Zur Feier des einhundertsten Geburtstags von Iannis Xenakis widmet ihm die Pariser Philharmonie die Retrospektive Révolutions Xenakis. Sie ist das Ergebnis einer zweijährigen Zusammenarbeit zwischen der bildenden Künstlerin Mâkhi Xenakis, die das Archiv ihres Vaters aufarbeitet, und dem Musikwissenschaftler Thierry Maniguet, dem wissenschaftlichen Leiter der Sammlung des Musikmuseums der Philharmonie. Die beiden haben eine Ausstellung kuratiert, die ein vollständiges Eintauchen in Xenakis‘ Werk erlaubt, ohne die biographischen, politischen, utopischen, humanen und technologisch-mathematischen Dimensionen der multidisziplinären Projekte Xenakis‘ zu vernachlässigen. »Er war Ingenieur, Architekt, Komponist, Mathematiker, Informatiker und Computerfreak«, so Mâkhi Xenakis. »Wir wollten zeigen, dass er nie erst das eine und dann das andere oder das eine ohne das andere war.« Herausgekommen ist eine Hommage, die eine unwiderstehliche Energie versprüht. Sie dürfte nicht nur höfliche Ehrerbietung distinguierter Avantgardeapologeten erfahren, sondern auch ein breites Publikum faszinieren.

Die Eingangstür passierend, erhebt sich eine bis an die Decke reichende Skulptur aus schlanken, weißen Stelen vor dem ganz in Schwarz getauchten Ausstellungssaal, die an eine der typischen Konstruktionszeichnungen Xenakis‘ denken lässt. Während man noch überlegt, ob man diese dekorative Transformation mag, ergreifen einen sich überall im Raum bewegende Klänge. Rhythmische Blitzlichtwellen von der Decke intensivieren die aufgewühlte Energie.

Révolutions Xenakis, Ausstellungsansicht, Eingang • Foto © Maike Aden

Gespielt wird ein Auszug aus La Légende d’Eer, ein intensives, dichtes Werk der elektroakustischen Musik, das Xenakis 1977 in dem von ihm gegründeten Pariser Centre d’Etudes de Mathématique et Automatique Musicales (CEMAMu) und den Studios für elektronische Musik des WDR in Köln aufgenommen hatte. Die siebenspurige Komposition war Teil eines nahezu hypnotisierenden Szenarios aus Musik, Laserstrahlen und eindringlichen Blitzlichtern, die im Inneren des Pavillons Diatope mittels drehbarer und fester Spiegel reflektiert und vervielfacht wurden. Der Pavillon stand 1978 vor dem Pariser Centre Pompidou zu dessen Einweihung und zog ein Jahr später für ein halbes Jahr nach Bonn um. Hier wie dort zog er scharenweise Besucher:innen an, die das 46 Minuten lange Event auf dem Boden liegend oder sitzend erlebten.

Diatope vor dem Pariser Centre Pompidou (Beaubourg), 1978 • Foto © Famille I Xenakis DR
Besucher:innen im Inneren des Diatope, 1978 • Foto © Famille I Xenakis DR

Diatope zählt zur Serie der Polytopes, in denen Xenakis eine Art Utopie der totalen Kunst verwirklichte. In den 1970ern hatte er sogar den Polytope mondial (Welt-Polytope) entwickelt, der die Menschen durch Licht und Ton über die Ozeane hinweg miteinander verbinden sollte. Das blieb freilich Vision, ebenso wie seine Kosmische Stadt mit ihren fünf Kilometer hohen Gebäuden, die 25 Millionen Menschen beherbergen und die natürliche Umwelt schützen sollten.

La Légende d’Eer erfüllt im Wechsel mit dem mitreißenden Schlagzeugstück Persephassa von Zeit zu Zeit für einige Minuten die Ausstellungszenerie. Trotzdem wird schnell klar, dass das modisch gewordene Wort ›immersiv‹, das in der Ausstellungsankündigung in Bezug auf Xenakis‘ Werk und die Ausstellung gebraucht wird, nichts mit den immersiven Events zu tun hat, die in den letzten Jahren überall auftauchen. Dies ist kein Zuckerguss aus buntem Farb-, Duft- und Melodiekitsch, der den Künstler Xenakis mit Pomp, Pathos und antihistorischen Klischees überziehen würde. Dem in Kennerkreisen üblichen Dünkel gegenüber Multimediaspektakel haben die Ausstellungsmacher jedoch auch widerstanden. Zum Glück! Sonst hätten wir es mit einer der vielen stummen Komponisten- und Klangkünstlerausstellungen zu tun, die nur in der musealen Gebärde der Besichtigung erfahren werden können.

