Die Sonne lacht, die Berge grüßen. Das Gespräch mit Konrad Hummler, dem Präsidenten und großen Mäzen der Bach-Stiftung St. Gallen, findet im Freien statt, an einem der Tische vor dem Zeughaus in Teufen bei St. Gallen. Dort, wo sich die Besucher der Bachtage zwischen den Veranstaltungen stärken – mit herrlichem Blick ins Appenzeller Land. »Wir brauchen uns gar nicht extra zu verabreden, ich bin eh die ganze Zeit da und wir werden uns über den Weg laufen«, hatte Konrad Hummler gemailt. Eine halbe Stunde Singen von Bachchorälen am frühen Morgen von 7:30 bis 8:00 Uhr haben wir schon hinter uns, ebenso eine Stunde »Akademie« über 1.000 Jahre Choralgeschichte mit dem Freiburger Bachspezialisten Meinrad Walter, aber nun ist Zeit …
VAN: Wie fing das an mit Konrad Hummler und Bach?
Konrad Hummler: Als ich elf Jahre alt war, hatte ich mit dem Jugendchor St. Gallen die Gelegenheit, bei einem dieser Mega-Chöre der damaligen Zeit die Matthäuspassion mitzusingen – mit mindestens 150 Menschen auf der Bühne. Wir Kinder durften nicht nur, wie sonst üblich, bei den beiden Cantus-firmus-Partien im Eingangschor und am Schluss des ersten Teils mitmachen, sondern auch alle Choräle, den »Barrabam«-Ruf und den Schlusschor mitsingen. Schon damals habe ich gemerkt: Das wird mich noch beschäftigen.
Was hat Sie besonders beeindruckt?
Besonders die ›Erbarme-dich‹-Arie. Die zu hören war für mich ein religiöses Erlebnis und zwar in dem Sinne, dass mir irgendwie bewusst wurde: Das führt auf dem religiösen Weg weiter …
Wie ging es dann mit Ihnen und Bach weiter?
Ich habe Geige gelernt und konnte das E-Dur-Konzert von Bach (BWV 1042) leidlich spielen. Mein Vater hat mich begleitet, er war ein hervorragender Pianist und Sänger. Überhaupt wurde bei uns viel gesungen, am Klavier und ums Klavier herum, weltliches, geistliches, insofern bin ich ›in Musik aufgewachsen‹.
Hummler studierte in den Siebzigerjahren Jura in Zürich und Wirtschaftswissenschafter in Rochester (USA). Dort sang er im Kirchenchor und kann sich erinnern, dort »mit Schweiß und Tränen« die Bachkantate Christ lag in Todesbanden (BWV 4) erarbeitet zu haben. »Ich war nicht mehr im Sopran, sondern im Bass, das war schon ein Unterschied …«. Hummler wurde Teilhaber der Privatbank Wegelin, die 1991 ihr 250-jähriges Jubiläum feierte, unter anderem auch mit Musik.
Konrad Hummler: Bei der Vorbereitung des Bankjubiläums lernte ich Rudolf Lutz kennen. Er war damals Kirchenmusiker in St. Gallen und Dozent an der Schola Cantorum Basiliensis. Wir entwickelten gemeinsam die Reihe »Wort und Klang«, die Musik mit Literatur zusammenbrachte. Und dann kam Rudolf Lutz auf einmal zu mir und sagte: »Herr Hummler, ich habe ein logistisches Problem!« Sein Studentenchor aus Basel wollte unbedingt die Matthäuspassion aufführen und Lutz hatte zugestimmt, allerdings gefordert, da die wöchentliche Probendisziplin eher durchwachsen war, dass eine Probenwoche am Stück durchgeführt wurde – und dafür brauchte er ein Quartier. So haben meine Frau und ich den ganzen Chor eine Woche in die Alpen versetzt in ein Massenlager und die Infrastruktur drum herum organisiert – wohlgemerkt nur organisiert, nicht spendiert! Und wir hatten eine Bedingung: Wir beide wollten mitsingen! So habe ich die Matthäuspassion ein zweites Mal gesungen, diesmal im Bass und diesmal ganz – ein unvergessliches Erlebnis! Seitdem lässt mich Bach endgültig nicht mehr los …
