Im rauen Nordosten Schottlands liegt die Grafschaft Berwickshire. Die Wiesen und Äcker sind fruchtbar, steile Abhänge gehen direkt zum Meer hinab. In diesem nordischen Idyll wurde am 24. Juni 1810 Alicia Ann Spottiswoode geboren.

Alicia Ann war die älteste Tochter von Helen Wauchope of Niddrie-Mains und John Spottiswoode of Berwickshire. Über ihre musikalische Ausbildung erfährt man wenig. Der (Musik-)Geschichtsschreibung »bedeutend« erschien dann offenbar ihre Heirat des 4. Herzogs von Buccleuch: Lord John Scott (1809–1860), den sie um 40 Jahre überleben sollte. Demnach ging Alicia Ann Spottiswoode als Lady Scott in die Geschichtsbücher ein – nahm aber nach dem Tod ihres Ehemannes, auf Wunsch des Vaters, wieder ihren Mädchennamen an.

Alicia Ann Spottiswoode war eine Verfechterin der schottischen Sprache, ihrer Kultur und Geschichte. In Schottland ist sie bis heute nicht vergessen. Sie starb am 12. März 1900 in Berwickshire im Alter von 89 Jahren.


Alicia Ann Spottiswoode (1810–1900)
Annie Laurie (1834/1835)

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Eines der schönsten Lieder der Menschheit hat diese Komponistin geschaffen! Und wenn dieses Lied noch so warmherzig und charakteristisch gesungen wird wie von der schottischen Mezzosopranistin Beth Taylor, die man auch regelmäßig an der Deutschen Oper Berlin hören kann, dann ist das Glück für viereinhalb Minuten perfekt.

Es handelt sich dabei nicht um »irgendein« Lied, sondern fast um ein »Schottisches Nationalheiligtum«. Der Song Annie Laurie (1834 oder 1835 von Spottiswoode komponiert) basiert auf einem Text von William Douglas (ca. 1682–1748), der einst in eine Annie Laurie verliebt war, aber nie mit ihr zusammenkam. Blaue Augen habe Laurie gehabt, so zeigen mehrere überlieferte Porträts angeblich.

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Die Vorzüge von Annie Laurie werden naturverbunden, lyrisch besungen. Verglichen wird ihre Schönheit mit dem Tau des Morgens, ihre Stirn sei wie eine Schneewehe, ihr Hals elegant wie der eines Schwanes gewesen. Und Herr Douglas bekundet, er wäre wohl für sie am liebsten gestorben, hätte sich für sie niedergelegt, um (vermutlich ewig) zu schlafen (»And for bonnie Annie Laurie I‘d lay me down and dee.«)

Das Lied, das sogar von der Kelly Family gesungen wurde, beginnt mit einem bereits herzerwärmenden Vorspiel, das den hymnischen Charakter des Songs antizipiert. In angenehmsten Melodieschleifen setzt sich das Ganze in der Gesangsstimme fort. Entscheidend sind jeweils der Auftakt, der als »Tool« unverkennbar die Wärme und Lieblichkeit dieses Lieds mit ausmacht sowie der Oktavsprung in der Mitte des ersten Taktes – und schließlich die charakteristische Synkope im zweiten Takt. Es ist wohl wirklich das schönste Lied, das wir haben. ¶

... ist Konzertveranstalter, Moderator, Komponist und Pianist. Er gestaltet innovative Konzertformate, arbeitet als Musik-Satiriker, schreibt Stücke für Solist:innen und Ensembles und Texte für VAN, die Wiener Philharmoniker, die New York Philharmonics und die Bamberger Symphoniker. 2019 war er als Schauspieler an der Volksbühne zu erleben.