Révolutions Xenakis umfasst viele Formen des Ausdrucks. Auf diese Weise werden die alle Sinne stimulierenden Dimensionen in Xenakis‘ Werken ebenso lebendig wie sein nomadischer Werdegang und seine intellektuelle Breite. Neben zwanzig Musik- und Architekturwerken werden über zweihundert Originaldokumente und -objekte gezeigt.

Révolutions Xenakis, Ausstellungsansicht • Foto © Gil Lefauconnie

Zahlreiche Fotografien erlauben Einblicke in Xenakis‘ zunächst wohlbehütete Kindheit in einer griechischen Diaspora in Rumänien und, nach dem frühen Tod seiner Mutter, die Internats- und Studienzeit in Griechenland. Sie dokumentieren seinen Widerstand in den Reihen der kommunistischen Partisanen gegen die italienischen, deutschen und britischen Besatzer, wo er eine Hälfte seines Gesichts und ein Auge verlor, mehrere Gefängnisaufenthalte hinter sich bringen musste und wegen Fahnenflucht sogar zum Tode verurteilt wurde. In eindrucksvollen Porträts wird sein Leben und Arbeiten in Frankreich dokumentiert, wo er nach seiner Flucht ab 1947 lebte. Dies wird ergänzt von persönlichen Notizen, seinen Ausweisen mit den Geburtsdaten 1921 und 1922 (das wirkliche Datum ist unbekannt) und Büchern aus seiner Bibliothek. Korrespondenzen mit Le Corbusier (bei dem er gearbeitet hatte), Olivier Messiaen (bei dem er studiert hatte) oder Hermann Scherchen (der viele seiner Werke uraufgeführt hatte) erhellen seine Bestrebungen auf zum Teil berührende Weise. Hochinteressant sind seine Grafiken und Partituren. Sie geben sein visuelles Können zu erkennen und erlauben das detaillierte Studium seiner Kompositions- und Konstruktionsprozesse, in denen sich eine direkte Beziehung zwischen Musik, Architektur und Mathematik offenbart. Seine Arbeit als Forscher und Autor wird anhand ausgewählter Publikationen veranschaulicht. Dazu zählen seine Beiträge für die von Hermann Scherchen herausgegebenen Gravesaner Blätter und die erste Ausgabe seines Buchs Musiques formelles, das ebenso seinen Werdegang veranschaulicht wie es sein Image vom Komponisten für Mathematik- und Informatiknerds nährt. Neben aufschlussreichen ästhetisch-philosophischen Überlegungen analysiert er hier am Beispiel konkreter Projekte seine ›stochastischen‹ Kompositionsprozesse. Das geschieht mit Hilfe einer Fülle von Formeln und auch in Bezug auf die Arbeit mit dem Computer. Daher gilt das Buch auch als Meilenstein der Computermusik. Neben diesen Dokumentationen laden Filmprojektionen an den Wänden dazu ein, Xenakis‘ architektonische Werke wie das Tourette-Kloster, die Polytops und seine privaten Villenprogramme zu entdecken. Ein Film zeigt das eher unbekannte Tanzstück Kraanerg (1968-69). Die Teilrekonstruktion seines Ateliers vervollständigt das Porträt des Künstlers.

Iannis Xenakis (Musik), Roland Petit (Choreografie), Victor Vasarely (Bühnenbild): Kraanerg. 1968-69 • Foto © Gil Lefauconnie

Besondere Würdigung erfährt der Philips-Pavillon mit der Präsentation des originalen Modells sowie von Fotos, Skizzen, Zeichnungen, Baustellenansichten und Xenakis‘ Komposition Concret PH. Zu Recht, denn in diesem wahrhaft revolutionären Bau für die Brüsseler Weltausstellung 1958 lag der Ursprung der Idee, die Distanz zwischen Licht, Farbe, Klang, Raum und Betrachter in einem »spectacle total« aufzulösen.

