In der Konzertreihe ›Wider das Vergessen‹ erinnern Mitglieder des Orchesters der Deutschen Oper Berlin an jüdische Orchestermusiker, die im Nationalsozialismus mit Berufsverboten belegt wurden, emigrieren mussten oder in den Vernichtungslagern getötet wurden. Der Abend erzählt deren Leben und Geschichten anhand von Musikstücken und persönlichen Dokumenten, gelesen von der Schauspielerin Margarita Broich. Im zweiten Konzert der Reihe stehen am 21. März das Leben und musikalische Wirken von Alphons Hirsch, Max Nelken, Kurt Oppenheimer und Ernst Silberstein im Zentrum. Wir haben den Initiator der Reihe, Benedikt Leithner, Solo-Pauker im Orchester der Deutschen Oper, in der Kantine des Opernhauses zum Gespräch getroffen. 

Benedikt Leithner

VAN: Wie bist du auf das Projekt gekommen?

Benedikt Leithner: Angefangen hat es mit einer Tafel, die bei uns am Stimmzimmer hing, auf der alle Orchestermitglieder mit Eintrittsdatum und Austrittsjahr stehen. Da gab es viele Namen, die das Orchester 1933 oder kurz darauf ›verlassen‹ haben, obwohl sie erst vor kurzem eingetreten waren. Ich bin die ganzen Namen durchgegangen und habe dann an verschiedenen Orten angefangen, nach Quellen zu suchen, im Landesarchiv in Berlin, im Bundesarchiv, im Archiv der Akademie der Künste und der Universität der Künste (UdK), natürlich auch im Internet. Das ging über mehrere Monate. Ich habe dann acht jüdische Orchestermusiker gefunden, die ab 1933 mit Berufsverbot belegt wurden, und versucht, deren Geschichte herauszufinden.

Viele Akten sind während des Krieges verbrannt oder vernichtet worden. Hast du trotzdem zu allen etwas gefunden?

Ja, zu manchen sehr viel, zu anderen weniger, aber ich war überrascht, dass ich zu jedem irgendetwas gefunden haben. Und das, obwohl ich kein Profi bin, diese Archive sind schon eine eigene Welt für sich. Ich bin mir sicher, dass es noch viel mehr gibt.

Wusstest du schon, dass daraus eine Konzertreihe entstehen würde?

Nein, am Anfang war das nur persönliches Interesse. Ich dachte daran, die Ergebnisse vielleicht einem Historiker an die Hand zu geben, um die Geschichte dann aufzuarbeiten. Aber die Sachen, die ich zum Beispiel in den Personalakten gefunden habe, erzählen eine so starke Geschichte, dass es auf der Hand lag, daraus auch ein eigenes Format zu machen. Da ist zum Beispiel der Brief von Werner Lywen, der am letzten Bratschenpult saß und in dem Brief den Wunsch äußert, in die ersten Geigen zu wechseln. Dann habe ich später herausgefunden, dass er nach seiner Emigration Konzertmeister unter Leonard Bernstein in den USA geworden ist. 

Gab es da eine Berührungsangst mit diesen Quellen, weil du kein Historiker bist?

Das hat mich natürlich beschäftigt. Ich war immer geschichtlich sehr interessiert und kann es schon einordnen, aber ich bin Profimusiker, kein Historiker. Es geht mir bei dem Konzert nicht um eine vollständige geschichtswissenschaftliche Einordnung. Wir lesen aus Originaldokumenten, das ist ein Puzzlestein eines Bildes, das jeder selbst vervollständigen muss. Das waren ja Musiker, Kollegen von mir, ich wollte denen ein musikalisches Denkmal setzen.

Wie war die Reaktion im Haus?

Es gab anfangs schon eine leichte Skepsis, sich dem zu widmen, oder ob das gut ist, dass ich das mache, ein Nicht-Profi. Aber ich habe dann gesagt, ich mache das einfach. Das erste Konzert fanden dann alle so wichtig und bewegend, dass sich die Zweifel aufgelöst haben. 

