Bagdad wurde im Jahr 762 gegründet. Eine Stadt mit uralter Geschichte also. 1920, nach ganzen Epochen diverser Umschwünge, gliederte Großbritannien Bagdad aus dem Osmanischen Reich aus – und schuf mit der Vereinigung von Bagdad, Mosul und Basra im Grunde den heutigen Irak. 1921 wurde Bagdad unter britischer Kontrolle Hauptstadt des Königreichs Irak. Sechs Jahre später – am 15. März 1927 – wurde Beatrice Ohanessian (korrekte Aussprache hier bei Sekunde 16) in Bagdad geboren.

Ohanessian wuchs in der armenischen Community Bagdads auf und zeigte früh ihre musikalischen Talente. Schon mit 12 Jahren gab sie öffentliche Klavierrecitals im nationalen Rundfunk des Landes. Später wurde sie Stipendiatin der irakischen Regierung und konnte so an der Royal Academy of Music in London und an der Juilliard School in New York studieren. Dann kehrte sie in den Irak zurück und war dort 30 Jahre lang als Pianistin Mitglied des nationalen Symphonieorchesters.

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1981 erhielt Ohanessian einen Steinway-Flügel von der Regierung, tatsächlich übergeben von Saddam Hussein. In diesen Jahren hatte sie auch ihre kompositorischen Fähigkeiten entdeckt – und fort und fort weiterentwickelt. Nach dem Tod ihrer Eltern zog die Künstlerin nach Minnesota und unterrichtete dort an der St. Thomas University in St. Paul. Ein biographisches Interviewbuch, das über mehrere Jahre hinweg entstand, konnte leider nicht mehr fertiggestellt werden.

Beatrice Ohanessian starb am 17. Juli 2008 in Bloomington, Minnesota im Alter von 81 Jahren.


Beatrice Ohanessian (1927–2008)
Dawn (1982)

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Eine gute Übersicht über das kompositorische Schaffen der sympathischen Pianistin und Komponistin Ohanessian gibt es (noch) nicht. Vor allem brachte sie wohl Werke für ihre eigenes Instrument – das Klavier – zu Papier, so auch das Stück mit dem Titel Dawn: 1982 – in den Anfangsjahren des Ersten Golfkriegs (1980–1988).

Die Dämmerung Ohanessians tönt wie eine stolze, erzählende Rhapsodie, wie eine orientalische Improvisation. Viele Tremoli, einige scharfe Dissonanzen, bassige Bordun-Quinten und »exotische« Hiatusschritte bestärken das Gefühl, hier tatsächlich eine Komposition aus dem südöstlichen Kulturkreis zu vernehmen. Nach zwei Minuten und 40 Sekunden plötzlich ein Stimmungswechsel: mitteleuropäisches Heroentum, fast so etwas wie ritterliches »Gepolter«. In jedem Fall eine interessante Geschichte! ¶

... ist Konzertveranstalter, Moderator, Komponist und Pianist. Er gestaltet innovative Konzertformate, arbeitet als Musik-Satiriker, schreibt Stücke für Solist:innen und Ensembles und Texte für VAN, die Wiener Philharmoniker, die New York Philharmonics und die Bamberger Symphoniker. 2019 war er als Schauspieler an der Volksbühne zu erleben.