Florence Price ist eine der wenigen bekannteren Schwarzen Komponistinnen innerhalb der »Ernsten Musik«. Geboren wurde sie am 9. April 1887 in Little Rock, Arkansas, wenige Wochen nach der Uraufführung von Giuseppe Verdis vorletzter Oper Otello (5. Februar 1887). Schon als Vierjährige trat sie öffentlich als Pianistin in Erscheinung. Price erhielt Klavierunterricht von Charlotte Andrews Stephens (1854–1951), ursprünglich Kind versklavter Eltern, die während des Sezessionskrieges 1863 ihre Freilassung erreicht hatten. Der Vater von Charlotte »Lottie« Stephens hatte die Freiheit genutzt, um eine methodistische Privatschule zu gründen.

Florence Price kam früh zum Komponieren. Bereits im Alter von 11 Jahren erschienen ihre erste eigenen Stücke im Druck. Ab 1903 studierte sie Orgel und Musiktheorie am bekannten New England Conservatory of Music in Boston. Hier hatte sehr wahrscheinlich Jahre zuvor noch der Geiger Joseph Douglass (1871–1935) seinen Abschluss gemacht, der in einer Zeit der frühen Emanzipation Schwarzer Musiker:innen eine der ersten großen Geiger-Karrieren eines Afroamerikaners entwickeln konnte. (Zum Vergleich: Der 1895 geborene und 1978 gestorbene William Grant Still durfte mit dem Los Angeles Philharmonic erst 1936 als erster schwarzer Dirigent eines der großen US-amerikanischen Orchester leiten. Auch er ging aus der Kaderschmiede des Konservatoriums von New England hervor.)

In Boston wurde Florence Price vom komponierenden Organisten Henry Morton (1853–1929) an der Orgel unterrichtet. Musiktheorie-Unterricht kam von den ehemaligen Rheinberger-Schülern Frederick Shepherd Converse (1871–1940) und George Chadwick (1854–1931). (Man höre Chadwicks dritte Symphonie, die wie das Ergebnis einer Kreuzung eines verlorenen, frühen, überschwänglichen Richard Strauss mit einem noblen Johannes Brahms klingt.)

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Nach ihrem Studium lehrte Price von 1906 bis 1910 am Shorter College in Georgia sowie anschließend an der Clark Atlanta University. Die methodistische Clark University wurde drei Monate nach Ende des Sezessionskrieges im Jahr 1865 ins Leben gerufen – als eine der ersten Hochschulen für Afroamerikaner:innen. Im Alter von 25 Jahren heiratete Florence 1912 den Anwalt Thomas J. Price, zog mit ihm zurück in ihre Geburtsstadt nach Arkansas, gab dort privaten Unterricht und komponierte. 1931 erfolgte die Scheidung. Aus der Ehe waren drei Kinder hervorgegangen. Im selben Jahr heiratete Price den Versicherungsagenten Pusey Dell Arnett, der als junger Mann für das Baseballteam der Chicago Unions gespielt hatte. Das Team der Chicago Unions bestand ausschließlich aus Schwarzen Spielern, die gezwungen waren, den US-amerikanischen Nationalsport separiert vom weißen Establishment auszuüben. Demgemäß hatte man in den 1880er Jahren eine spezielle Baseball-Liga für die Schwarze »Minderheit« gegründet (die »Negro league baseball«), die in ähnlicher Form erst 1962 aufgelöst wurde, um Schwarze und weiße Menschen gemeinsam in der Major League Baseball spielen zu lassen. (Die Baseball-Legende Jackie Robinson gilt als der erste große Schwarze Spieler, der schon 1947 für ein MLB-Team auflaufen durfte.)

1934 ließen sich Price und Arnett scheiden. Am 3. Juni 1953 verstarb Florence Price an den Folgen eines Schlaganfalls im Alter von 66 Jahren.

Florence Price (1887–1953)
Konzert für Klavier und Orchester d-Moll (1934)

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Florence Price komponierte vier vollendete Symphonien, vier Werke für Solo-Instrument und Orchester, Einzelwerke für Orchester, Spirituals, Chormusik, Klavier- und Orgelwerke sowie Stücke für Kammermusikbesetzungen. 1934 entstand ihr Klavierkonzert in d-Moll.

Wie bei einer Predigt stellt die Trompete ganz alleine ein Motto in den Raum hinein. Wie die Gemeinde antwortet die Flöte entsprechend. Noch einmal ergreift die Trompete das Wort. Flöte und Holzbläser reagieren abermals. Eine Atmosphäre der Besinnung.

Mit einem tiefen Ton macht das Klavier auf sich aufmerksam, zunächst einmal durch Markierungen und Läufe nach oben seinen virtuosen Status behauptend. Nach etwas mehr als einer Minute werden Themenmöglichkeiten eruiert. Ausgehend von einem pochenden Bass schraubt sich das Klavier selbst in gewisse Emotionshöhen hinein. Nun endlich darf das Orchester wieder entgegnen – und die Solo-Flöte führt aus; erneut das kommunikative Wechselspiel mit anderen Holzbläsern.

Das Motiv des Beginns rotiert jetzt im Orchester. Die motivischen Verlaufsrunden werden von leicht erregten Entwicklungen im Tutti unterbrochen. Trotz des ruhigen, fast religiösen Mottos anfangs scheint die Musik hier eine Art »Suche« auszudrücken. Nach mehr als vier Minuten tönt es nun voll aus Orchester und Klavier zugleich heraus. Finally.

Kaum ein Motiv oder ein Gedanke scheint greifbar oder gar affirmativ »umarmbar«. Die Klavierkompositionsästhetik von Florence Price entspricht etwa der eines intellektuellen Rachmaninows. In ihren Punktierungspassagen erinnert man sich vielleicht an Brahms – doch da schallt einem auch schon ein »deutlich amerikanisches« Licht entgegen; abzulauschen an plötzlich choralartigen Blechbläser-Einschüben. Äußerst merkwürdige Musik, klug, abwechslungsreich, fast ungreifbar – und doch nicht gewollt verstörend. ¶

... ist Konzertveranstalter, Moderator, Komponist und Pianist. Er gestaltet innovative Konzertformate, arbeitet als Musik-Satiriker, schreibt Stücke für Solist:innen und Ensembles und Texte für VAN, die Wiener Philharmoniker, die New York Philharmonics und die Bamberger Symphoniker. 2019 war er als Schauspieler an der Volksbühne zu erleben.

Eine Antwort auf “74/250: Florence Price”

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