Frauen-Quoten und das Musikleben. Die Rechte und die Linke diskutieren.

Text · Skulptur und Bilder © Anne Busch · Datum 10.5.2017

Brauchen wir Frauen-Quoten oder eine Frauenmusikplattform? In der österreichischen Politik ist das Thema gerade in Anwesenheit des zuständigen Ministers diskutiert worden. Die Quintessenz in Kürze: Eine gleichberechtigte Beteiligung der Frauen im Musikleben würde nicht nur eine Bereicherung sein, sie würde das Musikleben ordentlich durcheinanderwirbeln: neue Formate, mehr Improvisation, mehr Musik der Gegenwart – das enthebt die Veranstalter aber nicht der Pflicht, auch das feministische Musikschaffen der Vergangenheiten zu entdecken, zu »er-kennen«, als substantiellen Beitrag zur Musikgeschichte. Vielleicht geht es ums Vermissen-Lernen. Wir stellen uns eine Szene vor, :

Mit einem Stoß Prospekte der Jahresplanung der Wiener Konzerthäuser und der österreichischen Festivals in der Hand, treffen sich die . Die Linke – Gründerin eines Netzwerks für Strom-Improvisation und die Rechte – Vizepräsidentin des Damenclubs der Komponistengattinnen – diskutieren.

Die Linke (nach dem Durchblättern der Prospekte):

Es geht nicht mehr so weiter!

In jeder anderen Kunstsparte gibt es Quoten, sogar die Filmförderung hat nun ihre finanziellen Zusagen für Produktionen an einen Frauenanteil gebunden. Eine Studie aus 2008 kommt für Österreich zu diesen Erkenntnissen: Der Frauenanteil unter den Kunstschaffenden beträgt 46,1 Prozent, in der Musik aber nur 26,1 Prozent.

Die Rechte:

Die Frauen können halt nicht komponieren. Ich hab erst kürzlich die Landesschulratsvorständin gefragt, ob sie eine Komponistin kennt.

Die Linke:

Und kennt sie eine?

Die Rechte:

Olga Neuwirth.

Die Linke:

Gute Antwort, wenn sie auch nicht die einzige ist.

Die Rechte:

Gerade Olga Neuwirth sagt immer wieder, sie sei die einzige …

Die Linke:

Glücklicherweise sagt sie manchmal auch, wie dankbar sie ihrer Klavierlehrerin, der Komponistin Luna Alcalay, ist.

Die Rechte:

Dann setzen sich ja ohnedies Frauen durch … mein Mann sagt immer, Adele schafft´s ja auch und gewinnt ihre Grammys.

Die Linke:

… wenn Ihr Mann wüsste, wie viele Frauen als Musikschaffende untergehen. Elfriede Jelinek …

Die Rechte:

… die Dichterin und Nobel-Preis-Gewinnerin. Mein Mann sagt immer …

Die Linke:

Und was sagen Sie?

Jelinek hat komponiert, ein paar ihrer Lieder sind erhalten, aber in den 1950er Jahren hat es kaum eine Frau in Österreich geschafft, als Komponistin zu leben. Jelinek hat aufgegeben. Sie ist Dichterin geworden. Das passt zur Statistik:

Die Musik hat den niedrigsten Frauenanteil von allen Kunstsparten. In der bildenden Kunst beträgt der Anteil 51 Prozent, in der darstellenden Kunst 52 Prozent, in der Literatur 46 Prozent, im Film 36 Prozent.

Die Rechte:

Aber mit Gesetzen lässt sich das nicht ändern, es gibt halt weniger Komponistinnen. Das wird sich schon von selber ausgleichen. Immerhin sind ja schon fast zwei Drittel der Musikschüler*innen weiblich!

Die Linke:

Von selber geht gar nichts, auch in den Kompositionsklassen ist schon ein hoher Frauenanteil, und trotzdem: Schauen Sie, wie viele Orchesterwerke von Frauen in den Abonnement-Zyklen aufgeführt werden.

