Sophia Giustina Corri wurde am 1. Mai 1775 in Edinburgh geboren, als Tochter des umtriebigen Komponisten, Verlegers, Gesangspädagogen und Impresario Domenico Corri (1746–1825). Der aus Rom stammende Corri zog mit seiner Familie 1781 ins schottische Edinburgh, um die dortige Opernszene aufzumischen, was ihm sowohl als Sänger als auch als pädagogischer Vermittler sängerischer Fähigkeiten beeindruckend gelungen sein muss. Corri erhielt eine leitende Funktion am Theater von Edinburgh und veranstaltete netzwerkerisch bedeutende Konzerte in der schottischen Metropole.

Quasi alle Mitglieder der Familie Corri waren oder wurden zu einflussreichen und vielbeachteten Musiker*innen. Sophia erhielt nach Übersiedlung der Familie von Edinburgh nach London im Jahr 1788 Gesangsunterricht – unter anderem bei Luigi Marchesi, einem berühmten Kastraten der letzten Generation, der unter anderem als Sänger am Königshof von Sardinien und als Protagonist vieler Uraufführungen des Kastratenfachs zu besonderer Popularität gelangte. In London, dem Welt-Zentrum hochklassiger und bestbezahlter Konzerte dieser Zeit, brachte Sophia Corri unter anderem 1792 als Sopranistin die Kantate The Storm des umjubelten Joseph Haydn mit zur Uraufführung. Zuvor hatte sie außerdem hervorragende Fähigkeiten am Klavier und an der Harfe unter Beweis stellen können.

Im Alter von 17 Jahren heiratete Corri den 15 Jahre älteren böhmischen Komponisten und Pianisten Johann Ladislaus Dussek (1760–1812), von dem ein paar Klavierwerke bis heute unter Pianist*innen bekannt sind. Dussek war ihr Klavierlehrer – und Mentor in Sachen Auftrittsakquise. Sophia und Johann wurden Eltern einer Tochter, die ebenfalls zur Pianistin, Harfenistin und Komponistin ausgebildet wurde. Durch die Verehelichung einer derer Corris mit einem Dussek kamen gewissermaßen zwei musikalische Familienzweige zusammen, die im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts absolut tonangebend waren, was musikalische Breitentalente angeht; kaum anderswo in Europa fand man zu dieser Zeit so mannigfaltig begabte Familien, die den Fokus bei der Ausbildung ihrer Zöglinge nicht rein auf eine einzige musikalische Praxis-Kategorie ausrichteten.

Trotz der luxuriösen künstlerischen Synergieeffekte ging sich die Phalanx Dussek-Corri finanziell und emotional langfristig nicht aus: Zur Ehekrise kamen extreme wirtschaftliche Probleme hinzu, sodass nichts anderes als eine Flucht aus London – Richtung Hamburg – blieb. Sophias Vater Domenico musste sogar eine Haftstrafe absitzen, weil er den familieneigenen Musikverlag auf wohl kriminelle Weise in den Ruin geführt hatte. Die Ehe von Sophia und Johann Ladislaus war zerstört – und beide sahen sich nach der Trennung nie wieder.

Sophia komponierte Werke für Klavier und Harfe – auch in ungewohnter, seltener Kombination der beiden Instrumente. Immer wieder, so heißt es, wurden Werke aus Sophias Feder ihrem Ehemann zugeschrieben; ein in der Musikgeschichtsschreibung nicht selten aufzufindendes Ereignis von entsprechender, verfälschender Tragweite.

Sophia konnte derweil ihre Gesangslaufbahn weiter international ausbauen – und war an geschichtsträchtigen Opernaufführungen am Londoner King’s Theatre beteiligt. Nach der Heirat mit ihrem zweiten Ehemann (1812) – dem Viola-Spieler John Alvis Moralt – lebte die erfolgreiche Musikerin im Londoner Stadtteil Paddington und eröffnete dort eine Musikschule.

Die Umstände ihres Todes – insbesondere die Frage des Todeszeitpunkts – sind bis heute Anlass für Spekulationen. Vermutlich starb Sophia 56-jährig um 1831 in London.

Sophia Dussek (1775 – ca. 1831)Sonate für Harfe c-Moll op. 3 Nr. 3 (1797)

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In den Repertoirelisten der Harfenist*innen dieses Planeten findet sich häufig die c-Moll-Harfensonate von Sophia Dussek wieder, die 1797 – vor der Geburt von Tochter Olivia Francisca – entstand. Die 22-jährige Dussek komponiert hier ein ordentliches Stück in Sonatenhauptsatzform.

Auf einem Grundtonartwiederholungsteppich erklingt das Hauptthema des ersten Satzes (Moderato) in fast braven Sexten und Terzen. Statt einer – was nie ein Qualitätskriterium sein muss, siehe Beethoven – gut memorierbaren Melodie bringt Dussek eine schnelle Modulation nach f-Moll: schon im vierten Takt ist damit die Subdominante erreicht, von der aus es wieder in Harfenschönklangssexten nach unten geht – hin zum nächsten sanften Drama. Bald splittert die Komponistin das musikalische Bewegungsgeschehen kleinteilig in 16tel auf – und inszeniert ein agiles Spiel über einem anmutigen Alberti-Bass.

Ein besonderer Moment ist kurz vor dem zweiten Thema im erwarteten Es-Dur zu erleben: Für einen Augenblick der Verinnerlichung dunkelt sich die Musik in c-Moll ein: Piano. Der Eintritt des Seitenthemenblocks wird also nicht mittels leerer Virtuosen-Rhododendren erreicht, sondern dramaturgisch-gärtnerisch klug und fein »verzögert«.

Der zweite Satz (Andantino) steht ebenfalls in c-Moll. Wieder ertönen Sexten – nebeneinander; in einem stillen Dialog. Wieder erfolgt die rhythmisch bewegte Ausgestaltung auf den Fuß.

Das Finale (Rondo. Allegro) löst dann die Erwartung eines »Ohrwurms« auf herzzerreißende Weise ein. Ein lieblich umgesetztes »Jagd«-Motiv kullert fein nach unten. Dussek erweist sich hier als Erfinderin schöner Melodien, als Komponistin gediegenen Spiels. Nicht mehr und nicht weniger. ¶

... ist Konzertveranstalter, Moderator, Komponist und Pianist. Er gestaltet innovative Konzertformate, arbeitet als Musik-Satiriker, schreibt Stücke für Solist:innen und Ensembles und Texte für VAN, die Wiener Philharmoniker, die New York Philharmonics und die Bamberger Symphoniker. 2019 war er als Schauspieler an der Volksbühne zu erleben.