Das Deutsche Opernhaus, wie die Deutsche Oper während der NS-Zeit hieß, war direkt Goebbels‘ Propagandaministerium unterstellt und fungierte ähnlich wie die Bayreuther Festspiele als eine der Repräsentationsbühnen des Regimes. Wie kam es dazu?

Die Staatsoper Unter den Linden lag beim Land Preußen und damit beim Preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring. Aber Goebbels wollte auch ein Opernhaus, so ist dann dieses Opernhaus genau wie auch die Philharmoniker zum Reich gekommen. Die Nazis haben dieses Haus während der Weimarer Republik gehasst, ganz anders noch als die Staatsoper, ganz zu schweigen von den Philharmonikern unter Furtwängler. Der Intendant Carl Ebert wurde als ›Musik-Bolschewist‹ diffamiert, sein Geschäftsführer war der ganz junge Rudolf Bing, der spätere Leiter der Metropolitan Opera in New York, der jüdischer Herkunft war und der SPD nahe stand, auch die beiden Kapellmeister waren Juden. Die wurden kurz nach der Machtübernahme alle im März 1933 entlassen. Das Haus stand völlig enthauptet dar, was den Nazis die Möglichkeit gab, Leute einzusetzen, die ihnen gewogen waren. Vor der Machtübernahme war es sehr weit entfernt von den Nazis, danach dafür viel näher dran.

Das Deutsche Opernhaus 1936 • Foto: Bundesarchiv, Bild 146-1998-015-34A / Frankl (CC-BY-SA 3.0), via Wikimedia Commons

Kurz nach der Machtübernahme, im April 1933 wurde das sogenannte ›Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums‹ erlassen, das den Nazis erlaubte, jüdische Beamte aus dem Dienst zu entfernen. War das auch der formale Rahmen für die Entlassung der Musiker?

Ja, einige haben dann versucht, sich zunächst wieder einzuklagen über das Frontkämpferprivileg, weil ihre Väter im Ersten Weltkrieg gefallen waren oder sie schon vor 1914 verbeamtet worden waren. Von den vier Musikern, denen wir jetzt im Konzert gedenken, ist der Cellist Ernst Silberstein der einzige, der wirklich sofort gekündigt werden konnte, weil er noch sehr jung war, Jahrgang 1900. Aber diese Ausnahmeregelungen hatten auch nur kurz Bestand. 

Gab es Musiker aus dem Orchester, die versucht haben, ein Wort für ihre Kollegen einzulegen, so wie es von Furtwängler überliefert ist?

Eher das Gegenteil. Wobei das sehr kleine Puzzlestücke sind. Es gibt einen Brief des Intendanten Wilhelm Rode an das Propagandaministerium, in dem er schreibt, dass sich bei einem jüdischen Musiker ›die Entfernung aus dem Orchesterverband‹ leider noch nicht hat bewerkstelligen lassen. Wenn da nichts passieren würde, müsste das Opernhaus ihn mit übernehmen, was sicher auch beim Orchester ›nicht gut ankommen würde‹. Bei Furtwängler glaube ich aus meiner Laiensicht auch eher, dass er die jüdischen Musiker behalten wollte, weil sie prominente Stellen im Orchester besetzten und musikalisch so wichtig waren. Wenn man sich da so reinbegibt, stellt man immer wieder fest, dass eigentlich kaum einer sauber bleiben konnte, der in Deutschland geblieben ist. 

Zwei Ausnahmen, die während der NS-Zeit in die ›Innere Emigration‹ gingen, kommen im Konzert vor: Karl Klingler und Karl Amadeus Hartmann.

Ja, Klingler war Gründer des berühmten Klingler-Quartetts, in dem der Solo-Cellist der Deutschen Oper, Ernst Silberstein gespielt hat. Klingler hat sich wahnsinnig für Silberstein eingesetzt und dann auch das Quartett aufgelöst, als Silberstein emigrieren musste. Und er leistete Widerstand, als 1936 die Büste seines Lehrers Joseph Joachim vor der heutigen UdK entfernt wurde und er wegen seines Protests dort dann auch seine Professur verlor. Karl Amadeus Hartmann hat sich auch sehr dezidiert gegen die Nazis geäußert und das Regime boykottiert, indem keines seiner Werke in Deutschland aufgeführt werden durfte.