Révolutions Xenakis, Ausstellungsansicht mit Originalmodell des Philips-Pavillons • Foto © Gil Lefauconnie

Der Architekt Le Corbusier, in dessen Atelier Iannis Xenakis damals arbeitete, war von der Firma Philips um einen Bau zur Präsentation ihrer Produkte angefragt worden, schlug ihnen aber ein Poème électronique vor. Es sollte die Besucher in eine Welt der elektrischen Imaginationen entführen. Für die Komposition des Soundtracks konnte er Edgard Varèse gewinnen, der kurz zuvor mit der Uraufführung seiner Déserts im Théâtre des Champs-Élysées einen der beeindruckendsten Skandale der Musikgeschichte verursacht hatte. Er selbst widmete sich der Licht-Farb-Bildershow. Die Verantwortung für die Architektur übertrug er Xenakis, der hier die Gelegenheit bekam, seine Fähigkeiten als Ingenieur, Architekt und Komponist zusammenzuführen. Er hatte die Idee, den Bau aus zwölf in den Himmel ragenden, dünnen Betonwänden in Form kurviger Segel zu konstruieren, die genau berechneten hyperbolischen Paraboloiden entsprachen. Die Architektur ohne Ebenen und Geraden hatte vor allem funktionale Gründe. Sie erlaubte nicht nur ununterbrochene Effekte der visuellen Projektionen, sondern auch eine optimale Akustik ohne Echo und Nachhall für die mit Hilfe von hunderten von Lautsprechern sich ausbreitenden »plastischen Klangwege« von Varèses musique spaciale.

Iannis Xenakis: Philips-Pavillon, Zeichnung, 1958 • Foto © Famille I Xenakis DR

Für den Ein- und Ausgangsbereich des Pavillons komponierte Xenakis Interlude Sonore, das später unter dem Titel Concret PH bekannt wurde. »PH« war das Projekt-Kurzzeichen für Philips, aber auch die Abkürzung für hyperbolische Paraboloide. »Concret«, das englische Wort für Beton, spielt auf das Baumaterial des Pavillons an, aber auch auf Xenakis‘ Wertschätzung der Musique concrète. Tatsächlich war abbrennendes Holz die ›konkrete‹ Klangquelle für die 4-Spur-Tonbandkomposition. Die konkrete Musik indes erweiternd, überschritt er das zeitlich lineare Prinzip und schuf mittels Überlagerungen und Verschiebungen eine Art abstrakt-atmosphärischer Schallstaubwolke aus obertonreichen, körnig und klirrend klingenden Geräuschen, »wie Nadeln, die von überall her kommen«, so Xenakis. Diese Klangmasse bewegte sich auf komplexen Lautsprecherpfaden. Das entsprach in idealer Weise der multizentrischen Architektur des Pavillons. Le Corbusier dagegen, dessen visuelles Szenario der Fortschrittsideologie seiner Zeit gemäß die »Geschichte der gesamten Menschheit« illustrieren sollte, ließ Bild-Farb-Licht-Gruppierungen montieren, um sie zu einem linearen Konstrukt zu fügen. Darin scheinen hoch fragwürdige Gegensätze auf wie primitiv/aufgeklärt, weiblich/männlich, rassifiziert/weiß und sinnlich/rational etc. Die Interaktionen mit Varèses Komposition wurden zwar nicht genau vorherbestimmt, aber auch Varèse kontrastierte. In seinem Stück wechseln bedeutungsgeladene Concrète-Aufnahmen mit streng synthetisierten, abstrakten Klängen ab. Xenakis diskontinuierlich dynamisiertes Klangkontinuum dagegen hatte solche binären Konzepte hinter sich gelassen.

