Sie ist eine der bekanntesten Komponistinnen des späten 19. Jahrhunderts überhaupt: Cécile Chaminade. Geboren wurde sie am 8. August 1857 in Paris. Ihre Mutter war Sängerin und Pianistin und unterrichtete das Mädchen – drittes von vier Kindern – am Klavier. Kompositionen entstanden ab Chaminades achtem Lebensjahr. In Pariser Salonkreisen nannte man sie »Wunderkind«.

Chaminades Vater spielte als Amateur profund Violine, hätte aber seiner hochbegabten Tochter die Aufnahme des Studiums am Pariser Konservatorium verweigert – doch am Conservatoire wurden zu dieser Zeit ohnehin keine Frauen zum Studium zugelassen. So entschied sich Vater Hippolyte, Cécile privaten Unterricht zu finanzieren – und zwar bei den Lehrern, die offiziell eigentlich am Pariser Konservatorium angestellt waren. Entsprechend studierte Chaminade Klavier bei Félix Couppey (1811–1887), Kontrapunkt und Harmonielehre bei Augustin Savard (1861–1942), Antoine François Marmontel (1816–1898) und wohl auch Komposition bei Benjamin Godard (1849–1895).

Ungefähr ab ihrem 20. Lebensjahr setzte Chaminade bei ihren Klavierrecitals zunehmend auch eigene Kompositionen aufs Programm. Ihre vielen neuen Klavierstücke erfreuten sich großer Beliebtheit und erschienen vielfach im Druck. Bald kamen Orchesterwerke hinzu, die sowohl positive als auch negative Kritiken nach sich zogen. 1882 kam es zu der Kammer-Premiere von Chaminades einzigem Musiktheaterwerk, der Opéra comique La Sévillane, die zu Chaminades Lebzeiten kein einziges Mal komplett gegeben wurde.

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In den Folgejahren trat Chaminade als Pianistin in zahlreichen Konzerten im In- und Ausland auf. Nach erfolgreichen Gastspielen in London empfing ihre Bewunderin Queen Victoria die Künstlerin höchstpersönlich auf Schloss Windsor. 1901 heiratete Cécile Chaminade den 20 Jahre älteren Musikverleger Louis Mathieu Carbonel, behielt – damals äußerst ungewöhnlich – ihren inzwischen geläufigen Nachnamen und regelte vertraglich ihre finanzielle Autonomie gegenüber ihrem Ehemann.

Chaminade, die um 1910 ihr Klavierspiel mittels des Vorläufers der Welte-Mignon-Klavierrollen verewigen ließ, betrauerte 1912 den Tod ihrer geliebten Mutter, die sie auf Tourneen häufig unterstützt hatte. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs schließlich arbeitete Chaminade als Leiterin eines Soldaten-Genesungsheimes an der Côte d’Azur. Die damit verbundenen Anstrengungen sowie eine offensichtliche Mangelernährung führten dazu, dass Chaminades Gesundheitszustand in den 1920er Jahren immer mehr Anlass zur Besorgnis gab. Stark bewegungseingeschränkt zog Chaminade 1936 nach Monte Carlo. 1938 musste – wohl aufgrund einer diabetischen Erkrankung – ihr linker Fuß amputiert werden. Chaminades Ehemann war schon vor vielen Jahren gestorben.

Cécile Chaminade starb im Alter von 86 Jahren am 13. April 1944 in Monte Carlo.

Cécile Chaminade (1857–1944)
Trio für Klavier, Violine und Violoncello g-Moll op. 11 (1881)

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Vielen Querflötistinnen und Querflötisten dieser Welt ist bis heute Chaminades Concertino für Flöte und Orchester op. 107 bekannt. Diese singuläre Popularität steht in argem Widerspruch zu dem großen Werkkatalog der Komponistin. Hier finden sich – neben der besagten (einzigen) Oper – einige Orchesterwerke, Kammermusikstücke, aber vor allem zahlreiche Lieder und noch mehr (einst für sich selbst »in die Hand« komponierte) Klavier-Solo-Stücke.

Das Klaviertrio g-Moll op. 11 schuf die damals 24-jährige Cécile Chaminade 1881. Der erste Satz (Allegro) hebt mit einer balladenhaften Bewegung von Klavier und Cello an. Die Violine stimmt – g-Moll-Ausschnitt-Girlanden beschreibend – im dritten Takt mit ein. Nach dem Nachvollzug der Bewegung aller drei Instrumente differenzieren sich die Stimmen aus. »Typisch französisch« geht es hier offenbar weniger um markante Themenbildungen, sondern um galante Ereignisse auf Grundlage sanft-elegischen Fortschreitens.

Eine auskomponierte trillerartige Begleitung bestimmt den nächsten Part dieses Sonatensatzes. Diese leitet nach etwa zwei Minuten über in eine nun doch deutlich melodisch-beseelte Passage. Kurz getupfte, aber über die Klaviatur gestreute Akkorde begleiten eine erzählerische Melodie der Violine, die – pointiert und schön instrumentiert – wiederum vom gezupften Cello kontrapunktiert wird. Ein herrlicher Farbwechsel, der die Aufmerksamkeit der Zuhörenden erfolgreich auf sich zieht.

Die Eingängigkeit der nun stets wiederkehrenden Melodie trägt die Musik scheinbar hinfort – doch dramatische Abschnitte zerstören das Bild einer »harmlosen Salonkomposition« einmal mehr. Chaminade komponiert keineswegs »seicht«. Ihre Musik ist abwechslungsreich, nie plump oder ranschmeißerisch. Harmonische wie dynamische Überraschungen stehen – immer virtuos verbunden – neben mutig übriggelassenen Motiv-Resten. Nie ist die Musik voraussagbar, einfältig oder affirmativ. Wie konnte man – allein anlässlich solcher Werke – einer Komponistin überhaupt je »Salon-Harmlosigkeit« vorwerfen? ¶

... ist Konzertveranstalter, Moderator, Komponist und Pianist. Er gestaltet innovative Konzertformate, arbeitet als Musik-Satiriker, schreibt Stücke für Solist:innen und Ensembles und Texte für VAN, die Wiener Philharmoniker, die New York Philharmonics und die Bamberger Symphoniker. 2019 war er als Schauspieler an der Volksbühne zu erleben.