Am 17. August 1991 kam in San Diego (Kalifornien) Katharine Balch zur Welt. Sie studierte am New England Conservatory in Boston (Massachusetts) Komposition sowie an der Bostoner Tufts University Geschichte und Politikwissenschaften. Außerdem schrieb sie sich für Komposition an der Columbia University in New York City bei Georg Friedrich Haas und dem hierzulande weitgehend unbekannten Fred Lerdahl (*1943) ein.

Auf der Seite des Schott-Verlags liest man, die Musik von Balch fange »die Magie von Alltagsgeräuschen ein, indem sie das Publikum in eine fantasievolle, entdeckungsreiche und stilistisch vielfältige Klangwelt einlädt. Balch lässt sich häufig von Literatur, Natur und Wissenschaft inspirieren.« Ist das vielleicht ein wenig zu blumig, zu harmlos formuliert?

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Katherine Balch jedenfalls ist, was Kompositionsaufträge und Aufführungen anbelangt, momentan äußerst erfolgreich. Ihre Stücke wurden schon vom Los Angeles Philharmonic, der London Sinfonietta, dem Orchestre Philharmonique de Radio France, dem Ensemble Intercontemporain, dem Ensemble Modern sowie von anderen Orchestern aus Boston, Minnesota, Oregon, Albany, Indianapolis und Tokio aufgeführt – auf Festivals wie dem IRCAM ManiFeste, dem Fontainebleau Music Festival und dem Festival MANCA in Frankreich, dem Suntory Summer Arts und dem Takefu Music Festival in Japan sowie auf den Musikfestivals von Aspen, Norfolk, Santa Fe und Tanglewood in den USA. Mittels ihres Engagements für die Weiterentwicklung inklusiver Musikpädagogiktechniken setzt sich Balch außerdem für die Förderung des musikalischen Nachwuchses ein. Aktuell unterrichtet sie Komposition und Instrumentation an der Mannes School of Music und ist wohl derzeit noch Doktorandin an der Columbia University sowie erfolgreiche Absolventin der Yale School of Music.

Auf Nominierung der großen Geigerin Hilary Hahn erhielt Balch 2020 den »Career Advancement Award« des Dallas Symphony Orchestra. Außerdem wurde sie von der American Society of Composers, Authors and Publishers (ASCAP), von Broadcast Music Incorporated (BMI), der American Academy of Arts and Letters, Chamber Music America und der Barlow Foundation ausgezeichnet. Balch war Composer-in-Residence bei den Young Concert Artists und der California Symphony sowie 2021 Elliot Carter Rome Prize Fellow an der American Academy in Rom.

Am 20. November 2022 spielt die Birmingham Contemporary Music Group in der Bradshaw Hall in Birmingham Katherine Balchs Ensemblestück New Geometry (2015).


Katherine Balch (* 1991)
forgetting für sechs Gesangsstimmen (2021)

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2021 entstand Balchs Komposition forgetting für sechs Gesangsstimmen. Aus der deutschsprachigen Neue-Musik-Szene heraus würde man (lieb gemeint) sagen: »ein typisches Neue-Vocalsolisten-Stück«; plappernd, virtuos, theatralisch, witzig. Uraufgeführt wurde das Werk aber vom Ensemble Ekmeles aus New York.

Rhythmisch ist das Ganze für die sechs Gesangsstimmen eine komplexe Herausforderung. Verschieden disponierte Triolen, rhythmisch äußerst kleinteilige »Lückentexte« – ein Dauerband des Tuschelns, Ratterns, Stotterns. Dieses »Stottern« ist allerdings freilich auskomponiert. Immer wieder tauchen »sinnhafte« Worte auf. Gaumengeräusche verbreiten bisweilen den Eindruck, dass das Stück doch nicht so ganz als »witzig« verstanden werden soll. Bald erklingt der erste gemeinsame und wirklich tonliche Klang. Aber nur als ein Hauch, ein kleines »Stoppschild« im virtuosen Getrappel gesangssprachlicher Etüden. Das Wort »practice« ist zu vernehmen, darauf ein homophoner Dur-Klang, der möglicherweise selbstreferentiell gemeint ist: Das Üben, ja, das Üben. Jeden Tag! (Der Text geht auf eine Arbeit der US-amerikanischen Autorin Katie Ford – Jahrgang 1975 – zurück.)

»Neben« den virtuosen Gesangsparts trappeln – bisweilen die Gesangsstimmen gar überzeichnend – klackernde Spielzeuggeräuscherzeuger mit. Das ergibt einen Mix aus »Ernst« und »Spaß«; ein attraktives Partiturbild – bei inspirierendem Klangergebnis! ¶

... ist Konzertveranstalter, Moderator, Komponist und Pianist. Er gestaltet innovative Konzertformate, arbeitet als Musik-Satiriker, schreibt Stücke für Solist:innen und Ensembles und Texte für VAN, die Wiener Philharmoniker, die New York Philharmonics und die Bamberger Symphoniker. 2019 war er als Schauspieler an der Volksbühne zu erleben.