Angelehnt an den ersten Satz aus A Tale of Two Cities von Charles Dickens beschreibt Sarah Wedl-Wilson, Sprachwissenschaftlerin, Kulturmanagerin und neue Rektorin der Hochschule für Musik Hanns Eisler ihre Erfahrungen mit den ersten Semestern in Berlin und der Corona-Krise. Sie spricht mit Esther Bishop über Nacht-und-Nebel-Aktionen, Nothilfefonds für Studierende, Krisen- und Veränderungsmanagement.

Sarah Wedl-Wilson beim zweitägigen Clara-Schumann-Festival der Hochschule mit Festredner Joachim Gauck • Foto © Janine Escher
Sarah Wedl-Wilson beim zweitägigen Clara-Schumann-Festival der Hochschule mit Festredner Joachim Gauck • Foto © Janine Escher

VAN: Sarah, was bedeutet Musik für dich und die Hochschule während der Krise, die wir gerade erleben?

Sarah Wedl-Wilson: ›Musik ist die einzige Sprache, die jeder versteht.‹ Das sind Floskeln, aber man ist persönlich ständig auf der Suche nach der Bedeutung dessen, was wir tun. Und ich denke, dass die aktuelle Situation uns die Chance gibt, dem in besonderer Weise nahe zu kommen. Hier in Berlin sind 50 Prozent der Haushalte von Singles bewohnt: Gerade die können jetzt aus der erzwungenen Einsamkeit heraus nachvollziehen, was geistiger Austausch auf so sinnliche Art und Weise wie die Musik es vermag, bedeutet. Und die Krise, so gravierend sie für unsere Kunst und den Musikbetrieb ist, hat doch den Wahrnehmungswert in der Bevölkerung für das, was wir tun, so erhöht, wie es sonst mit vielen Anzeigen in teuren Zeitungen nicht möglich gewesen wäre. Gleichzeitig ist es eine enorm kritische Zeit. Wir können die Zukunft nicht absehen. Und das verunsichert, vor allem wenn man ein Controllfreak ist. [lacht]  Gerade Krisensituationen lehren uns loszulassen, stattdessen wende ich an, was ich an persönlichen Möglichkeiten habe, um meine Institution durch diese Krise zu bringen. In der Hochschulleitung sagen wir öfter, schmunzelnd: Wir fahren auf Sicht und es ist manchmal ganz schön neblig.

Mit dem sonst üblichen managerialen 80/20 kommt man da wahrscheinlich nicht gut aus?

Man muss in solchen Lagen unendlich kreativ sein. Wir haben eine verrückte Situation an der Eisler: Unser Kollegium besteht aus so vielen Künstler:innen, die normalerweise auf den Bühnen der ganzen Welt unterwegs sind. Und die sind jetzt alle zu Hause. Keiner von ihnen macht etwas anderes als die Studierenden (digital!) zu unterrichten, sich um ihre Familien zu kümmern und natürlich selbst zu üben. Es ist unser wichtigstes Ziel, die Studierenden durch diese Zeit hindurchzutragen, zu begleiten, ihnen einen Sinn zu vermitteln für ihr Tun, sie mit Üben fit zu halten. Viele von ihnen sind verunsichert. Viele sind alleine. Unser AStA hat mit dem Förderverein sehr schnell nach dem Lockdown einen Nothilfefonds für Studierende eingerichtet und inzwischen über 30.000 Euro ausgeschüttet. Ich habe die Anträge auf Soforthilfe gelesen und gegengezeichnet und es ergibt sich ein erschreckendes Bild von weggebrochenen Einnahmen, von Eltern weltweit in Not, von Kanada bis Taiwan.

Und bei aller positiver Grundhaltung gegenüber den Einschränkungen – ›We will make do – wir kommen schon zu Recht‹ – frage ich mich natürlich gleichzeitig, wie sich die Situation beispielsweise auf die Bewerberlage in der Zukunft auswirken wird. Werden die Eltern wie vor zwei Generationen ihren Kindern nahelegen, einen ›sicheren‹ Beruf zu erlernen – Jura, Medizin? Wird man dem Traum eines Musikstudiums nicht nachgehen dürfen? Das sind die langfristigen Sorgen, die ich mir mache.

