Die Österreicherin Elisabeth Sobotka soll 2024 Intendantin der Berliner Staatsoper Unter den Linden werden. Dies wird der Berliner Kultursenator Klaus Lederer (Linke) nach VAN-Informationen am Donnerstag per Pressemitteilung verkünden. Sobotka wird die Nachfolge von Matthias Schulz antreten, dessen Vertrag 2024 ausläuft und der ab der Saison 2025/26 die Nachfolge von Andreas Homoki am Opernhaus Zürich antritt. Die 56-jährige Sobotka ist derzeit Intendantin der Bregenzer Festspiele. Von 2009 bis 2014 war sie Intendantin der Grazer Oper.
Auf Nachfrage teilte die Senatsverwaltung für Kultur und Europa mit, dass Senator Lederer bei der Intendant:innensuche ein Beratungsgremium »aus fünf Expert:innen aus Praxis und Journalismus plus dem Generalmusikdirektor« zur Seite stand. Die Namen der Mitglieder des Gremiums würden nicht bekanntgegeben.
Sobotka gilt schon länger als »naheliegende Lösung« für die freiwerdende Intendantenposition. Sie war bereits von 2002 bis Ende 2007 Operndirektorin an der Staatsoper, ist Mitglied des Stiftungsrats der Stiftung Oper und wird Staatsopern-intern als Wunschkandidatin des Generalmusikdirektors Daniel Barenboim bezeichnet. Nach VAN-Recherchen soll Sobotka schon vor zwei Jahren bei einem Treffen in der Kulturverwaltung von einer Staatsopern-Delegation gegen Matthias Schulz in Position gebracht worden sein. Barenboim selbst habe laut Orchesterkreisen im Juni 2020 bei einem Treffen mit Kultursenator Lederer gefordert, den 2022 auslaufenden Vertrag mit Intendant Schulz nicht fortzuführen. Lederer wollte damals beide Darstellungen auf Anfrage nicht kommentieren – unter Verweis auf »Personaleinzelangelegenheiten innerhalb der Stiftung Oper in Berlin«. Lederer hatte den Vertrag von Schulz im November 2020 zwar verlängert, jedoch nicht wie angeblich ursprünglich geplant – und von Schulz gewünscht – um fünf, sondern lediglich um zwei Jahre, bis 2024. Auch Sobotkas Vertrag in Bregenz läuft 2024 aus.
Die Beziehung zwischen Barenboim und dem 45-jährigen Schulz gilt als belastet, nachdem sich der Intendant in den letzten Jahren im Rahmen eines Staatsopern-internen Dialogprozesses und der Aufarbeitung von Übergriffsvorwürfen zunehmend für eine neue, weniger autokratisch strukturierte Führungskultur am Haus eingesetzt hatte und dabei auch mit Barenboim aneinandergeraten war. Der Vertrag des Generalmusikdirektors wurde im Juni 2019 vorzeitig bis 2027 verlängert. Vorausgegangen war dieser Entscheidung eine öffentliche Diskussion im Februar 2019, in der aktuelle und ehemalige Musiker:innen und Mitarbeiter:innen der Staatsoper Barenboim in VAN grenzüberschreitendes Verhalten, systematische Demütigungen und ein Klima der Angst vorwarfen. Auch die Beziehung zwischen Barenboim und der Staatskapelle Berlin hat sich in den letzten Jahren zunehmend verschlechtert. Gleichzeitig ist fraglich, inwieweit Barenboim, der dieses Jahr seinen 80. Geburtstag und sein 30-jähriges Jubiläum als Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper feiert, seine Verpflichtungen bis 2027 erfüllen kann. Der Dirigent musste in den letzten Monaten aufgrund von Kreislauf– und Rückenproblemen viele Engagements absagen. Am 6. Februar hatte er sich einem chirurgischen Eingriff an der Wirbelsäule unterzogen. Wegen einer Gefäßerkrankung wurde er gerade mehrere Wochen im Krankenhaus behandelt.
Sobotka steht nun vor der Herausforderung, nicht nur das künstlerisch breite Profil der Staatsoper weiterzuentwickeln, sondern auch den von Schulz angestoßenen Kulturwandel weiterzuführen und den Übergang in die Post-Barenboim-Ära zu gestalten. Einige an der Staatsoper hatten sich für die Schulz-Nachfolge jemanden »von außen« gewünscht, der oder die mit dem Haus und den dortigen Protagonist:innen historisch weniger verbunden ist. Die Entscheidung für Sobotka sei kulturpolitisch »der Weg des geringsten Widerstands«, kommentiert ein Mitarbeiter. Sobotka wird bei Amtsantritt 2024 bereits die sechste Intendant:in der Ära Barenboim sein. ¶