Ernst Silberstein, geboren am 15.10.1900, wurde 1925 Solo-Cellist des Orchesters. Neben seiner Tätigkeit als Orchestermusiker war er ab 1929 Cellist im berühmten Streichquartett von Karl Klingler (Foto). Nach seiner Entlassung an der Oper 1933 war es Ernst Silberstein dank der Fürsprache von Karl Klingler noch bis Anfang 1936 möglich, in Kammerkonzerten mit dem Quartett aufzutreten. Als ihm auch das untersagt wurde, emigrierte Silberstein im April 1936 nach New York. Dort war er ab 1937 im Rundfunkorchester unter der Leitung von Arturo Toscanini und an der Metropolitan Opera tätig, bevor ihn George Szell 1947 als Solo-Cellisten zum Cleveland Orchestra holte. Dort blieb er bis zu seiner Pensionierung 1967 und übte darüber hinaus bis 1975 sehr erfolgreich eine Lehrtätigkeit am Cleveland Instiute of Music aus.

Es gibt diese Geschichte, dass Ernst Silberstein mit dem Klingler-Quartett noch im März 1934 vor Hindenburg gespielt hat, auf einer Feier, bei der auch Hitler anwesend war. Ist das belegt?

Ja, das steht in dem Brief, den Klingler im November 1934 an Hitler schreibt, um Silberstein für sein Quartett zu retten. Der Brief wird auch vorgelesen im Konzert. 

Gab es darauf eine Antwort?

Ja, der Chef der Reichskanzlei antwortet darauf schon Anfang Dezember [liest vor]: ›Hiermit bestätige ich ergebenst den Empfang des gefälligen Schreibens vom 22. November, von dessen Inhalt der Führer und Reichskanzler Kenntnis genommen hat. Auftragsgemäß beehre ich mich darauf mitzuteilen, dass der Führer und Reichskanzler sich nicht in der Lage sieht, in dem von Ihnen erbetenen Sinne Einfluss zu nehmen‹. 

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Drei der vier Musiker, denen das Konzert nächste Woche gewidmet ist, sind emigriert, der Geiger Max Nelken wurde 1941 mit seiner Frau von Berlin nach Minsk deportiert und dort ermordet. Was weißt du über ihn?

Über ihn habe ich relativ wenig gefunden. Der Geiger Max Rosenthal, der im ersten Konzert vorkam, hatte eine ganz ähnliche Geschichte, sie waren beide zweite Geigen, die schon seit der Gründung des Opernhauses Mitglieder des Orchesters waren. Beide sind mit demselben Deportationszug nach Minsk deportiert worden. Bekannt ist, dass in diesem Zug circa 1.000 Menschen waren, von denen vier überlebt haben. Es gibt zufälligerweise genau über diesen Zug eine geschichtswissenschaftliche Arbeit, die alle Namen listet, dort habe ich die beiden gefunden. Es gibt auch einen Bericht über die Zustände im Zug von einem, der überlebt hat. 

Hast du versucht, Nachfahren der Musiker zu finden?

Ja, beim ersten Konzert habe ich von zwei Musikern Nachfahren gefunden, von einem sogar die Tochter, bei diesem Konzert habe ich keine gefunden, bei den meisten gibt es Hinweise darauf, dass sie keine Kinder hatten. 

Max Nelken, geboren am 08.02.1881, hatte seit der Gründung des Opernhaus im Jahre 1912 eine Stelle als zweiter Geiger. Er war auch als Geigenlehrer am Sternchen Konservatorium tätig. Mit seiner Ehefrau Edith Nelken wurde er am 14.11.1941 nach Minsk deportiert. Dort wurde er wahrscheinlich entweder bei Massentötungen im Juli 1942 ermordet oder starb bereits vorher an den den schlechten Lebensbedingungen.

