Vier Tage nach Zarah Leander, genauer: am 19. März 1907 erblickte Elizabeth Maconchy im nordöstlich von London gelegenen Ort Broxbourne das Licht der Welt. Den Großteil ihrer Kindheit verbrachte Elizabeth Maconchy mit ihren Eltern jedoch in Dublin, woher die Familie ursprünglich stammte. Angeblich komponierte sie bereits mit sechs Jahren erste eigene Stücke und wurde entsprechend unterrichtet.

1922 starb Maconchys Vater. Die junge Künstlerin zog daraufhin mit ihrer Mutter nach London. Dort konnte Elizabeth Maconchy ab ihrem 16. Lebensjahr bei Ralph Vaughan Williams (1872–1958) und Charles Wood (1866–1926) am Royal College of Music Komposition studieren. Vaughan Williams – bei dem auch die Australierin Peggy Glanville-Hicks einst studierte – hatte einen äußerst positiven Einfluss auf die Laufbahn Maconchys und motivierte sie emphatisch, den Weg einer Komponistinnenkarriere einzuschlagen. Mit Hilfe eines Stipendiums war es ihr darüber hinaus möglich, Reisen nach Paris, Wien und Prag zu unternehmen. In Prag blieb sie einige Monate und studierte beim Dirigenten und Komponisten Karel Boleslav Jirák (1891–1972), der tiefgründig-grollige, aber keineswegs naiv-epigonale Musik komponierte, wie sein kantig-düsteres Klavierkonzert op. 55 beweist.

Jirák dirigierte im Frühling 1930 die Uraufführung von Maconchys Concertino für Klavier und Orchester – mit dem Komponisten und Pianisten Erwin Schulhoff (1894–1942) am Solo-Klavier; eine selten prominente Besetzung für die Uraufführung des Werkes einer Komponistin zu dieser Zeit. Im Sommer des gleichen Jahres heiratete Maconchy den Bibliothekar William LeFanu. Zwei Töchter gingen aus der Ehe hervor. Unmittelbar danach, wie ebenfalls eindrücklich im MUGI-Lexikon nachzulesen ist, erlebte Maconchy die glückliche Uraufführung ihrer Orchestersuite The Land bei den bedeutenden »Promenade Concerts« in London. Der Erfolg dieser Aufführung bei Presse und Publikum bildete jedoch aus unerfindlichen Gründen nicht den Ausgangspunkt weiterer Kompositionsaufträge für Orchester oder andere großflächigere Besetzungen. Dieser Umstand lässt wohl nur mit der »Zurückhaltung« beziehungsweise – deutlicher gesagt – neidvollen Skepsis einer komponierenden Frau gegenüber erklären.

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Erfolglos war Maconchy zu Lebzeiten allerdings keineswegs. Zahlreiche Kammermusikwerke wurden auch außerhalb Englands aufgeführt und nur eine Tuberkulose-Infektion im Jahr 1932 überschattete Maconchys künstlerischen Weg. Aufgrund dieser Erkrankung lebte die Komponistin zunächst nicht mehr in London, sondern siedelte nach Brighton über und später in die Grafschaft Kent. In den ersten Monaten des Zweiten Weltkrieges wohnte Maconchy anlässlich der Geburt ihres ersten Kindes in Dublin, doch schon 1940 kehrte man nach Kent zurück. Die Kriegsumstände sorgten freilich für sinkende Aufführungszahlen und die Evakuierung in den Nordwesten Englands im Jahr 1941 bedeutete Entwurzelung und Entfremdung.

Nach dem Krieg konnte Maconchy künstlerisch wieder Fuß fassen, erhielt Aufträge und wurde von Queen Elizabeth II. für ihr künstlerisches Schaffen ausgezeichnet. Kindererziehung und die Erschwernisse der Nachkriegszeit jedoch verkomplizierten das konzentrierte Arbeiten an neuen Werken. Dennoch war Maconchy außerordentlich fleißig – und musste erst Anfang der 1990er Jahre aufgrund einer Erkrankung ihre Kompositionstätigkeit einstellen.

Elizabeth Maconchy starb am 11. November 1994 im Alter von 87 Jahren in Norwich. 


Elizabeth Maconchy (1907–1994)
Streichquartett No. 8 (1967)

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Fast kein anderer Werkkatalog einer Komponistin des 20. Jahrhunderts ist so reichhaltig und facettenreich wie der von Elizabeth Maconchy. Einige Erwachsenenopern, Kinderopern und Ballette stehen neben Vokalwerken mit und ohne Orchester, einige Solowerke sowie zahlreiche Lieder finden sich neben einer höchst erfreulichen Fülle von Orchesterwerken, teils mit teils ohne Solo-Instrument. Und Maconchys Katalog für Kammermusik-Besetzungen listet unter anderem 13 vollendete Streichquartette auf: ganze fünf Jahrzehnte künstlerisches Schaffen für diese musikgeschichtsbesetzte Gattung, von 1933 bis 1983.

Pulsierend beginnt der zweite Satz (Scherzo. Allegro molto). Pizzicati verheißen nichts Gutes. Ähnliche, wieder kurz hartnäckig rhythmisiert Cluster erinnern an manch unerfreuliche Zustände aus Satz I. Fast versucht die Musik sich nun an dem Zustand »Wärme«. Doch da zupft es auch schon wieder aus dem »Choral-Gesang« heraus. Es gibt kein konsonantes Leben im Dissonanten.

Angesichts des Lento-Satzer (Tempo libero senza misura) »erwartet« man vielleicht die Möglichkeit zur »Einkehr«. Ein langer Ton geleitet in die kahle Landschaft hinein. Doch auch hier ertönen Störstimmen – und es kommt zu leisen, doch immer stets unzufriedenen Einwürfen. Dabei skizziert Maconchy durchaus Geschichten! Nicht etwa lässt sich dieser Musik unterstellen, sie würde sich auf ständige Brüche und den Anschein des (damals wie teils heute noch allzu gewerblich eingesetzt) »Fragmentarischen« verlassen.

Das abschließende Allegro beginnt mit harten Attacken interessanter Akkordzustände. Versuche rhythmischen Fortkommens beißen sich im Gras der Unzufriedenheit fest. Gute Musik, die sich – erstaunlich und avantgardeunüblich – in ihren Verläufen nie zu viel an Zeit nimmt und dennoch auf attraktive Weise intensive Hör-Momente bietet; trotz oder gar wegen des deutlichen Bekenntnisses der Komponistin zur Moderne. ¶

... ist Konzertveranstalter, Moderator, Komponist und Pianist. Er gestaltet innovative Konzertformate, arbeitet als Musik-Satiriker, schreibt Stücke für Solist:innen und Ensembles und Texte für VAN, die Wiener Philharmoniker, die New York Philharmonics und die Bamberger Symphoniker. 2019 war er als Schauspieler an der Volksbühne zu erleben.