Die Komponistin Beatriz Ferreyra wurde am 21. Juni 1937 im argentinischen Cordoba geboren. Zunächst studierte sie Klavier in Buenos Aires, bevor sie mit 18 Jahren ihr Elternhaus in endgültig verließ, in Richtung USA, um bei bekannten Lehrer*innen wie Earle Brown (New York), Nadia Boulanger (Paris) und György Ligeti Komposition zu studieren. Mit Studentenjobs musste sich Ferreyra lange mühsam über Wasser halten und ebenso lange interessierte sich die Hochbegabte gleichermaßen für Bildende Kunst und für Musik. Das Studium bei Nadia Boulanger schließlich führte zu der endgültigen Entscheidung, eine Musikerinnenlaufbahn einzuschlagen. Boulanger, so liest man, forderte nicht zuletzt die totale Hingabe und den größten Ernst bei der Beschäftigung mit Musik von Ferreyra.

1963 erlebte Ferreyra eine Performance der legendären »Groupe des Recherches Musicales«, dem Ensemble eines höchst avantgardistisch ambitionierten Instituts zur Erforschung aller zum Feld der elektroakustischen Musik gehörenden Phänomene in Paris, an dem für die damaligen Verhältnisse viele weibliche Schaffende wirkten. Dieses Institut war beim französischen Rundfunk ORTF angesiedelt und wurde maßgeblich geprägt durch den mindestens ebenso legendären Komponisten Pierre Schaeffer (1910–1995), der den von Helmut Lachenmann und anderen später weitergetragenen Begriff der »Musique concrète« erfand, welcher auf eine Musik abzielte, die das Konkrete als Musik unserer Lebenswelt (Alltagsgeräusche, Geräusche der Instrumente und so weiter) auffangen, abstrahieren, verfremden und in ein Neues überführen wollte.

Ferreyra begann, im von Schaeffer geleiteten Studio in Paris aus Tonbandschnipseln erste Werke zu erarbeiten und durfte auch bald selbst dort unterrichten.

Beatriz Ferreyra (* 1937)Canto Del Loco (1998)

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Beatriz Ferreyra komponierte neben zahlreichen elektronischen Stücken, die schlichtweg mit entsprechend eingerichteter Tontechnik in normalen Konzertsälen erklingt, Werke für Ballettkompagnien, Filmschaffende und darüber hinaus sogar Konzepte für musiktherapeutische Zwecke.

Ferreyra nimmt die Philosophie der Musique concrète bis heute ernst und bedient sich offen aller zugänglichen Klänge des menschlichen Lebens: der Natur, Klängen von existierenden und nicht existierenden Völkern, Landschaften und Räumen. Sie ediert Samples, stellt diese teilweise selbst her oder remixt sie in elektronischer Verfremdung zu etwas Anderem.

Canto Del Loco (Gesang des Verrückten) ist (mit einem »El« davorgesetzt) nicht nur eine spanische Pop-Punk-Band, sondern auch der Titel einer 1998 entstandenen elektronischen Komposition Ferreyras. Undurchsichtig rauschend switcht das Stück langsam näherkommend auf uns zu. Ein Heulen, Quietschen, Vogelsingen gerät dabei ins Hörfeld, während knautschige Elektronik-Kröten wie ein Horror-Chor poly- und homophon zugleich auf uns einknötern; als ob der Chor der Splatter-Amphibien uns dringliche Warnungen mitzugeben sich antreiben müsste.

Im hypnotischen Kreisel versumpfen die Krötenstimmen nach etwa zweieinhalb Minuten – und es bleiben kinderstimmenähnliche Hilfeschreie übrig. Nun wird das Tempo streng angezogen; ein künstliches Quieken und Reiben übt Druck aus – und versickert erneut. Lustige Hinterfragungen von alledem folgen – und man erinnert sich an den Humor der elektronischen Kompositionen von Ferreyras einstigem Lehrer György Ligeti, wobei Ferreyras Stück fast »clubtauglich« erscheint; das Wummern des Beginns ist zwar nicht wirklich tanzbar, dockt aber durch den »Willen zum Beat« irgendwie an die Ansprüche moderner Electro-Musik an. Richtig interessant. ¶

... ist Konzertveranstalter, Moderator, Komponist und Pianist. Er gestaltet innovative Konzertformate, arbeitet als Musik-Satiriker, schreibt Stücke für Solist:innen und Ensembles und Texte für VAN, die Wiener Philharmoniker, die New York Philharmonics und die Bamberger Symphoniker. 2019 war er als Schauspieler an der Volksbühne zu erleben.