Le Corbusier erwähnte Xenakis in keiner Publikation als den Erbauer des Pavillons. Erst nachdem dieser hart dafür gekämpft hatte, erschien sein Name in Klammern. Kein Jahr später empfing Xenakis seine Entlassung von Le Corbusier. Zwölf Jahre lang hatte er nicht nur technische und installationsbezogene Details, Modelle und statische Berechnungen für die Projekte Le Corbusiers geliefert, sondern als Projektleiter in alleiniger Verantwortung auch das Vokabular seiner Architektur mitbestimmt.

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Wer die Konstruktionszeichnungen für den Pavillon in der Ausstellung sieht, erkennt die Grundidee vieler musikalischer Grafiken, die Xenakis auf Millimeterpapier zeichnete, um sie danach in traditionelle Notenschrift umzuwandeln. Zum ersten Mal praktizierte er diese Herangehensweise bei der Komposition seines 1955 auf den Donaueschinger Musiktagen uraufgeführten Orchesterwerks Metastaseis (1953). Mit dieser Komposition überwand er die einengenden Regeln der seriellen Musik, die seiner Meinung nach in ausgetretenen, akademischen Pfaden feststeckte. Sie habe zwar wichtige Öffnungen in Richtung abstrakter Musik geleistet, wer aber der allumfassenden Sinnlichkeit von Musik gerecht werden wolle, dürfe sich nicht den Einschränkungen des im 19. Jahrhundert verhafteten linearen, tonalen und quantitativen Rationalismus unterordnen. Solche Urteile haben ihm, das kann man sich vorstellen, speziell in Deutschland viele Feinde eingebracht, wo seine Werke erst ab Mitte der 1970er Jahre rezipiert wurden.

Bis dahin hatte er, in Frankreich längst anerkannt, Wege gefunden, die seine Musik weder von außen vorgegebenen Strukturen aussetzten noch dem Zufall überließen, den viele Komponisten den seriellen Verfahren gegenüberstellten. Seine Lösung waren Kontinuen aneinandergereihter Klangmassen, die keine übergeordnete Zeitsignatur vorantreibt, sondern diskontinuierlich verlaufende, manchmal kaum hörbare Veränderungen ihrer Intensität, Farbe, Dichte, Register und Rhythmen. Deren Behandlung bzw. ›Formalisierung‹ folgte komplexen Rechnungen, die er der Stochastik, Spieltheorie, Geschwindigkeitsberechnung und Mengenlehre entlehnte. Mittels verschiedener Grafiken (Linien- und Kurvenkonstrukte, Tabellen, Wolken, etc.) visualisierte er die zeitlos-zeitliche Organisation der in den Raum greifenden Klangmassen. Diese alle Parameter auf einen Blick erfassbaren Zeichnungen lassen quasi architektonische Konstruktionsprinzipien erkennen. Tatsächlich wurde die Metastaseis-Grafik eine Art Blaupause für die hyperbolischen Paraboloide des Philips-Pavillons, ohne allerdings eine direkte Übersetzung zu sein. Auf ähnliche Weise entspricht der Rhythmus der Glasflächen des Klosters La Tourette, dessen Architektur Xenakis ebenfalls als Le Corbusiers Assistent verantwortet hatte, den graphischen Matrizen der Kompositionen Achorripsis (1956-1957) oder Pithoprakta (1955-1956).

Iannis Xenakis: Metastaseis, 1954, grafische Partitur • Foto © Famille I Xenakis DR

Xenakis nannte sich selbst einen »Mathematikbenutzer«. Berechnungen bestimmten die interne Organisation seiner musikalischen Konstruktionen, lieferten ihm aber zugleich immer wieder neue, bis dato unentdeckte Konzepte.

1962 entwickelte er ein Computerprogramm für Musikkompositionen, was ihn zu einem der Pioniere der digitalen Kunst macht. St/48 wird 1967 in der Zeitung als »große Symphonie I.B.M« gefeiert. Einzigartig war die Konstruktion des Computers UPIC (1977), der die auf Millimeterpapier entworfenen graphischen Notationen digital sozusagen fortsetzte. Zeichnungen auf einer eigens konstruierten graphischen Benutzeroberfläche wurden in Klänge verwandelt. Der Zeichenstift wurde also zum Kompositionsinstrument, so dass man auch ohne Notenkenntnisse komponieren konnte. Mycenae Alpha (1978) ist ein derartig generiertes Werk, dessen Struktur und einmalige Klangfarben auf diese Weise generiert wurden.

