Dass eine neue Musik sofort unmittelbar nach oder sogar bei ihrer Uraufführung vom Publikum durch und durch »verstanden« wird: selten! Tatsächlich liest man über viele Werke, die heute kein Orchester der Welt auslässt: »Bei der Uraufführung am siebenundzwanzigsten Xten Achtzehnhundertschlagmichtot reagierten Publikum und Presse äußerst verhalten. Heute gehört Hans-Jürgen Ottendummers Kammblas-Konzert in B-Dur zu den populärsten Werken der Klassik überhaupt.«
Die Uraufführung von Jean Sibelius’ symphonischer Dichtung Finlandia am 2. Juli 1900 in Helsinki stelle ich mir vor als ein Ereignis, bei dem geradezu eine Welle des Verstehens den Saal durchrauschte. Die Finlandia: eine Art »zweite Nationalhymne Finnlands« (die allerdings erst später fremdtextiert wurde). Ein kleiner finnischer Riesenschinken, mittels dem der Komponist Bilder aus der finnischen Geschichte und Mythologie musikalisch herbeimalt. Tatsächlich soll es damals, so ist in Berichten zu lesen, Stimmen gegeben haben wie: »Jede Finnin, jeder Finne wusste sofort, was gemeint war.« Und das im Zeichen dieser absolutmusikalischen, also textlosen Musik!
Um das Violinkonzert von Sibelius informiert zu hören, sollte man auch die Finlandia von Sibelius kennen – und deren Hintergrund. Denn das Violinkonzert entstand bald nach der Finlandia – und Sibelius, der neue Nationalkomponist Finnlands, stand gehörig unter Druck. Zwar sind im Violinkonzert Motive und Anmutungen nicht durchgehend so »nationaltönig« wie noch in der Finlandia, dennoch strotzt dieses Werk nur so von finnischen Musiklandschaftsimpressionen, finnischen Märchenerinnerungen und tönender finnischer Inbrunst. Ein Werkentstehungshintergrund voller Identität also. Voller Mutterlandsidentitätsfindung und individueller Künstleridentitätssuche: Seit 1809 war Finnland als Folge des Russisch-Schwedischen Krieges Teil des Russischen Reiches, nachdem es vorher jahrhundertelang zu Schweden gehört hatte. Im 19. Jahrhundert erwachten dann allerlei Nationalbewusstseinsgeister, in Finnland wie in vielen anderen europäischen Staaten. Daraus erwuchs gewichtige Musik, beliebteste Gattung: die symphonische Dichtung. Das bekannteste Beispiel: Die Moldau (1874) aus dem Orchesterzyklus Mein Heimatland vom Tschechen Bedřich Smetana. Aus kleinen Rinnsalen wird ein großer, (mit)reißender Fluss, der durch ein fantastisches Heimatland fließt. Man ist frohgemut, hört seine jeweiligen regionalen Volkslieder heraus – und ist eben wahnsinnig stolz, böhmisch zu sein. Oder so ähnlich.
Zurück nach Finnland: Erst 1902 wurde die finnische Sprache (neben der Schwedischen) als zweite Amtssprache in Finnland anerkannt. Eine Gebundenheit an Schweden also – bei gleichzeitiger Abhängigkeit von Russland. In den 1890er Jahren in Finnland wehrte sich die Bevölkerung zunehmend gegen die allzu präsente Russifizierung. Und da wiederum kam der damals knapp 35-jährige Finne Jean Sibelius (1865–1957) gerade recht. Am 2. Juli 1900 fand die offizielle Uraufführung seiner legendären symphonischen Dichtung Finlandia in Helsinki statt. Zunächst durfte das Stück gar nicht öffentlich gespielt werden, eben wegen der zu dieser Zeit omnipräsenten Unterdrückung alles Finnischen. Auf der einen Seite also: Verständnis der Landsleute, auf der anderen Seite: gezielte Verhinderung seitens der Besatzer.