Von den Wiener Philharmonikern ist belegt, dass fast 50 Prozent des Orchesters NSDAP-Parteimitglieder waren, und auch zwei in der SS. Gibt es dazu Zahlen für die Deutsche Oper?

Es heißt oft, dass es so gut 40 Prozent waren, aber das ist eine Zahl, die oft kolportiert wird, von der ich aber nicht weiß, wie gut belegt sie ist. Es war wie überall, es gab viele Mitläufer, es gab viele, die den Nazis positiv gegenüberstanden, und sehr wenige, die wirklich protestiert haben.

Zwischen dem Berufsverbot bei der Oper und der Emigration oder Deportation waren die vier Musiker noch einige Jahre in Berlin. Wie haben sie überlebt?

Ganz unterschiedlich, Kurt Oppenheimer hat in der Jüdischen Privaten Musikschule Hollaender als Lehrer gearbeitet, einige haben beim Jüdischen Kulturbund mitgemacht. Was auffällt ist, dass es jungen Musikern leichter gefallen ist, auszuwandern, weil sie noch nicht so viel zu verlieren hatten und die Verschlechterung der Bedingungen anders erlebt und realisiert haben. Gleichzeitig hatten Orchestermusiker einen Vorteil, weil sie ihren Beruf international ausüben konnten. Ernst Silberstein hatte schon Kontakte in die USA und die Aussicht, dass er in New York eine Anstellung finden würde. Oft kam der Zufall dazu. Die Ehefrau von Alphons Hirsch war Schweizer Staatsbürgerin, das hat ihm geholfen, rauszukommen und dann beim Orchestre de la Suisse Romande eine Anstellung zu finden. Gleichzeitig war es auch eine Kostenfrage. Wenn man in die USA emigrieren wollte, brauchte man ein Affidavit, man musste ein Konto dort vorweisen, auf dem richtig viel Geld war, im Grunden also jemanden, der für einen bürgt. Das war für die großen bekannten Namen natürlich einfacher als für einen ›einfachen‹ Orchestermusiker.

Wie hast du die Musik für die Konzerte ausgesucht? 

Die Stücke sollen eine möglichst konkrete Beziehung haben zu den Musikern. Manchmal war das einfach, ich habe zum Beispiel von Kurt Oppenheimer im Archiv der UdK das Programm zu einem Konzert gefunden, bei dem er Paganinis Variationen über ein Thema aus Rossinis Oper ›Mosè in Egitto‹ gespielt hat. Das steht jetzt auch nächste Woche auf dem Programm. Außerdem habe ich bei Oppenheimer den Eindruck, dass er ein richtiger ›Virtuose‹ war. Auf seiner Auswanderungskarte findet man als Berufsbezeichnung nicht Geiger, sondern ›Violinvirtuose‹. Das Klingler-Quartett war vor allem berühmt für seine Beethoven-Interpretationen, deshalb spielen wie Beethovens Große Fuge op. 133. Aber es geht nicht immer so direkt. Ich wollte einen Komponisten dabei haben, der auch emigriert ist, deshalb die Tanzsuite von Ernst Toch, der wie Max Nelken in Wien geboren wurde und in Berlin gearbeitet hat. Und das Streichquartett von Hartmann hat einen Bezug zu Alphons Hirsch, weil es in Genf uraufgeführt wurde und Hartmann einen sehr engen Kontakt zum Chefdirigenten des Orchestre de la Suisse Romande hatte. Gleichzeitig ist es ein bisschen ein Requiem für Max Nelken. Hartmann hat das Streichquartett im selben Jahr komponiert wie sein Orchesterwerk Miserae. Dies widmete er bereits 1933 ›Meinen Freunden, die hundertfach sterben mußten, die für die Ewigkeit schlafen, wir vergessen Euch nicht. Dachau 1933/34‹.

Kurt Oppenheimer, geboren am 01.01.1890, war seit 1912 Mitglied der ersten Geigen. Während seines Studiums an der Königlichen Hochschule für Musik Berlin war er Preisträger der renommierten Joseph-Joachim-Stiftung. Auch seine Entlassung verzögerte sich aufgrund der ›Frontkämpferregelung‹. Ab 1937 arbeitete er zunächst als Geigenlehrer an der Jüdischen Musikschule Hollaender. Im Juni 1941 emigrierte er nach Uruguay. Dort wurde er Mitglied im Sinfonieorchester in Montevideo, mit dem er auch als Solist auftrat. Nach schwerer Krankheit starb er im April 1945.