Irgendwann setzte sich in Konrad Hummler der Gedanke fest, das gesamte Vokalwerk von Johann Sebastian Bach unter der Leitung von Rudolf Lutz aufzuführen. Hummler gründete die J.S.Bach-Stiftung in St. Gallen, in die er als Mäzen bisher etwa 15 Millionen Schweizer Franken aus seinem Privatvermögen gesteckt hat. Und 2006 begann das Mammutprojekt mit der monatlichen Aufführung und Einspielung des Bach’schen Vokalwerkes. Das geht so: Jeden Monat wird in der malerischen Dorfkirche in Trogen bei St. Gallen eine von den über 200 Kantaten J.S. Bachs aufgeführt und aufgenommen und zwar nach allen Regeln der Kunst: An einem Freitag um 17:30 Uhr trifft man sich zu einer etwa 45-minütigen musikalisch-theologischen Werkeinführung, die der musikalische Leiter Rudolf Lutz gemeinsam mit dem Theologen Karl Graf gestaltet, dann geht es zu einem gemütlichen Apéro mit Wein und einem Imbiss hinüber ins Gasthaus direkt neben der Kirche, um dann – frisch gestärkt – um 19:00 Uhr der ersten Aufführung der Kantate zu lauschen. Ist die beendet und der erste Applaus verrauscht, gibt es einen 15-20-minütigen Vortrag, in dem kluge Menschen den Kantatentext für die heutige Zeit ausloten, und dann wird die Kantate noch einmal gespielt. Dieser »Doppelpack« ist ein Markenzeichen der Reihe; die zweifache Aufführung nutzt natürlich auch den Kameraleuten und dem Tonmeister, denn alle Kantaten werden aufwändig in Video und Ton dokumentiert, samt Einführung und Reflexion – mehr Bach geht nicht!
J.S. Bach, Kantate BWV 191; Gloria in excelsis Deo ; I. Chorus (J. S. Bach Stiftung)
VAN: Was bedeutet für Sie der monatliche Bachkantaten-Freitag?
Konrad Hummler: Es ist ein Ritual, es ist mein Gottesdienst, es ist meine spirituelle Arbeit mit mir selber, mit meiner Familie und darüber hinaus mit vielen anderen. Es ist ja dort eine Art ›Gemeinde‹ gewachsen, die regelmäßig nach Trogen pilgert.
Schöne Sache, aber ist das nicht ein ziemlich elitäres Konzept?
Nein, das ist nicht elitär, sondern höchstens edukativ. Man braucht keine musikwissenschaftliche Vorbildung, um dem Workshop vor der ersten Aufführung zu folgen. Elitär wäre es, wenn es da eine Ausschlussidee hätte, aber die gibt es nicht. Eins ist mir ganz wichtig, und das können Sie meinetwegen elitär nennen: Die Musik muss auf Weltklasseniveau sein, denn wenn man etwas macht, dann muss man es recht machen! Und dass die Aufführung von einer Werkeinführung begleitet wird, ist ganz wichtig. Ich finde, dass man nie genug an Bach arbeiten kann. Er ist so umfassend, und wir sind so bescheidene Wesen. Jede Kantate ist Neuland, ja ein Kontinent, den man betritt und in allen Einzelheiten erkunden sollte. Man darf die Sache nicht zu einfach nehmen und die Musik nur genießen. Denn wenn man sich darauf beschränkt, dann wird man den Kontinent nie ergründen.
Ist das ein Kern calvinistischer Ethik in Ihnen?
Vermutlich. Ich möchte aber auch einfach schlicht wissen, warum Bach den Bass da chromatisch herunterführt und wie er, Bach, Christus sieht. Ich höre Bach völlig anders als früher, ich höre die einzelnen Elemente in der Polyphonie heraus und kann sie besser einordnen – insofern habe ich viel mehr davon! Und die Idee der zweifachen Aufführung der Kantate unterstützt das. Die Leute sagen immer, die zweite Aufführung war besser. Das stimmt – objektiv betrachtet – längst nicht immer, aber die Leute hören beim zweiten Mal einfach besser.
Haben Sie nach zehn Jahren Bachreihe eine Lieblingskantate?
