Über die am 1. Dezember 1889 im australischen Sydney geborene Mirrie Irma Hill findet man kaum Literatur. Immerhin lesen wir bei Mary Frech McVicker (Women composers of classical music – 369 biographies from 1550 into the 20th century) ein paar Zeilen über sie. Dort wird Hill zusammen mit ihrer australischen Landsfrau Margaret Sutherland (1897–1984) porträtiert; beide Komponistinnen bezeichnet McVicker als »bemerkenswert«.

Schon 1914 trumpfte die damals 25-jährige Mirrie Solomon (manche Quellen geben auch 1892 als ihr Geburtsjahr an) mit ihrer Rhapsodie für Klavier und Orchester auf – begleitet von dem Vorgängerensemble des heutigen Sydney Symphony Orchestra. Mit 15 Jahren hatte sie das Komponieren begonnen. Als eine der ersten Studentinnen überhaupt war sie am Musikkonservatorium ihrer Geburtsstadt für das Fach Komposition angenommen worden. Außerdem studierte sie hier Klavier und war als Kammermusikpartnerin eine gefragte Interpretin. Nach ihrem Studienabschluss im Jahr 1919 unterrichtete sie am einstigen Ort ihrer Ausbildung, dem Konservatorium von Sydney. 1921 heiratete sie ihren ehemaligen Kompositionsmentor Alfred Hill und rief nach dessen Tod 1960 einen nach ihm benannten Kompositionswettbewerb ins Leben. (Die Ehe blieb kinderlos, wiewohl Alfred Hill drei Kinder aus früherer Ehe mitbrachte.)

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Als eine Besonderheit im kompositorischen Schaffen Hills ist sicherlich das Interesse für die Musik der australischen Indigenen – der Aborigines – erwähnenswert. Als durchaus patriotische Australierin verband sie die Musik der ursprünglichen Bevölkerung Australiens mit der Dichtung der Kolonialist:innen, die seit dem späten 18. Jahrhundert den Kontinent besiedelt hatten. Auch schrieb sie die Musik zu einem Dokumentarfilm über die Aborigines.

Mirrie Hill hatte das Glück, bis zu ihrem Lebensende am 1. Mai 1986 (sie wurde demnach 96 Jahre alt) komponieren zu können. Ihr Heimatland Australien verließ sie zeitlebens offenbar nie, kam dafür aber zu größten nationalen Ehren.


Mirrie Hill (1889–1986)
Symphonie »Arnhem Land« (1954)

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Von Mirrie Hill sind Werke aller Genres überliefert, darunter eine Operette für Kinder, Vokal- und Instrumentalmusik und mehrere Orchesterwerke, darunter auch die programmatisch mit Arnhem Land untertitelte Symphonie aus dem Jahr 1954. Arnhem Land ist ein Siedlungsgebiet der Aborigines und hat etwa die Größe Portugals. Das gut halbstündige Werk beginnt sogleichmit einem marschartig nach vorne gehendem Thema voller Synkopen. Filmmusikalisch erscheinen viele instrumentale Mini-Schauplätze nebeneinander. Kleine Verzögerungen und Stauungen erwecken den Eindruck großer (patriotischer?) Leidenschaften. Das Ganze ist äußerst vollmundig komponiert, erst nach knapp zwei Minuten schält sich eine Flöte als tönendes Individum mit einer lyrischen Melodie heraus. Äußerst süffige Musik, spätromantisch angedunkelt wie reichhaltig instrumentiert! ¶

... ist Konzertveranstalter, Moderator, Komponist und Pianist. Er gestaltet innovative Konzertformate, arbeitet als Musik-Satiriker, schreibt Stücke für Solist:innen und Ensembles und Texte für VAN, die Wiener Philharmoniker, die New York Philharmonics und die Bamberger Symphoniker. 2019 war er als Schauspieler an der Volksbühne zu erleben.