Und nur wenige Monate später arbeitete Sibelius – ja, irgendwie schon: »über Nacht zum Star geworden« – an seinem Violinkonzert. Es gehört, 1903 »voruraufgeführt«, überarbeitet 1904/1905, zu den bekanntesten und am häufigsten erklingenden Violinkonzerten überhaupt, zusammen mit den entsprechenden Erzeugnissen von Beethoven, Brahms und Tschaikowsky. Deren Violinkonzerte stehen allesamt in D-Dur. Und allein deswegen wirkt Sibelius’ d-Moll-Stück wie ein (dunkler) Gegenentwurf, wie eine negative Utopie. Ein albtraumhaftes Traumstück, das bei der Uraufführung im Februar 1904 in Helsinki – Solist war der Tscheche Victor Nováček – bei Presse und Publikum zunächst (siehe oben) durchfiel. Ein Misserfolg des großen Finlandia-Schöpfers? Auf lange Sicht: nein.
Nach der Uraufführung der überarbeiteten Fassung in Berlin – im Oktober 1905 mit dem Solisten Carl Halir an der Violine und Richard Strauss am Pult der Hofkapelle Berlin – war die Erfolgslaufbahn des d-Moll-Violinkonzerts allerdings konkreter vorgezeichnet. Sibelius hatte das Stück gekürzt, gestrafft, zugänglicher gestaltet. Hören wir hinein.
1. Satz: Allegro moderato
Im Allegro moderato lässt der erste Einsatz des Soloinstruments – entgegen gewisser tradierter »Vorlagen« – nicht lange auf sich warten. Über einem zwielichtigen Nebelteppich aus d-Moll-Bewegungen aller Orchester-Violinen steigt die Solo-Geige (dolce ed espressivo) mit einem zweigestrichenen g ein. Mit einem Ton also, der als »akkordfremder Ton« in d-Moll eine erste sanfte und dennoch gewisse Härten andeutende Dissonanz-Marke setzt. Ja, dieses g2 ist ein Fremdkörper, die erste gute Idee von Sibelius – so früh!
Fast überraschend sachlich spielt David Oistrach das, begleitet vom Philadelphia Orchestra unter Eugene Ormandy (1959). Mit viel Linie, durchgezogen. Aber irgendwie auch ohne jedes Zweifeln, als ob dieses verhangene Nebelmeer nun einmal so – und so schon okay – wäre. Sehr großer Ton, meisterhaft: ohne Frage. Wenn sich Oistrach jedoch in die ersten wirklich virtuosen Ausbrecher hineinstürzt, so ist man nicht erstaunt oder ähnliches. Irgendwie sah man das kommen. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich diese Art von großer Routine in meinem Leben – Verzeihung, beim Hören des Sibelius-Violinkonzerts – haben möchte.
Das US-Orchester aus Philadelphia klingt ebenfalls saftig – und gleichfalls unaufgeregt. Die Tenuto-Klarinetten-Terzen (etwa nach dreieinhalb Minuten) gefallen mir in dieser Interpretation allerdings. Das ist die Inbrunst, die ich will. Geht Oistrach anschließend seine Quasi-Improvisando-Mini-Kadenzen immer sehr geschmackvoll eingeleitet an, so ist völlig klar, dass das hier eine große, berühmte Aufnahme ist. Oistrach bleibt schlichtweg sehr gut »am Ball«, gibt Sicherheit beim Hören.
Der damals 36-jährige Gidon Kremer und der 42-jährige Riccardo Muti spielten das Violinkonzert 1983 auf Schallplatte ein. Vom Orchester – man hört ja ohnehin erst einmal nur die Geigengruppen, die laut Partituranweisung vor Beginn des Beginns Dämpfer auf ihre kleinen Stege zu stecken haben – klingt das zunächst sehr ähnlich. London (hier residiert das Philharmonia Orchestra) oder Philadelphia: d-Moll, aufgesplittet, leise, logisch. Aber schon der erste Ton von Gidon Kremer zeigt, dass der Interpret sich hier eine ganz andere Geschichte zur Musik ausgedacht hat. Absichtlich bringt Kremer, auch auf den Folgetönen, kleine, wimmernde Vibratoinszenierungen ins Spiel. Und macht dazu seinen Klang fein fahl, weiß-grau schimmernd, etwas nasal, aber nicht überinszeniert. Manche Töne spielt er kurz breiter. Als würde hier jemand unter einem Dämmerschein von Medikamenten sagen: »Es tut mir alles sehr leid. Ich weiß nicht genau, was ich gemacht habe! Ich war wie weg!« Kremers Spiel wird fast Sprache. Hier spricht jemand zu uns – und sagt, wie konsterniert er eigentlich ist. Das hat mich unheimlich berührt. Und wie hakelnd, raschelnd Kremer die besagten Kurz-Kadenz-Einschübe versteht (dabei nicht immer ganz intonationsrein, na und?): fantastisch. Eine Suche nach Erinnerung. »Wo war ich?« Das Orchester folgt Kremer dabei ziemlich atmosphärisch. Alles klingt interessanter als beim Philadelphia Orchestra.