Ach, das wechselt recht oft, je nach Jahreszeit, nach Stimmung und nach Lebenslage. Aber die Kreuzstabkantate (BWV 58) und Ich hatte viel Bekümmernis (BWV 21) sind da bestimmt Favoriten. Übrigens liebe ich immer mehr die Rezitative bei Bach. Als ich Kind war, fand ich die Rezitative immer lang und mühsam, aber wahrscheinlich waren sie auch schlecht gesungen. Seit wir uns so intensiv mit Bach beschäftigen, erscheint mir das Rezitativ immer mehr als ein ganz eigener Kosmos. Bach hat die größte kompositorische Arbeit bei den Rezitativen vollbracht – davon bin ich zutiefst überzeugt. Was da an Schattierungen, an Kleinstschattierungen verbunden wird mit der Bedeutung des Textes – da liegt für mich der Kern der ganzen Bachinterpretation. Wenn man das nicht kann, oder wenn einem das gleichgültig ist, dann hat es keinen Sinn …
Und, haben Sie ein Lieblingsrezitativ?
Ganz klar. Matthäuspassion, das Rezitativ des Evangelisten vor der »Erbarme dich«-Arie: Petrus weint. Ach was, er heult! Wenn man das richtig bringt, dann ist das ein Schuldbekenntnis für die ganze Welt. Und diese Stelle ist enorm tröstlich, denn sie zeigt: »Meine Güte, der heilige Petrus, wie klein und nichtig ist er!« Unglaublich – da kommt die ganze Geschichte an einen menschlichen Nullpunkt, es ist der Verrat an einem besten Freund und das ist auch Teil der menschlichen Existenz. Die menschliche Existenz ist ab und zu etwas Wunderbares und man kann in allen Höhen schweben, aber da kommt’s zum Nullpunkt, und dieser Nullpunkt ist von Bach eben auch unglaublich adäquat dargestellt …
In Bachs geistlichen Werken geht es über den Nullpunkt hinaus, sie zelebrieren fast immer die christliche Auferstehungs- und Erlösungshoffnung …
… ja, aber die kommt nur aus diesem Nullpunkt heraus, nicht an ihm vorbei, sondern sie geht über diesen Nullpunkt. Und das macht aus meiner Sicht den christlichen Glauben aus, dass er diesen Nullpunkt akzeptiert und dass er nicht vorgibt, es sei Friede, Freude, Eierkuchen. Das Christentum ist eben keine Wohlfühlreligion, sondern eine Religion, die mit der Abgründigkeit des Menschen umgehen kann.
Was ist der Sinn der sogenannten Reflexionen, also der Kurzvorträge zwischen den beiden Aufführungen der Kantate?
Ihr erster Sinn ist schlicht neurologisch: Zweimal Musik hintereinander ist schwierig, und mit der Reflexion werden im Gehirn andere Bereiche angesprochen. Der zweite Sinn ist, wenn Sie so wollen, ein liturgischer. Das »Wort« soll seinen Platz haben, es geht bei den Kantaten ja um eine protestantische Tradition, die für den Gottesdienst geschaffen wurde. Wir halten hier keine Gottesdienste im engeren Sinne, es gibt also keine Predigt. Aber es braucht doch einen Ersatz für diese auslegende, deutende, weiterführende Gattung, den die Predigt, wenn sie denn gelingt, im Gottesdienst hat. Die Reflexion ist also ein Ersatz für die Predigt. Drittens: Wir finden es unglaublich spannend, wenn Zeitgenossen, die wir für interessant halten, über die Texte nachdenken lassen, die quälen sich ja manchmal …
Aufsehen erregte vor zwei Jahren Sibylle Lewitscharoff mit ihrer Reflexion über die Bachkantate O Ewigkeit, du Donnerwort (BWV 20) …
Ja, sie war absolut überraschend. Weil sie der religiösen Frage nach der Ewigkeit nicht ausgewichen ist. Nach zehn Jahren kann ich sagen, es gibt grob betrachtet zwei Arten von Reflexionen. Einmal die aufgeklärten Intellektualisten, die große Bögen schlagen und sich zuweilen auch überschlagen, die dabei aber meist die religiösen Fragen umschiffen. Und dann gibt es die Anpackenden, die sagen: »Okay, es ist jetzt auch meine Frage!« Dann gibt es eine interessante Reflexion. Es muss gar nicht bekenntnishaft sein, das wäre voyeuristisch und das hielte ich nicht für angebracht, denn die Bibel lehrt, dass wir im stillen Kämmerlein beten sollen und nicht vor großem Publikum. Andererseits finde ich es faszinierend, wenn in einer Zeit, wo der Tod aus unserer Gesellschaft herausgedrängt wird, in den Reflexionen die existenziellen Fragen von Leben, Tod, Transzendenz thematisiert werden und sich die Vortragenden nicht drum rum drücken.
