Johann Christian Bach (1735–1782) hatte damals eine gute Zeit in Englands Hauptstadt. 1762 – zehn Jahre vor der Geburt von Maria Frances Parke (manche Quellen geben auch 1775 als Geburtsjahr an) in London – erreichte ihn die Nachricht, er solle zwei Opern für das berühmte King’s Theatre schreiben. Noch befand er sich in Mailand, ließ sich aber von der dortigen Domverwaltung von seinen kirchenmusikalischen Diensten beurlauben – und kehrte nie zurück! So wurde aus dem »Mailänder Bach« der »Londoner Bach«.
Ähnlich wie bei der Musikfamilie Bach bestand auch Maria Frances Parkes Familie praktisch ausschließlich aus Musikerinnen und Musikern. Ihr Vater und ihr Onkel waren hauptberufliche Oboisten. Früh als vielversprechendes Cembalo-Talent er- und bekannt, trat Parke schon vor ihrem 10. Lebensjahr öffentlich auf, konnte sich aber – trotz dieser musikgeschichtlich rückblickend eben nicht immer glücksverheißenden Wunderkind-Vorschusslorbeeren – im Musikleben Londons langfristig und nachhaltig durchsetzen.
Ihre Künste im Gesang und am Tasteninstrument drangen auch zu sehr prominenten Ohren durch: Im Rahmen einer Londoner Erstaufführung eines Werkes von Joseph Haydn, mit dem Parkes Familie vertraut war, trug die Künstlerin dem Publikum eine ihrer eigenen Klaviersonaten vor. 1815 (oder 1816) heiratete Parke den aus dem südenglischen Farnham stammenden John Beardmore. Ob Beardmore seiner Frau (im 18. und 19. Jahrhunderts bekanntlich leider nicht unüblich) das Komponieren untersagte: Wir wissen es nicht. Auch erfahren wir erst an eher unerwarteter Stelle, dass Beardmore unmittelbar nach dem Tod seiner am 31. Juli 1822 in London verstorbenen Frau gesundheitlich massiv einbrach – und noch im selben Jahr das Zeitliche segnete. Die beiden Eheleute hinterließen angeblich einen erst fünfjährigen Sohn. Demnach wäre Parke, die wohl nur 49 Jahre alt wurde, im Alter von 44 Jahren Mutter geworden. Sehr ungewöhnlich. Vielleicht sollte man noch einmal genauer hinschauen … Deutlich schält sich jedenfalls einmal mehr heraus: Hier trat eine Musikerin einst doch einigermaßen furios in Erscheinung – und zog scheinbar keinerlei (Forschungs-)Interesse nach sich. Ein Unding.
Maria Frances Parke (1772–1822)
[Noch keine Aufnahme verfügbar]
Maria Frances Parke komponierte vor allem Klaviermusik (sowie Lieder, zwei Vokalduette und Variationen über eine Thema aus Mozarts Zauberflöte – für Gesang und Klavier!). Neben einem zweisätzigen Einzelwerk für Klavier solo (Divertimento und Rondo militaire) sind offensichtlich drei Klaviersonaten (jeweils mit Grand Sonata übertitelt) erhalten geblieben.Von den Werken Parkes gibt es – im Gegensatz zu denjenigen ihrer Fast-Namensvetterin Maria Hester Park (1760–1813), mit der sie häufig verwechselt wird – keine verfügbare Aufnahme. (Nur ein einziger Amateur hat sich offenbar hingesetzt, um spontan etwas von Parke am heimischen Klavier vom Blatt zu spielen und es ins Netz zu stellen. Zu laienhaft, um es hier zu verlinken.) Dabei sind die Noten der Klaviersonaten Parkes sogar kostenlos online zugänglich. Der erste Satz ihrer C-Dur-Sonate op. 1 beginnt lustig-schnoddrig, wie die burschikose Ouvertüre zu einer Opera buffa. Wir vernehmen witzige Haydn-Momente und locker-flockiges (aber keineswegs nur »naives«) Skalenwerk. Eine ganz typische Musik ihrer Zeit. Wer spielt diese Musik für uns ein? ¶