Im Krisenmanagement hast du in den letzten Jahren viel Erfahrung angesammelt.

Ja, auf jeden Fall. Ich schlittere in den letzten Jahren beruflich von einer Krise in die nächste. Als COVID kam konnte ich es nicht glauben. Das kann doch nicht sein, schon wieder! In Salzburg hatte ich 2012 die Leitung der Camerata übernommen und 2014 nach einem sehr schweren Skiunfall wieder abgeben müssen. Dann kam ich ans Mozarteum, war 16 Monate dort und dann stand Siegfried Mauser in München vor Gericht. Wir haben das Haus über zwei Jahre durch eine Minenlandschaft von zurückgetretenen Hochschulräten, nicht beschlussfähigen Gremien und gescheiterten Rektorenwahlen geführt. Ich hatte gedacht das reicht fürs Leben. Das war extremes Krisenmanagement. Wir hatten in Salzburg zeitweise das Foto der Universität auf der Titelseite der Bild-Zeitung. Kurze Zeit drauf war die medial umstrittene Intendantenwahl bei den Osterfestspielen, wo ich Aufsichtsratsvorsitzende bin. Und kaum war ich an der Eisler kommt Corona.

Was sind denn die großen Linien, die ihr gerade verhandelt?  

Diese Krise legt bei allem Horror über die Situation in unserer Branche auch für die Hochschulen bestimmte Chancen frei. Im Digitalbereich setzen wir bei uns gerade Dinge um, die wir sonst in den nächsten zehn Jahren nicht geschafft hätten. Die Umstellung auf die digitale Lehre war schon ein Riesending! Das Herzstück unserer Ausbildung ist der künstlerische Einzelunterricht und dieser kann in diesem Semester nicht in annähernd gleichwertigem Maße stattfinden – online kommen wir da sehr schnell an deutliche Grenzen. Daher wird dieses Semester, so haben wir es mit der Politik vereinbart, nicht zur Regelstudienzeit zählen. Unsere Studierenden bekommen also ein Zusatzsemester – dürfen aber Prüfungen ablegen, wenn sie möchten. Und ich höre, dass unsere Theorieseminare und Musikwissenschaft sehr gut besucht sind. Die Studierenden haben die Möglichkeit, viele Nebenfächer abzulegen, das wird ihnen natürlich in den nächsten Semestern Freiräume schaffen.

Ein weiteres Beispiel: Wir werden in diesem Sommer das erste Mal digitale Zugangsprüfungen haben, zumindest für die erste Runde. Wir haben 1.100 Bewerbungen und es gibt keinen Grund so viele Menschen aus aller Welt nach Berlin fliegen zu lassen, wenn man die Erstauswahl sehr effektiv online machen kann. Die zweite Runde würden wir natürlich schon lieber in Präsenz durchführen, aber das hängt von Faktoren wie Flugverkehr und genereller Reisefreiheit bis zum Herbst ab. Wir haben in Corona-Zeiten einen hohen Druck, uns mit diesen Themen auseinandersetzen zu müssen und das führt zu großem Zusammenhalt in der Eisler-Community. In diesem Jahr haben wir keine Wahl und wir nehmen die Herausforderung an.  

Dann haben wir die interne Kommunikation, die viel besser läuft, weil bei unseren Lehrenden eine größere Verfügbarkeit besteht als sonst. Es gibt die Möglichkeit zum Austausch, die Lehrenden haben andere Freiräume im Kopf, um über Hochschulthemen zu sprechen. Wir rücken gerade sehr zusammen und das wird uns in der Zukunft sehr zugute kommen.

Aber Digitalisierung ist ja nicht alles – mit welchen Visionen bist du an der Eisler angetreten?  

