In dieser Rubrik kommentieren wir in jeder Ausgabe eine Nachricht, die uns in der vergangenen Woche beschäftigt, betrübt oder erfreut hat.

Die GEMA verkündete am vergangenen Donnerstag stolz die Kooperation mit dem Berliner NFT Startup twelve x twelve. Zweck der Partnerschaft ist, dass GEMA-Mitglieder künftig zu vergünstigten Konditionen die Onlineplattform als »All-In-One-Lösung für die Erstellung und Vermarktung von geschützten digitalen Inhalten« nutzen zu können, um dort den Käufer:innen zum Beispiel Sammlerstücke mit dem fälschungssicheren Echtheitszertifikat eines Non-Fungible-Tokens (NFT) zu bieten. Den Komplex um das Krypto-Phänomen, das im letzten Sommer seinen großen Hype als angebliche »Revolution der Kunst« erlebte, hier nochmal erklärend aufzurollen wäre zu umfangreich, aber im Januar habe ich für VAN versucht, die in ihrem Dezentralismus libertär-ideologischen, ökologischen und nicht zuletzt auch künstlerischen Problemen und Gefahren des Themas auszuleuchten. GEMA-Vorstandsvorsitzender Dr. Harald Heker gibt sich natürlich enthusiastisch in der eigenen Ankündigung:

»Die Kooperation mit twelve x twelve ist für die GEMA ein wichtiger Schritt auf unserem Weg, fortlaufend digitale Technologien und Verwertungsmöglichkeiten für unsere Mitglieder zu prüfen und zu erschließen. NFT-Technologien haben das Potenzial, die Beziehung zwischen Musikschaffenden und ihren Fans neu zu definieren. Für uns als GEMA ist es wichtig, diese Entwicklung von Anfang an zu begleiten.«

Mit Jan Denecke hat twelve x twelve einen CEO, der zuvor 15 Jahre lang als Urheberrechtsanwalt tätig war – das stimmt etwas zuversichtlicher, die Tradition von Urheberrechtsverletzungen und Krypto ist nämlich eine lange. Die Plattform Hitpiece machte erst im Februar als wohl prominentester Betrug die Runde, wo Musik-NFTs zu horrenden Preisen vertickt wurden, deren Urheber überhaupt nichts damit zu tun hatten. Auch heute noch sollte bei den Tokens immer genau hingesehen werden, ob Anbieter:in und Rechteinhaber:in wirklich deckungsgleich sind. Auch muss man der Plattform zugute halten, dass sie mit der Polygon Blockchain auf eine Technologie setzen, für die durch CO2-Kompensation zumindest die verheerenden ökologischen Folgen der Blockchains ausgeklammert werden können. Ob dahinter wie so oft nicht doch nur Greenwashing steckt, wollen wir wohlwollend erst einmal ausschließen.

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Die GEMA bewirbt den Schritt eindeutig mehr mit Blick auf ihre Pop-Künstler:innen, richtet sich »an Singer-Songwriter, gleichermaßen an Newcomer und etablierte Musikschaffende«, bisherige Erfolgsträger bei twelve x twelve sind unter anderem der Rapper und neuerdings Firmengründer im weltoffenen Unternehmerland Dubai Haftbefehl, Rammstein-Frontmann Till Lindemann, das latent schwurblerische Hip-Hop-Duo Genetikk und – zu jedem Hype ein »Hyper Hyper!« – Scooter. Es verwundert auch nicht allzu sehr, dass die Verwertungsgesellschaft seine Mitglieder aus der E-Sparte hier ausklammert: Klassik als Verkörperung des bürgerlichen Establishments kann sich scheinbar nicht als sinnvolle Investition für die eher institutionsfeindlich-libertäre Kryptocommunity präsentieren, nennenswerte NFT-Erfolge für Künstler:innen blieben hier bisher – trotz beherzter Versuche – aus. Ironischerweise ist der meistbeworbene Vorteil von Musik-NFTs auch die automatische Gewinnverteilung auf alle Anteilseigner durch sogenannte Smart Contracts, eben im Gegensetz zur langsamen zentralistischen Bürokratie. Würde das Thema NFTs sichtatsächlich doch noch durchsetzen, bastelt die Verwertungsgesellschaft konsequent gedacht also an ihrem eigenen Sarg.

Um die Entwicklung »von Anfang an zu begleiten« springt die GEMA zudem auch reichlich spät auf den mittlerweile schon rostenden Kryptozug. Die letzten Monate markierten einen dramatischen Crash aller Kryptowährungen und damit auch des NFT-Markts. War in der für die Tokens wichtigsten Währung Ethereum 1 ETH zum Höhepunkt im November etwa 4.000 Euro wert, waren es ende Januar nur noch knapp 2.200, seitdem hat der Kurs sich nochmals halbiert. Die Kryptobörse Coinbase strauchelt massiv und streicht mit 1.100 Arbeitsplätzen fast ein Fünftel seiner Belegschaft, der Ausfall von Cloudflare, einem wichtigen Provider von Internetinfrastruktur, brachte im Juni die Transaktionen zum Einbrechen, und – weniger signifikant, aber eine nette Anekdote – die Neffen von Olaf Scholz meldeten kürzlich mit ihrer Kryptoplattform Insolvenz an. Der wichtigste NFT Marktplatz, OpenSea, verzeichnete Ende Juni ein massives Datenleck, außerdem verkündete Gründer Alex Atallah seinen Ausstieg aus dem Unternehmen. Diese Liste lässt sich nun ewig so fortführen – der Twitteraccount Crypto Bros Taking Ls dokumentiert beispielsweise seit Mai skurrile Geschichten des Kryptoscheiterns, von einem »crypto-themed« Restaurant in Los Angeles, das sich nun weigert, derartige Währungen anzunehmen, von Chevrolets erstem NFT, das – trotz nagelneuer Corvette inklusive – ganze null Gebote bekommt, oder Forenposts von Kryptojüngern, die mal Schadenfreude, mal Mitleid erwecken.

Doch der Kryptomarkt ist mehr Pyramidenschema als liberale Utopie, das beschworene Allheilmittel der Dezentralität offenbart sich mehr als Plutokratie, in der die Reichsten beinahe alles besitzen und mit ihren Handlungen den laufenden Crash weiter vorantreiben. Es trifft eben nicht die Großanleger, sondern die kleinen Spekulant:innen, die sich nur allzu leichtsinnig dem sektenähnlichen Kult anschlossen, bis die Blase platzte. Für diese sind die Folgen existenziell – in Las Vegas haben Hotelzimmer in der Regel aus gutem Grund keine Balkone, im Bitcoin-Subreddit dagegen wurden zuletzt Hinweise auf die Suizid-Hotline zur vermeintlichen Sicherung der Kursstabilität herauszensiert. Die GEMA täte gut daran, wirklich so am Zahn der Zeit zu sein, wie sie es vorzugeben scheint, und ihren Mitgliedern dringend abzuraten, Tickets für ein sinkendes Schiff zu buchen. ¶