Am 5. Februar 1831 brannte es in Lyngby bei Kopenhagen. Mit Stroh gedeckte Häuser standen in hellen Flammen – darunter auch das Haus des deutsch-dänischen Komponisten Friedrich Kuhlau (1786–1832), der infolgedessen bei Freunden unterkommen musste. Im selben Jahr, am 30. Mai 1831, wurde in Kopenhagen Martha Sabinin geboren.
Ihr Vater war ein russisch-orthodoxer Geistlicher und arbeitete in Kopenhagen bei der Botschaft des Zarenreichs. 1837 zog die russische Gesandtschaft – inklusive der Familie von Martha Sabinin – nach Weimar. Der kulturbeflissene Vater steckte seine Kinder (sechs Töchter und fünf Söhne) mit der Leidenschaft für die Künste an. Mutter Alexandra Sabinin spielte Klavier und übertrug Goethes Schriften ins Russische.
Martha Sabinin zeigte großes Talent am Klavier und beeindruckte ebenso nachhaltig beim Improvisieren an diesem Instrument. Neben Klavierstunden bei sehr qualifizierten Lehrern Weimars erhielt sie außerdem Gesangsunterricht. Für ein paar Wochen im Frühling und Sommer 1850 wurde Clara Schumann die Klavierlehrerin der 19-jährigen Martha in Leipzig. Möglicherweise war, wie zu lesen ist, auch Robert Schumann Sabinins Lehrer; ganz sicher unterrichtete sie aber ein Assistent des Komponisten in Musiktheorie.
1851 kam es zum ersten öffentlichen Konzert der Pianistin Martha Sabinin in Weimar – und in Düsseldorf sang sie im von Robert Schumann geleiteten Chor des Städtischen Musikvereins mit. Auch Franz Liszt wurde einer der Lehrer der jungen Künstlerin und schätzte die »Freiheit und den Fluss« ihres Klavierspiels. Ihr Ruf als brillante Liszt-Schülerin führte zu einer ganz besonderen Anstellung als Pianistin: »In demselben Jahr, in dem Sabinin Liszts Schülerin wurde, intensivierten sich ihre ohnehin schon engen Beziehungen zur Familie Romanow: 1853 ernannte die Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar-Eisenach (1824–1897, Enkelin Zar Pauls I.) sie in Weimar zur Hofpianistin und überließ ihr den Klavierunterricht ihrer Tochter, der Prinzessin Marie (1849–1922). 1855 wurde Martha Sabinin in Stuttgart der Großfürstin Olga Nikolajewna Romanowa (1822–1892, Königin von Württemberg) vorgestellt. Ihr Spiel bei Hofe war eine solche Sensation, dass die Künstlerin erwog, zu Verwandten nach Stuttgart überzusiedeln, wie Franz Liszt am 21. Juli 1855 Agnes Street-Klindworth mitteilte.«
Reisen zwischen Weimar, Moskau und Sankt Petersburg folgten. 1860 wechselte Martha Sabinin für acht Jahre an den Petersburger Zarenhof. Dort wirkte sie als Musiklehrerin der Prinzessin Maria Alexandrowna – und wurde hier wohl in den Adelsstand erhoben. Dafür durfte sie als Angestellte des Zarenhofs nicht mehr öffentlich konzertieren und konnte demnach auch ihre eigenen Kompositionen, die vor allem in den 1850er Jahren entstanden waren, nicht selbst aufführen.
Martha von Sabinin blieb bis zu ihrem Lebensende in Russland, arbeitete 1876 bis 1878 als Krankenschwester im Russisch-Türkischen Krieg und trat anschließend ins Nonnenkloster der Schwestern der Barmherzigkeit ein, stieg zur Äbtissin auf und gründete mehrere Krankenhäuser. Sie starb am 14. Dezember 1892 in Jalta (an der Südküste der Krim-Halbinsel) im Alter von 61 Jahren.
Martha von Sabinin (1831–1892)
Das ist ein Brausen und Heulen op. 1 No. 7 (1855)
Unter anderem plante Martha von Sabinin wohl eine »Lorelei«-Oper. Die Anstellung bei den Romanows kam ihr dazwischen. Zuvor hatte die Pianistin und Komponistin vor allem Werke für Klavier zu Papier gebracht. Auch brachte sie mehrere Lieder heraus, darunter auch die Heine-Vertonung Das ist ein Brausen und Heulen.
Das Lied schildert in größter (auch textlicher) Eile einen kurzen Moment, in der sich ein Liebender besinnend fragt, wie es in dieser stürmischen Herbstnacht wohl seiner Liebsten ergangen sein könnte. Das lyrische Ich sieht das Mädchen am Fenster lehnen, mit einer Träne im Auge, starr in die Nacht hineinblickend. Dieser intensive Augenblick – mit heftiger Wetter- und Emotionsschilderung – ist so kurz wie die Beschreibung eines wildromantischen Gemäldes und wurde von einer ganzen Reihe von Komponistinnen und Komponisten vertont, so von Robert Franz (1846), Hugo Wolf (1878), Charles Tomlinson Griffes (ca. 1905–11) – und eben auch von Martha Sabinin.
Wie ihre genannten Kollegen widmet sich Sabinin im Klavier vor allem der »Malerei« eines Sturms. Erregt setzt die Gesangsstimme ein, fast heulend wie der Wind. Kurz wird es akkordisch; das lyrische Ich verharrt, widmet sich ernsthaft dem Gedanken an den Tod seiner Geliebten. Doch dann zündet der Funken im Klavier so richtig. Kleine Anläufe, kleine Eintrübungen, ein Lodern. Und schlussendlich, nach einem weiteren Trauermoment, das flinke Ende. Ein tolles Lied! ¶