Was ist Ihre Mission mit diesem Projekt? Gibt es denn nicht schon genug schöne Gesamtaufnahmen des Bach’schen Kantatenwerkes?
Natürlich, es gibt tolle Aufnahmen, keine Frage. Aber ich wollte Livekonzerte mitschneiden, denn Studioaufnahmen habe ich nicht so gerne, die geschehen in einer künstlichen Umgebung. Außerdem ist die Aufzeichnung in bewegtem Bild und Ton bisher einmalig. Unsere Filme werden auf der ganzen Welt gesehen, wir haben ein paar Millionen Zugriffe im Jahr. Unsere Produktion ist lokal, aber unsere Rezeption ist global. Mithilfe unseres Medienportals http://www.bachstiftung.ch überspringen wir die regionale und die nationale Ebene, aber das ist auch angemessen, denn Bach ist Weltmusik. Die meisten Zugriffe auf unsere Videos kommen übrigens seit Jahren aus Lateinamerika. Wir haben keine Ahnung, warum das so ist. Vielleicht liegt es daran, dass Rudolf Lutz sehr rhythmisch musiziert und immer eine volle, aktive Generalbassbesetzung bevorzugt …
… viel Tango dabei …
… sagen wir mal, es hat einen Groove. Und dann kommt offenbar das Bild mit der Kirche in Trogen, dieser fröhliche protestantische Appenzeller Barock, sehr gut an. Orchester und Chor sind ja auch recht jugendlich. Aber letzten Endes wissen wir auch nicht genau, woran die große Nachfrage liegt.
Man sagt, Sie haben bisher 15 Millionen Franken in die Bach-Stiftung St. Gallen gesteckt und nochmals so viel wird es bis 2030 sein, das ist eine Menge Geld …
Ich habe die Stiftung gegründet und sie ausfinanziert. Das heißt: Die Stiftung könnte auch ohne mich noch drei Jahre überleben und müsste innerhalb dieser Zeit andere, zusätzliche Geldquellen finden oder den Betrieb eben ordentlich zurückfahren. Das wissen alle, die hier arbeiten. Das ist eine ordentliche Komfortzone, und die erneuere ich jedes Jahr. Unser Normalbetrieb kostet etwa eine Million Franken pro Jahr. Allerdings haben wir durchaus auch Erträge, denn unsere geschaffene Infrastruktur mit dem Shop für die DVDs und CDs trägt zunehmend zur Finanzierung bei. Zudem verfügen wir über einen großen Kreis von zusätzlichen Gönnern und Freunden der Stiftung.

Bach ist ja gut und schön, aber haben Sie nicht auch mal daran gedacht, mit so viel Geld sich lieber sozial zu engagieren, für arme, benachteiligte Menschen?
Oh ja, da diskutieren wir viel in der Familie – meine Frau stammt aus den Niederlanden, sie hat einen streng calvinistischen Hintergrund und sehr klare ethische Vorstellungen. Und natürlich ist die Frage nicht eindeutig zu beantworten. Ich kämpfe selbst mit mir und frage mich: Was ist gerechtfertigt in unserer Welt? Ich meine aber, dass man die Dinge, die man tut, richtig tun sollte und dass deshalb eine Fokussierung notwendig ist. In meinem Fall ist das eben dieses Bachprojekt. Ansonsten sage ich: ›Arme habt ihr allezeit‹, und es gibt viele andere, die den Armen helfen und noch helfen könnten.