Vilde Frang nahm das Sibelius-Violinkonzert schon 2009 – also mit gerade einmal 23 Jahren – auf. Eine Norwegerin spielt mit den (Wahl-)Kölnerinnen und Kölnern vom WDR Sinfonieorchester unter dem dänischen Dirigenten Thomas Søndergård also die Musik eines Finnen. Tontechnisch ist das zunächst echt defensiv aufgenommen – oder gespielt. (Manchmal weiß man das nicht genau, wenn man nicht selbst anwesend war.) Vilde Frang beginnt mit ganz dünnem Ton. »Nur mit einem Bogenhaar«. Plötzlich bricht sie kurz aus. Das fasst mich an. Ihr Klang ist die ganze Zeit dabei präsent. Sehr interessant. Etwas Fiependes höre ich mit (und hoffe, dass es kein Tinnitus ist). Vielleicht hat Frang etwas viele Ideen auf einmal – oder reiht sie zumindest hintereinander auf. An der Perlenkette feinnervigen Musizierens. Das Orchester tönt dabei aber sehr nachhaltig mit, zeigt uns die instrumentalen Kontrapunkte her – und schmettert dann recht radikal in die Parade. Eine Interpretation wie eine Psychoanalyse. Alles wird nacheinander erzählt. Klinisch, genau, protokolliert. Aber, wie gesagt: höchst interessant.
In der 2022er-Live-Aufnahme von Janine Jansen und den Berliner Philharmonikern unter dem Finnen Sakari Oramo hören wir nach 43 Sekunden leider zunächst vor allem ein Geräusch (im Publikum oder im Orchester). Leute, könnt ihr euch bitte konzentrieren?
Jansen spielt ein wenig wie Frang. Nur viel »saftiger«. Aber auch wütender! Die langen Töne gleißt Jansen erst ohne, dann mit eintreffendem Vibrato in den Raum. Immer wieder scheint sie zu rufen: »Wo bin ich denn hier gelandet?« Sie befragt die düster-neblige Landschaft Finnlands, in der man als Traumversetzter plötzlich klarzukommen hat: »Was zum Teufel?« Dabei nimmt sie uns an die Hand ihres wunderschönen Tons, ihrer großen Expressivität. Schon ziemlich gut. Das Orchester: weniger erzählerisch gelaunt. Oramo versteht es nicht, aus der »Begleitung« etwas rauszuholen. Bei ziemlich genau drei Minuten und 30 Sekunden hört man einen dieser versaubeutelten Berliner-Philharmoniker-Übergänge, die man immer hören kann, wenn der Dirigent vorne am Pult nicht gerade »Gott« heißt (oder »Mariss Jansons«, aber der ist – wie Gott – halt leider schon tot). Der Klang ist hier weder ganz »da«, noch dräut er interessant herein. Das wirkt eher überrascht: »Ach so, wir sind ja wieder dran. Okay, dann: Blöök.« Und die Klarinetten-Terzen (bei Minute 4:40) werden einfach mal Legato gespielt. Steht da aber nicht.
Völlig unpathetisch zunächst: Hilary Hahn, begleitet vom Finnish Radio Symphony Orchestra unter Nicholas Collon. Ebenfalls live gespielt, ebenfalls 2022. Hahn musiziert absichtlich »unbesonders«, macht hier gar kein großes Bohei. Zwei Töne, da! Kurze Expression – und durchaus viel Vibrato. Wunderbar, wie sie uns provoziert! Sie spielt den Beginn irgendwie am schnellsten und tritt dann bei vermeintlichen Kurz-Vor-Höhepunkten auf die Bremse. Da will ich sofort weiter zuhören! Das Orchester klingt toll. Warm, farbenfroh, auch bereit, mutige, präzise angegangene Störfeuer abzuschießen. Wie Hahn anschließend abgeht, in diesem Mix von kühler Sachlichkeit und Mut. Technisch immer überragend. Kein Emotionsbolzen, aber geradezu kanonisch geschmackvoll.