UPIC (Unité Polyagogique Informatique du CEMAMu) • Foto © Claude Germain, Musée de la musique

Xenakis‘ besonderes Interesse für abstrakte Berechnungen und Maschinen wird beim Lesen einer autobiografischen Bemerkung verständlich. Dem voraus geht sein Widerstandskampf in Griechenland. Dabei wurde er am 1. Januar 1945 von einem englischen Granatsplitter im Gesicht getroffen und rang drei Monate lang mit dem Tode. »Da meine Sinne um die Hälfte reduziert waren«, so Xenakis, »war es, als befände ich mich in einem Brunnen und müsste das Äußere durch ein Loch wahrnehmen […] Ich war gezwungen, mehr zu denken als zu fühlen. Also kam ich zu viel abstrakteren Begriffen.«

Sein Hang zur Abstraktion hinderte ihn aber nie, seine Werke intuitiv über ihren strengen mathematischen oder informatischen Ursprung hinaus voranzutreiben. Ketzerisch von seiner eigenen Lehre abweichend verarbeitete er Emotionen, Leidenschaften und konkrete biografische Ereignisse, wozu auch Hörerfahrungen gehörten. Schon als Kind und Jugendlicher erschienen ihm die Klänge in der Natur wie Musikmaterial, schrieb er. Das galt aber auch für jene Geräusche in den Athener Straßen, die ihm als Widerständler für immer in den Ohren klangen: die rhythmischen Slogans der demonstrierenden Massen, die Rufe einzelner Bewohner aus ihren Häusern, die in den Straßen nachhallenden Salven aus den Maschinengewehren, die von langen Intervallen der Stille unterbrochenen Schusswechsel, die Schreie, das drängelnde Trampeln Flüchtender u.s.w. Diese oft zur Geräuschkulisse sich verbindenden Einzelgeräusche finden ihren Ausdruck zum ersten Mal in Metastaseis, aber auch später immer wieder auf je verschiedene Weise.

Auch in Nuits (1968), ein dramatisches Stück für zwölf a capella Stimmen, fließen biografische Erfahrungen ein. Es ist den vergessenen politischen Gefangenen in den dunklen Kerkern des reaktionären und militaristischen Griechenland gewidmet. In den beängstigend klingenden Glissandi, Pfeiftönen und Klangmassen artikulieren sich keine Worte, sondern sumerische, syrische und achäische Phoneme. Er wollte sich den schmerzlichen Schreien ohne neoromantischen Touch nähern, der flachen, rauen Körnigkeit menschlicher Vokalität ohne jegliches Vibrato aus der Kehle, die in der Volksmusik noch wahrnehmbar ist, aber durch die »Zähmung durch den Belcanto« ausgelöscht wurde.

Zahlreiche hier nicht beschriebene Projekte lassen Iannis Xenakis’ (Wieder-)Erschaffung von Reichtum, Energie und Anarchie in Klang und Architektur entdecken. Sie legen Zeugnis davon ab, dass strenge Abstraktion und eindringliche Leidenschaft keine Widersprüche sind. Dass präzise berechnete Konstruktionen anrühren, aufrütteln und erschüttern können und exakt definierte Algorithmen umwerfende Sensationen erzeugen können. »Die Kunst, und vor allem die Musik (…) muss darauf abzielen, durch Fixierungen, die Orientierungspunkte sind, zu einer totalen Überhöhung zu gelangen, in der sich das Individuum verliert und sein Bewusstsein in einer unmittelbaren, seltenen, gewaltigen und vollkommenen Wahrheit verliert. Gelingt einem Kunstwerk das auch nur für einen einzigen Augenblick, so hat es sein Ziel erreicht«, schrieb er einmal. Dass ihm das gelungen ist, lässt sich in dieser Retrospektive erleben. ¶

Dr. Maike Aden ist Kunst- und Musikwissenschaftlerin. Sie lebt in Paris und arbeitet im akademischen Feld sowie in Ausstellungs- und Archivinstitutionen.

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