Es werden beim Konzert ausschließlich Originaldokumente gelesen, die einen direkten Bezug zu den Musikern haben, Briefe, Anträge, Bewertungen von Professoren, Musikkritiken aus der Zeit, ein Nachruf. Warum?

Es geht mir darum, die vier sichtbar zu machen, zu zeigen, was mit ihnen passiert ist, und ihnen gleichzeitig auch ein musikalisches Denkmal setzen.

Hast du darüber nachgedacht, wie man das Andenken auch über die Konzerte hinaus weiterführen könnte, ähnlich wie es bei den Stolpersteinen der Fall ist?

Ja, für die ermordeten Musiker und ihre Familienmitglieder habe ich bereits Stolpersteine beantragt, aber da gibt es sehr lange Bearbeitungszeiten. Ich möchte auch die Reihe weiterführen, in jedem Jahr eine Kammermusikkonzert. Nächste Saison gibt es ein Konzert, das einer Tänzerin, einer Sängerin, einer Chorsängerin und einem Bühnenmaler gewidmet ist. Die Tänzerinnen waren teilweise Kommunistinnen und wurden mit Haftbefehl gesucht. Tatsächlich ist auch angedacht, dass wir in zwei Spielzeiten ein Sinfoniekonzert machen, in denen wir die verfolgten Dirigenten des Hauses vorstellen. Auch Kurt Sanderling war hier Korrepetitor und verlor dann 1933 seine Anstellung. Bei dieser Gelegenheit ist mein Plan, dass man auch am oder im Haus irgendwo eine Möglichkeit findet, den Namen dauerhaft zu gedenken. 

Hat sich für dich durch die Beschäftigung mit dieser Geschichte etwas geändert als Musiker?

Ja, als ich hier am Opernhaus 2002 anfing, gab es in Berlin noch sehr stark diese Konkurrenz mit der Staatsoper, Thielemann gegen Barenboim, da las man viel über den ›dunklen Klang‹, welches Orchester noch mehr der Tradition folgt und den ›noch dunkleren deutschen Klang‹ hat. Dem stehe ich mittlerweile echt skeptisch gegenüber, weil man diese Vorstellung schon bei den Nazis so oft finden.

Diese gespenstige Debatte tauchte ja auch immer mal wieder auf, als Simon Rattle Chefdirigent bei den Philharmonikern war.

Ja genau, und tatsächlich ist es kein ›deutscher‹ Klang, das ist vielleicht eine Art, wie man spielen kann, aber man kann es erklären und jedem beibringen, wenn man will. 

Auch in der Klassikwelt gab es nach 1945 eigentlich keinen Bruch und die Entnazifizierung ist weitgehend ausgeblieben. Wie war das bei der Deutschen Oper?

Ich glaube hier war es wie überall. Die allerschlimmsten Nazis wurden tatsächlich entlassen, aber sind dann teilweise woanders gut untergekommen. Es ging ja dann unmittelbar nach dem Krieg weiter mit diesem Konkurrenzkampf Ost gegen West, da waren die Orchester dann sofort wieder interessant und man wollte zeigen, dass die gut sind. Ich habe neulich auf der Seite eines großen Opernhauses gelesen, dass dort nach 1945 die Nazis alle gehen mussten. Da dachte ich: Nein, nicht bei denen, nicht bei uns, bei keinem. ¶

... ist Herausgeber von VAN. Er studierte Development Studies, Ethnologie und Asienwissenschaften in Berlin, Seoul, Edinburgh und an der London School of Economics und arbeitete im Anschluss zehn Jahre als Berater in Projekten der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. 2014 gründete er mit Ingmar Bornholz den VAN Verlag, wo er auch als Geschäftsführer fungiert. hartmut@van-verlag.com