Mein erstes Semester habe ich der Wiederherstellung eines demokratischen Diskurses gewidmet. Wir hatten zum Zeitpunkt meines Antritts eine Konfliktsituation zwischen verschiedenen Stakeholdern in unserer Community. Die Wertschätzung untereinander hat gelitten. Es braucht für eine hervorragende Hochschule drei Säulen: Erstens phantastische Lehrende, die nicht nur die besten Musikerinnen und Musiker ihrer Zeit sind, sondern auch die besten Pädagog:innen. Und zweitens dann Studierende, die im Fokus stehen, die unserem Tun den Sinn geben – und als dritte Säule eine starke und selbstbewusste Verwaltung, die das Ganze am Leben hält. Dieses Triumvirat war schwer ins Wanken gekommen. Mein Eindruck ist, dass die Corona-Krise uns sehr dabei hilft, diesen Diskurs wieder zu finden und einander wieder schätzen zu lernen. Unsere Verwaltungsmitglieder arbeiten im Moment von ihren Küchentischen aus mit ihren Privathandys und -laptops, weil wir nicht so viele Laptops zur Verfügung haben. Diese Menschen haben dafür gesorgt, dass das Semester digital beginnen konnte. Das ist eine riesige Unterstützung nicht nur in praktischer Hinsicht, sondern auch in ideeller für die Hochschulgemeinschaft. Meine Vision ist, die Eisler sichtbarer zu machen: Wir haben phantastische Absolventen, aber wir hängen unsere Alumni bisher nicht an die große Glocke. Wir sind dabei die Kommunikationsabteilung neu aufzustellen, eine internationale Abteilung muss gegründet werden und eine Erasmus Charta erworben. Flankierenden Nebenschauplätze vielleicht, die es neben dem wertvollen Unterricht gibt. Aber diese Nebenschauplätze braucht es für die Reputation der Hochschule.

In Bezug auf die Hochschulen wird immer mal eine Diskussion aufgebracht, die ich sehr problematisch finde: Nicht alle Absolvent:innen bekommen den Job, den sie sich ausgemalt haben und daraus wird dann gefolgert, dass es zu viele Studierende gäbe. Die Qualität sei nicht hoch genug. Das ist in meinen Augen die falsche Frage, da damit unmittelbar Verteilungskämpfe beginnen. Es gibt meiner Ansicht nach keine normativ richtige Anzahl von Studienplätzen und Hochschulen. Ich würde daher eher fragen, ob zu viele das gleiche studieren.  

Studieren zu dürfen ist ein Privileg. Wir haben das große Glück in Deutschland, dass unsere Kinder kostenfrei studieren können. Diese Jahre zu haben, um als Mensch die eigene Entwicklung anzustoßen und sich in ›Academia‹ zurückzuziehen, um den Geist weiterzuentwickeln, auf welcher Ebene auch immer. Du hast Ende Februar in Hamburg auf einer Podiumsdiskussion einen Saal voll mit Musikvermittler:innen gefragt, ob man gescheitert ist als Musikstudent:in, wenn man danach nicht als Musiker oder Musikerin tätig ist. Du hast den Saal gefragt wie viele der Anwesenden Musik studiert haben und es waren 80 Prozent, die dann Musikvermittler:innen geworden sind. Wie wunderbar, dass diese Menschen aus unseren Studiengängen hervorgegangen sind. Ich glaube, da kommen wir auf den Kern der tertiären Bildung. Bildung heißt: Ich bilde mich weiter. Bildung heißt nicht: Ich werde automatisch Ärztin, Anwalt, Musikerin. Das ist dann wieder eine Berufsausbildung. Menschen mit Intelligenz, damit meine ich nicht Intellektualität, das ist wieder etwas Anderes, aber mit einem erhöhten Bewusstsein, in das Berufsleben zu gehen. Was auch immer das dann für sie sein mag.

Was kann die Hochschule tun, um die Durchlässigkeit für Musikstudierende in unterschiedlichste berufliche Bereiche zu unterstützen?  

