Barbara Pentland wurde am 2. Januar 1912 ganz im Osten Kanadas, genauer: in Winnipeg in der Provinz Manitoba geboren. Die ersten Jahre Pentlands waren überschattet von einer frühkindlich auftretenden Herzerkrankung. Pentland war dadurch von sportlichen und sozialen Aktivitäten ausgenommen und wurde wohl auch sozial eher zu einer Außenseiterin. Diese Beschränkung nahm sie allerdings zum Anlass, um bereits früh besondere außerschulische Aktivitäten zu pflegen: Sie las viel und entwickelte bald ein leidenschaftliches Interesse für klassische Musik. Ab dem Alter von neun Jahren erhielt Pentland geregelten institutionellen Klavierunterricht an der Rupert’s Land Girls’ School in Winnipeg. Lehrer*innen und Familienangehörige rieten ihr davon ab, sich über die ihr zugeschriebenen »eingeschränkten« Möglichkeiten hinaus zu betätigen, zumal sie neben ihrer Leidenschaft für das Klavierspielen auch erste eigene Kompositionen verfertigte. Dies alles sei »zu aufregend für ein zartes Kind«.
Von ihrem 15. bis 17. Lebensjahr erhielt Pentland nach ihrem Wechsel an ein Internat in Montreal Klavierstunden und Musiktheorieunterweisungen von Frederick H. Blair, der 1939 als Passagier eines Schiffes vor den Hebriden durch den Beschuss eines deutschen Kriegs-U-Boots ums Leben kam. Nach ihrer Schulzeit musste sich Pentland wohl erneut gegen die ihr aufgebürdeten Fremdeinschätzungen durchsetzen, um ihren Wunsch, im insbesondere in dieser Zeit musikalisch unaufhörlich brodelnden Paris Klavier und Orgel zu studieren, Wirklichkeit werden zu lassen. Der Wechsel nach Paris gelang. Pentland studierte dort unter anderem Komposition bei Cécile Gauthiez.
Ab 1938 setzte Pentland ihr Studium an der berühmten Juilliard School of Music in New York fort. Hier waren der deutschstämmige Met-Kapellmeister Frederick Jacobi (Kontrapunkt) und der niederländische Geiger und Komponist Bernard Wagenaar, von dem immerhin zwei von vier Symphonien unter der Leitung von Arturo Toscanini uraufgeführt wurden, ihre Lehrer. Heimatverbunden kehrte Pentland nach Winnipeg zurück und nahm an den legendären Sommerkursen von Tanglewood teil, wo sie in den Sommerspielzeiten 1941 und 1942 Aaron Copland kennenlernte.
Ab 1942 unterrichtete Pentland am Konservatorium von Toronto Komposition und Musiktheorie und später – von 1949 bis 1963 – eben jene Fächer an der Universität von British Columbia in Vancouver. 1989 wurde sie mit der höchsten Auszeichnung ihres Heimatlandes, dem »Order of Canada« bedacht. Pentland starb am 5. Februar 2000 im Alter von 88 Jahren in Vancouver.
Barbara Pentland (1912–2000)Trance für Flöte und Klavier (1978)
Pentland komponierte eine Kammeroper, vier Symphonien und zahlreiche Werke für Solo- und Kammermusikbesetzungen. Angeblich führte allein die Präsenz einer komponierenden Frau zu Kontroversen und Diskriminierungen in der meist konservativen (Nicht-)Avantgarde-Szene der USA und Kanadas. Dank ihrer Durchsetzungskraft, ihres großen Talents und der zeitweiligen Förderung von Fürsprecher*innen gelangte Pentland jedoch bald zu größerem Ansehen, sodass ihre Werke regelmäßig und von bedeutenden Interpret*innen aufgeführt wurden. Ihre Musik wird ästhetisch in die Nähe von Copland und Hindemith gerückt, wobei der aufkommende Serialismus – eine Kompositionstechnik, bei der musikalische Parameter (Lautstärke, Länge der Noten und so weiter) in der Nachfolge der Zwölftonkompositionsästhetik zahlenmäßig organisiert werden – immer stärkeren Einfluss gewonnen habe.
Ganz und gar nicht »mathematisch« und in keiner Weise »seriell« hebt Pentlands spätere Komposition Trance für Flöte und Klavier aus dem Jahr 1978 an. Ein fast impressionistisch anmutender, expressiver, tiefer Flötenton (d1) erklingt über der noch morgennebeligen Landschaft. Wie ein Signal zur Meditation, zum friedlichen Gebet im jahreszeitmäßigen Einklang mit der Natur. Nach fast zehn Sekunden erscheint der Ton erneut, dieses Mal anders gefärbt, anders ge- und befragt, leicht schwankend in dem ewigen Auf und Ab des Lebens mit seinem Tod und seiner Liebe und seinen Ewigkeiten. Nach fast einer halben Minute sanfter und fernöstlich dünkender Flötenausdrucksouvertüren mutet der erste Klang des Klaviers tatsächlich an wie eine Klosterglocke. Das ist äußerst gut ausgehört.
Wieder wird der Flöte zunächst alleine das Feld überlassen, wobei es dieses Mal auch zu Flatterzungentönen kommt, zu millisekündlichen Zitter-Unterbrechung des Klangs. Jetzt greift die Flöte weiter hinaus, wagt sich auf das Terrain noch unbekannter, unbetretener Tonwelten heraus, orientiert sich im Raum – und höre/siehe da: Wir werden Zeuge einer ersten stärker geäußerten Emotion; stets noch naturverbunden, vogelgezwitscherartig – ohne dabei schon die leichtfüßig-humorvollen Musik(geschichts)werdungen der Gesänge unserer gefiederten Freund*innen zu meinen.
Diese geraten erst nach drei Minuten ins Hörfeld. Natürlich ist man angehalten, sich an die katholischen Vogelheilsbringer bei Olivier Messiaen zu erinnern. Doch Pentland will keine Botschaften verbreiten, sondern ergeht sich in dem sanften – und, wie gesagt: kein wenig avantgarde-mathematisch kalkulierten – Nachvollzug einer Naturstimmung. Wertvolle Kammermusik einer hierzulande mir noch nie untergekommenen Komponistin. ¶