2. Satz: Adagio di molto
Der zweite Satz – Adagio di molto – ist ein ganz merkwürdiger. Viele zweite langsame Sätze klingen klagend oder hymnisch, manchmal choralartig. In jedem Fall warm strömend, tröstend, langsam vorantastend. Der zweite Satz des Sibelius-Violinkonzerts beginnt allerdings wirklich ungewöhnlich. Zwei Klarinetten spielen ein erst aufspringendes, dann abschreitendes Terz-Ketten-Motiv. Daraufhin machen die zwei Oboen genau das Gleiche, dann kommen Flöten hinzu – und eine Pauke grollt leise. Und wenige Momente später ertönt dann die Solo-Geige auf der tiefsten Saite des Instruments. Drumherum dann doch: Choral-Atmosphäre. Hier wird der zweite Satz erst zu einem erkennbaren zweiten Satz. Mehrere Dirigentinnen und Dirigenten sagten mir schon: Dieses Adagio di molto ist eine der größten dirigentischen Herausforderungen überhaupt. Es sei wahnsinnig schwer, das ganze Geflecht zusammenzuhalten. Umso interessanter.
Ziemlich »normal« klingen diese komischen Terztöne in Philadelphia. Das Vibrato des bald einsetzenden Oistrach ist mir eindeutig zu schnell. Als würden da schon irgendwelche Bienen voller Erregung ihren Frühlingsgesang anstimmen. Aber das ist hier nun wirklich nicht der Fall. Auch das eher zufallsgespeiste Exerzieren von etwaigen Orchesterauffälligkeiten überzeugt mich nicht. Nach gut drei Minuten soll, von den Kontrabässen ausgehend, ein »Crescendo« erfolgen. Doch viel zu früh wird es laut. So nerven die Synkopen der Streicher im Folgenden nur noch – da kann sich Oistrach darüber noch so abmühen. Auch er crescendiert so manches Mal viel zu früh – und so passiert eben das, was offenbar tatsächlich die Gefahr dieses Satzes ist: Zerfaserung, Desinteresse, Höhepunkt an Höhepunkt.
Schlanker klingen die Klarinetten und Oboen vom Philharmonia Orchestra. Ganz über dem Griffbrett ergreift Kremer das Wort. Streichelnd, fast gewaltvoll zärtlich, manche Töne intendiert intonatorisch überstreckend. Weinen. Und wie so oft bei ihm: mit der interessanten Portion Geräusch in der »Gesangsstimme«. Was für eine große Gestaltungskraft. Muti greift derweil zu korrespondierender Opernemphase. Das passt.
Höhliger, fremder: die Holzbläser des WDR Sinfonieorchesters. Etwas gefährlich wechselt Vilde Frang viel häufiger den Bogen als Oistrach und Kremer. Auch gibt sie auf die vorgezeichneten Spielarten nicht so richtig was. Ton-für-Ton-Deklinationen können aber manchmal etwas Besonderes hervorbringen. Aber tatsächlich hängt bei ihr alles erst einmal richtig in der Luft. Dafür gelingt dann das besagte »Crescendo« wirklich spannungsvoll. Andere Stellen hat man offenbar weniger gut – bis gar nicht – geprobt. Dafür wirken manche Steigerungen auf gute Weise »erstaunt«. Das ist eine Art des Musizierens, die ich liebe: Man tut so, als würden wir gemeinsam gerade erst einmal – in eine ganze Rätsellandschaft geworfen – den Boden neu unter den Füßen spüren wollen, um dann zu sehen, wie wir (überhaupt) weiter machen. Mit so Dingen wie »Leben«, »Essen« und so.
Wenigstens konzentriert (anfangs): die Berliner Philharmoniker. Oder auch nicht. Bei Minute 18:29 ertönt wieder von irgendwoher ein Geräusch. Nervig. Warm singt dagegen Jansen ihren Gesang. Wie groß sie ihren Ton machen kann – von einem »Crescendo« ausgehend, an dessen wirksames Ende man eigentlich nicht mehr geglaubt hatte. Nervig: die zu lauten »Pianissimo«-Zupfereien in den Bratschen und den Celli, die sich dann auch nicht so wirklich in Richtung »Decrescendo« verkrümeln. Routine, uninteressant.