Als ich neu an die Eisler kam, war in den öffentlichen Gängen eine Serie von 25 großen Plakaten aufgehängt. Darauf waren Studierende und Alumni zu sehen, ihre jeweiligen Errungenschaften – Orchesterstellen, Wettbewerbe – und die (ehemaligen) Hauptfachlehrer:innen dazu. Also beispielsweise ein Bild der Konzertmeisterin im DSO, die bei uns studiert hat. Tolle Bilder von tollen jungen Menschen. Wenn man die Hochschule betrat, landete man unmittelbar zwischen diesen Bildern und musste denken ›Wow, wie sind die alle erfolgreich.‹ Und genau über das Wort Erfolg haben wir dann eine Diskussion begonnen, nachdem ein Student, der vom Studierendenparlament entsandt war, in meine Sprechstunde gekommen war. Er meinte: ›Wissen Sie, Sie sagen uns, dass wir uns entfalten und unsere eigenen Karrieren bestimmen dürfen. Und dann knallen Sie uns die klassischen Erfolge vor die Nase. Wir wollen mit Ihnen diskutieren: Was heißt Erfolg?‹ Ich bin unglaublich dankbar für diese Initiative! Meine Referentin und ich haben dann in einer Nacht und Nebel Aktion diese Bilder alle umgedreht und dazu dann ein Plakat gemacht mit der Aufschrift – Wall of Fame, was wollt ihr hier sehen? Was heißt Erfolg in unserer Gemeinschaft, wie wollen wir uns präsentieren? Das beschäftigt uns gerade sehr aktuell. Wir sind jetzt in der dritten Woche des digitalen Semesters und werden das jetzt wieder aufgreifen. Gerade auch für solche Diskussionen kann man die momentane Situation nutzen.

Die Wall of Fame im Neuen Marstall – vor dem Umdrehen
Die Wall of Fame im Neuen Marstall – vor dem Umdrehen

Du sprichst immer wieder zwei Bereiche an, in denen Hochschulen aktiv sind: Seht ihr euch als Hochschule eher dem Bildungsbetrieb oder dem Kulturbetrieb zugehörig?

Beides. Wir haben einen Fuß in beiden Bereichen. Ich denke auch, dass das mit meinem Start dort noch anders ins Bewusstsein rückt. Als Kulturmanagerin ist es schon ein Novum, an die Spitze einer Hochschule zu kommen, wo sonst die Musikprofessor:innen stehen. Die Amtskette wurde früher innerhalb des Kollegiums weitergereicht. Aber die Administration einer modernen Hochschule ist heute um ein Vielfaches komplexer geworden. Vielleicht ist das etwas, das in Zukunft stärker in den Blick kommt? Gerade auch in einer Krise wie der jetzigen ist es schon sehr hilfreich die Managementskills mitzubringen. Man ist im Moment ist verloren, wenn man das nicht hat. Aber zurück zu unserer Bedeutung als Kulturinstitution. Die Hochschullehrenden selbst prägen den Kulturbereich, aber wir behaupten uns als Musikausbildung im Wissenschaftsstandort Berlin ›Brain City Berlin‹, davon verstehen wir uns schon als Teil.

Ist eure Hochschule ein Ort der Bildung oder Ausbildung?

Beides. Und das interessante ist, dass COVID19 uns ein großes Geschenk gemacht hat und zwar, dass wir uns auf die Bildung konzentrieren können. Sonst laufen wir hauptsächlich der Ausbildung nach. Viele unserer engagierten Lehrenden geben mir derzeit begeistert Rückmeldung, endlich böte sich jetzt die Gelegenheit mit der ganzen Klasse ein Werk zu besprechen und geschichtliche oder interpretatorische Hintergründe und Literatur, Bildende Kunst zu erörtern. Das seien Dinge, zu denen sie sonst im eng getakteten Studium nur schwer kämen. Und auch die Studierenden laufen gerade nicht dem nächsten Probespiel oder Wettbewerb nach, sondern haben Zeit über ihr Tun und Handeln nachzudenken. Das ist unglaublich wertvoll.

Siehst du dich eigentlich selber als Musikerin?

Das hängt davon ab mit wem ich spreche. Aber natürlich, da komme ich her, aus einer Londoner Musikerfamilie und bin das schwarze Schaf, weil ich eben nicht Musikerin geworden bin. Ich hätte wahrscheinlich eine mäßige Karriere als Geigerin machen können. Aber so ist es für mich wesentlich spannender. Ich war immer schon eine Führungsperson. Ich hatte ein eigenes Quartett, in den Jugendorchestern war ich immer Konzertmeisterin usw. Aber ob es dafür später gereicht hätte weiß ich nicht. Deshalb war es gut diesen Switch zu machen und mir Führungsrollen um die Musik herum zu suchen. Aber natürlich bin ich mit jeder Faser meines Tuns Musikerin und der Musik verpflichtet.  

Du hast zeitweise als Headhunterin für Kulturorganisationen gearbeitet. Welchen Stellenwert hat die gezielte Frauenförderung dort gehabt?

