer zunehmenden Unzufriedenheit des Volkes, das sich kulturell und politisch von Russland zu lösen gedachte. Zwei Jahre nach diesem Aufstand wurde Meri Dawtaschwili in dem georgischen Ort Melaani geboren. Ihre Lebensdaten (1907–1975) sind fast deckungsgleich mit denen von Dmitri Schostakowitsch (1906–1975). Doch Meri Dawtaschwili kennt kein Mensch. Kein Wikipedia-Artikel, nichts. Man muss sich mit knappsten Daten auf IMDb begnügen. (Im Grunde ist auch überhaupt nicht ganz klar, ob Dawtaschwili nun von 1907 bis 1975 oder gar von 1924 bis 2014 gelebt hat.) Hier, in der »Internet Movie Database« taucht Davitashvili auch lediglich deswegen auf, weil sie die Musik für in ihrem Heimatland bis heute offenbar nicht ganz unbedeutende Filme beisteuerte: Für Keto da Kote (1948), Bashi-Achuki (1956) sowie für Nino (1959).


Meri Dawtaschwili (1907–1975)
Fantasie-Konzert (1956)

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Dawtaschwili, offenbar einst Trägerin hoher Volksauszeichnungen, komponierte anscheinend zwei Kinderopern (Kadjana, 1965 und Natsarkekia, 1972) sowie Lieder, Schauspielmusik, Musik für Kinderfilme und symphonische Stücke für Orchester.

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1956 veröffentlichte Dawtaschwili ihr Fantasie-Konzert für Klavier und Orchester. Das Ganze beginnt zünftig im Orchester, zackig, quasi verwegen »im Volkston«. Das Klavier bringt die Fortsetzung – mit äußerst attraktiv-eckigen Akkordeinhämmerungen. Gemeinsam stemmen sich Soloinstrument und Orchester hinein. Etwa nach 70 Sekunden flicht das Klavier erstmals ein paar »Lockerungen« ins heftige Dickicht. Dann kommt es zu einer akkordisch-hymnischen Total-Verharrung. Was für ungehörte, hörenswerte, ungewöhnliche Musik! ¶

Arno Lücker

... ist Konzertveranstalter, Moderator, Komponist und Pianist. Er gestaltet innovative Konzertformate, arbeitet als Musik-Satiriker, schreibt Stücke für Solist:innen und Ensembles und Texte für VAN, die Wiener Philharmoniker, die New York Philharmonics und die Bamberger Symphoniker. 2019 war er als Schauspieler an der Volksbühne zu erleben.