Wer sich mit Konrad Hummler beschäftigt, findet sehr viel mehr über ihn, als nur die Rolle des Bachwohltäters. Er machte sich als vehementer Verteidiger des Bankgeheimnisses einen Namen. Als es 2010 zum Streit zwischen Deutschland und der Schweiz um die gestohlenen Daten deutscher Steuerhinterzieher kam, kritisierte Hummler die Schweizer Regierung, die mit Deutschland einen Informationsaustausch verhandeln wollte. »Bern hat den Kopf verloren«, sagte Hummler in der Neuen Zürcher Zeitung und gelobte: »Nie werde ich bereit sein, den Status eines Steuerzahlers zu überprüfen. Sonst hänge ich den Job an den Nagel«. 2012 musste er seine Bank unter Druck der US-Justiz verkaufen. Ihm wurde vorgeworfen, er decke Steuerhinterziehung. Hummler kam finanziell aber sehr gut aus der ganzen Geschichte heraus und gewann einige Klagen wegen Verleumdung, die er angestrengt hatte, und in diesem Jahr sagte er in einem Interview in der »Klassik-Extra«-Beilage der Weltwoche: »Ich bereue keinen Tag, an dem ich nicht mehr bei der Bank arbeite, obschon ich jene Aufgabe sehr gerne ausgeführt habe.« Für deutsche Ohren ist seine Verteidigung des Steuergeheimnisses eher ungewohnt …
VAN: Ist es wahr, dass Sie Steuerhinterziehung nicht so schlimm finden beziehungsweise bei Ihren Bankkunden früher in Kauf genommen haben?
Konrad Hummler: Nein. Ich bin ein klarer Vertreter des Rechtsstaates und dazu gehört die Steuerpflicht. Wovor ich aber immer gewarnt habe, ist, dass man die Mittelverwendung durch den Staat als moralisch unangreifbar anschaut und deshalb auch die Zubringung von Mitteln durch den Steuerzahler. Sicher, das ist eine Pflicht, aber vor der Moralität dieser Angelegenheit habe ich immer gewarnt, denn vergessen Sie nicht, mit Steuergeldern werden auch Kriege finanziert. Ich mag die Moralisten nicht!
Also, Sie meinen, man soll seine Steuern zahlen, aber wenn man es nicht tut, dann sollte der Staat es nicht bei der Bank aufspüren …
Auch hier liegen die Dinge etwas komplizierter. Im Grunde genommen geht es um eine einfache Rechtsfrage: Gilt das Steuerrecht am Ort der gelegenen Sache oder gilt das Steuerrecht des Domizils, wo jemand wohnt. Wenn das Steuerrecht am Ort der gelegenen Sache gilt, dann hat das Bankgeheimnis seine Berechtigung, dann wird der Nutzen beziehungsweise der Wert der Sache besteuert. Das war die schweizerische Rechtsauffassung. Die neue Rechtsauffassung ist: Nein, es gilt das Domizilprinzip. Das ist ein Paradigmenwechsel. Ich habe mich immer gegen das Domizilprinzip ausgesprochen.
Aber es ist einfach, sein Geld in die Schweiz zu schaffen …
In der Schweiz wurde über die Verrechnungssteuer das Steuerbetreffnis geleistet – nur nicht in Deutschland! Ich war ein vehementer Verfechter des Prinzips dieser Steuer – in Deutschland heißt sie Abgeltungssteuer – um das Prinzip am Ort der gelegenen Sache zu erhalten. Und ich stehe dazu, dass ich im moralischen Bereich meine Vorbehalte habe, nur ein Satz noch dazu: Wenn jemand in Uganda Steuern hinterzogen hat, dann war das ein Segen für die Menschheit …
Okay, zurück zu Ihnen: Was machen Sie, wenn das Bach’sche Vokalwerk im Jahr 2030 fertig ist?
Dann bin ich bald 80 Jahre alt, und dann ist aus meiner Sicht die Zeit da, dass man die wichtigen Aufgaben übergibt. Ich kann mir gut vorstellen, dass ich dann mit dem angesparten Kapital von vorhandenen Bach-Videos den Rest meines Lebens verbringe … (lacht). ¶
Die Aufführung und Aufnahme einer Bachkantate bei der Bachstiftung (Quelle: Bachstiftung)