Einen sehr großen! Ich kann natürlich nur bedingt darüber sprechen, weil das ein sehr diskreter Job ist. Mit dieser Tätigkeit habe ich die Zeit überbrückt, bevor ich an die Eisler gekommen bin. Das ist ein sehr spannender Job, bei dem ich mein großes Netzwerk in sowohl dem angelsächsischen, als auch deutschen und österreichischen Bereich nutzen konnte. Frauen zu fördern ist dabei sehr wichtig. Gerade auch in der eigenen Institution Frauen dabei zu helfen, den eigenen Wert einschätzen und vertreten zu können. Beispielsweise weibliche Fallen zu vermeiden, wie die Verhandlung über Geld. Ich hatte unlängst eine Verhandlung mit einer Person, die sich dafür entschuldigt hat, dass nun über Geld gesprochen würde. Aber es war eine Verhandlung. Dort geht es selbstverständlich darum die Zahlen zu fixieren. Dafür muss man sich nicht entschuldigen. Man spricht davon, dass viel der erfolgreichen Frauenförderung der vergangenen Jahre nach Corona futsch sein wird. Denn es sind in diesen Tagen überwiegend die Frauen, die zu Hause den Spagat zwischen Homeschooling und Homeoffice leisten. Auch wenn beide Partner zu Hause sind, gibt es viele Ehen in denen die Gleichstellung nicht funktioniert. Wir werden nach Corona noch mehr dafür kämpfen müssen, dass es weiter geht wie vorher. Mit Quoten für Aufsichtsratspositionen und Frauen in Führungspositionen, weil es sonst nicht funktioniert.

Wenn du daraus einen Rat an junge Frauen formulieren wolltest, wie würde er lauten?

Zunächst sollte man die eigenen Ziele nicht aus den Augen verlieren. Dann sich nie unter Wert verkaufen und eine grundsätzliche Offenheit für Diskurse braucht es auch. Sowohl Freund als auch Feind sein können. Das ist sehr wichtig. Nicht den Weg des geringsten Widerstandes gehen.  

Was sind deine persönlichen Mechanismen dich in diesem nach wie vor sehr männerdominierten Kulturbereich zu behaupten?

Ich bemühe mich um eine sichtbare und sichere Führung, das bringt Stabilität in die Mannschaft und durch die Stabilität gewinnt jeder individuellen Raum und traut sich mehr zu. Dann darf man die Auseinandersetzung nicht scheuen. Es gibt Dinge, die nicht schwelen dürfen. Sie müssen gezielt angesprochen werden mit der Gefahr sich möglicherweise unbeliebt zu machen. Aber everybody’s darling ist nicht das Ziel. Sondern das Ziel einer Führungsperson ist gegenseitiger Respekt zu schaffen.  

Du hast ja schon einige Male erwähnt, dass dir viel an Diskurs innerhalb der Hochschule liegt. Gleichzeitig verfolgen natürlich viele Lehrende weiterhin künstlerische Karrieren und das ist ja auch grundsätzlich wünschenswert. Aber fördert man Bewusstsein für die Verantwortung, die mit der Zugehörigkeit einhergeht?

Indem man eine Corona Krise bekommt (lacht) und plötzlich alle Zeit haben. Wir kommunizieren als Hochschulleitung noch sehr viel stärker mit unseren Mitgliedern. Jede Sitzung beginnt pünktlich, denn keine:r muss in Mitte einen Parkplatz suchen! Ich habe den Eindruck, dass das Engagement in Gremien für zum Beispiel Studiengangsentwicklung, Berufungen oder im Senat eine willkommene Abwechslung ist. Gerade in diesen Tagen wird es glaube ich vielen klar, was für ein unglaublicher Wert eine Anstellung an einer Hochschule ist. Wenn man beobachtet was in der freischaffenden Szene gerade los ist und welche Einkommen da gerade wegbrechen, dann wird der Wert einer Hochschulbeschäftigung sehr deutlich. Auch für unsere Lehrenden ist das ganze Konzertgeschäft weggebrochen, aber die Studierenden weiterzubetreuen gibt in so einer Situation Sinn. Das ist ein Geschenk. ¶