Francesca Campana erblickte wohl um das Jahr 1615 herum in Rom das Licht der Welt. In diesem Jahr heiratete Ludwig XIII. die Habsburgerin Anna von Österreich (beide waren zu dem Zeitpunkt 14 Jahre alt), das Fort São Jorge da Mina, eine Festung an der Küste Ghanas in portugiesischem Besitz, wurde durch ein Erdbeben schwer beschädigt und Johannes Kepler formulierte eine später »Keplersche Fassregel« genannte Methode für eine Annäherung in der Berechnung von Integralen. Auf der Welt war also eine Menge los. Vermutlich auch in Francesca Campanas Leben, nur wissen wir davon fast gar nichts.

Von dem Hofcavalier Fulvius Testi aus Modena (1593–1646), der politisch verfolgt und angeklagt wurde, ist allerdings eine kleine Eloge auf Francesca Campana überliefert, nach der diese »eine brillante Sängerin, Spinettspielerin und Komponistin« gewesen sei. 1628 veröffentlichte Campana einen Notenband mit Arien für eine, zwei und drei Stimme(n), die einem Vertreter der berühmten norditalienischen Gonzaga-Familie, aus der diverse einflussreiche Grafen, Markgrafen und Herzöge von Mantua stammten, zugeignet war.

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1629 erschienen dann noch zwei weitere Werke aus Campanas Feder im Druck: eine weitere Solo-Vokalkomposition und ein (leider verloren gegangenes) Madrigal für zwei Stimmen. Die Druckerei, in der die Kompositionen publiziert wurden, erfreute sich großer Beliebtheit, weswegen man darauf schließen kann, dass es sich auch bei Campanas Arbeiten einst um wahre Erfolgsstücke gehandelt haben dürfte.

1633 heiratete Campana einen Bruder des berühmten Komponisten, Lautenisten, Sängers und Organisten Luigi Rossi (ca. 1598–1653). Sie starb 1665 und dürfte demnach ungefähr 50 Jahre alt geworden sein.


Francesca Campana (ca. 1615–1665)
Semplicetto Augellin che mentre canti (1629)

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Campanas Semplicetto Augellin che mentre canti stammt aus der besagten Vokalkompositionssammlung: Arie a una, due e tre voci (Rom 1629). Das herrliche Stück erinnert berührend an so manche intime Liebesklagearie Monteverdis. Diese Stille, dieser absolute Fokus auf das innere Gefühl! Zugleich fabuliert die große Sängerin Francesca Campana als Komponistin eine Ode an das Singen selbst. Das Singen als Akt wird dabei mit allerlei Charaktereigenschaften des Sängers beziehungsweise der oder des Besungenen versehen. Es geht um Stolz und Ruhm – und, freilich, um Liebe! Nach anfänglich einfachem Erzählen in regelmäßigen Notenwerten hören wir kleine, süß-schmerzliche Vertreterchen des lombardischen Rhythmus’, also einige nicht-auftaktige Kurz-Lang-Klagelaute. Doch dabei bleibt es nicht, denn das wäre langweilig. Stattdessen ertönen im Gesang – der von einfachsten Grundtönen begleitet wird – schnell ab- und ansteigende Skalenausschnitte; virtuos wird also diese wunderschön-expressive Arie vom Inneren her aufgerieben! Wahre Ausdrucksmusik aus dem ersten Drittel des 17. Jahrhunderts! ¶

... ist Konzertveranstalter, Moderator, Komponist und Pianist. Er gestaltet innovative Konzertformate, arbeitet als Musik-Satiriker, schreibt Stücke für Solist:innen und Ensembles und Texte für VAN, die Wiener Philharmoniker, die New York Philharmonics und die Bamberger Symphoniker. 2019 war er als Schauspieler an der Volksbühne zu erleben.

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