Viel spannender ist das, was uns die Finninnen und Finnen über diese merkwürdigen Vorgänge des zweiten Satzes zu verstehen geben. Sonor leuchtend, mit mehr Linie drin, mit mehr Staunen, mehr Besonderheit des Musizierens im Moment. Und besser geprobt. Dazwischen setzt sich Hilary Hahn wütend ins Bild. Die expressivste und zugleich ausdrucksloseste Musikerin, die wir haben. Passt gut zu Sibelius.
3. Satz: Allegro ma non tanto
Der dritte und letzte Satz des Violinkonzerts – Allegro ma non tanto – machte, glaube ich, dieses ganze Werk zum Hit. Entschuldigung, aber das ist schlicht gut komponiert/konzipiert! Einfach, eingängig – und dabei nicht simplizistisch. Ein sehr originelles Setting: Die Pauke spielt immer zwei 16tel plus eine Achtel, die tiefen Streicher das »Gegenteil«, also: eine Achtel plus zwei 16tel. Ein daktylischer Rhythmus (lang – kurz – kurz) steht also über einem Anapäst (kurz – kurz – lang). Schlechtere Komponisten würden dieses »lang – kurz – kurz« in allen Stimmen gleich anlegen, in der Vermutung, dann würde es so richtig abgehen. Nein, dann wäre es vielleicht zu banal. Bei Sibelius erscheint diese vermeintlich einfache Rhythmusidee irgendwie auch »gebrochen«, oder zumindest hinterfragt. Ein interessanter Teppich! Und dieser ganze Finalsatz: immer mitreißend, spannend – und, ja, mit virtuosen Anforderungen im Solo-Part.
Man darf jetzt nicht so tun, als hätte man nicht gewusst, dass David Oistrach diesen Satz »mit breitem Strich« angeht, klar. Aber, was man halt im Orchester – das ist das eigentlich Ärgerliche – fast gar nicht hört: die beschriebene komponierte Rhythmusteppichverstörung. Oistrach überspielt dabei den interessanten Übergang von den punktierten, von tiefster Geigenlage ausgehenden, sich dann immer weiter hochschraubenden Teilen zu den 16tel-Triolen, der diesen charakteristischen Sprung von fis1 zu gis (eine kleine Sept) enthält/enthüllt. Ein Tonsprung, der in meinen Ohren seit Jugendtagen schon immer »lustig« klang; jedenfalls in der Weise, dass hier nicht alles so düster-dramatisch gemeint ist, wie es scheint (übrigens: trotz D-Dur). Bei Oistrach wird das total verwischt.
Das Orchester: zu harmlos. Aber wie sich Kremer dazu in irgendwas reinsteigert: irre. Völlig alleine gelassen geht er ab wie Schmidts Katze. Extrem pointiert, risikoreich. Das ist einfach sehr gut. Und plötzlich dreht sogar das Orchester auf. Die kleinen Verzierungsdinge: schön fies. Und so »ungarisch« (passt zum Finnischen …) im dann doch gemeinsamen Spiel. Tolle Aufnahme!
Der Anfang: prägnant, aber ich höre den Mini-Rhythmus-Verhakungskanon im Orchester trotzdem nicht. Später funktionieren kleine Markierungen, die Søndergård dazwischen streuen lässt, ganz gut. Dabei ist mir der Ton von Vilde Frang jetzt nicht wild und stark genug. Schade.
Da kann man ganz toll diese »polternde« Rhythmus-Idee von Sibelius hören! Danke, Sakari Oramo! Janine Jansen spielt dazu ganz anders als beispielsweise David Oistrach. Sie attackiert Einzeltöne, nimmt die Punktierungen zackiger, lässt die Töne aber dazwischen kurz abschwellen. Janine Jansen greift an! So mutig, dass sie sich sogar einmal kurz rhythmisch verheddert. Spannend. Hätte sie in diesem Moment nur einen gleichwertigen Partner an ihrer Seite gehabt …
Auch hier ganz herrlich: das hörenswerte Poltern im Orchester. Die Attacke bei Hahn: verwandt mit der von Kremer. Das Finnish Radio Symphony Orchestra begleitet tatsächlich als gleichwertiger Partner. Und angesichts der ersten größeren Orchester-Tutti-Passage strecken zu dieser mitreißenden Musik die höhnisch grunzenden Stopf-Hörner die Zunge raus. Vielleicht braucht man doch jeweils bei dieser Art von – im zweiten Satz ja auch irgendwie Finlandia-»patriotischer« – Musik einfach dieses Orchester. Ein Orchester aus dem Land des Komponisten. ¶