Die Rechte:

Die Zeit wird das schon richten. Gemäß der Musikdatenbank des Musikinformationszentrums Austria ist der Frauenanteil unter den kompositorisch Schaffenden im Bereich Neue Musik und Jazz auf mittlerweile 18 Prozent beziehungsweise 201 Frauen gestiegen. Derzeit studieren bereits 32 Prozent Frauen. Die Frauen sind auf dem Vormarsch, schon die Generation meiner Tochter wird es leichter haben; wie sagte unlängst eine pensionierte Kollegin: Jetzt wäre sie gern noch einmal jung in unserem Unternehmen, weil es die Frauen jetzt soviel leichter hätten … Na, sehen Sie, sagt mein Mann, wenn man heute keine Frau ist, hat man ja keine Chance.

Jetzt twittern: Mehr Frauen im Musikleben – ein fiktiver Dialog aus Österreich in @vanmusik: https://www.van-magazin.de/mag/suchy-frauenquote

Die Linke:

Der Gegenwind ist stark: Der Wiener Stadtrat für Kultur hat kürzlich öffentlich bekannt gegeben, wie viele Männer sich nun schon darüber beschwerten, dass die Filmförderung an Quoten gebunden sei. Es ginge doch um Qualität und nicht um das Geschlecht.

Die Rechte:

Da haben sie doch recht, die Männer. Mein Mann fordert längst, die Prämien an Konzertveranstalter für die Aufführung von Werken lebender österreichischer Komponistinnen auszusetzen. Er zeigt mir immer die Partituren von Komponistinnen, die jetzt aufgeführt werden, einzig aus dem Grund, weil sie Frauen seien – wie simpel und kindisch sie komponiert seien, wie viele bessere Kompositionen von Männern es gäbe, die jetzt nicht aufgeführt werden.

Die Linke:

Spielt da nicht viel Neid mit? Bei diesen angeblichen Qualitätsdiskussionen? Wie viele Männer wurden schon aufgeführt, nicht weil ihre Werke so gut sind, sondern weil ihre Funktionen attraktiv für das Orchester oder für das Opernhaus waren: Wie viele Werke von Generalsekretären und Orchesterintendanten, von Präsidenten und Verlegern sind gespielt worden, weil deren Name Glanz und wohl noch anderes Glänzendes brachte?

Die Rechte:

Schon möglich, aber wenn jetzt die Frauen so exzessiv gefördert werden, ist ja absehbar: Das Pendel wird noch in die Gegenrichtung ausschlagen. Mein Sohn hat die fünfte Absage bekommen, und immer ist statt seiner eine Frau genommen worden, das werden sich die Männer auf die Dauer nicht gefallen lassen.

Die Linke:

Es fehlen die Role-Models in Österreich: Zu wenig Dirigentinnen in Konzerten, zu wenig Dirigentinnen als Professorinnen, keine einzige Dirigierprofessur für eine Frau an den österreichischen Musikuniversitäten, vielleicht sollte man Dirigierunterricht an Musikschulen einführen, wo ja 62 Prozent Mädchen lernen.

Es gibt Gastländer, die darauf bestehen, dass die Orchester mehr Frauen bei ihren Gastspielen integrieren. Die Wiener Philharmoniker haben eine Konzertmeisterin und zwei Konzertmeister, sowie elf weitere Musikerinnen – unter insgesamt 138 Orchestermitgliedern. Sie nehmen überhaupt erst seit 19 Jahren Frauen auf.

Jedoch: Es ist unser aller Steuergeld. Ich fordere Gender Budgeting für das Musikleben, für eine Konzertreihe, für die Vergabe von Kompositionsaufträgen, die ja oft überhaupt nicht bezahlt werden!

Es gibt eine einzige kontinuierliche Konzertreihe mit Kompositionen von Frauen und zwar Frauenstimmen in Salzburg. Alle Versuche, Frauenmusikfestivals zu veranstalten, bleiben Einzel-Events, die Frauen geben wieder auf, wenn die Selbstausbeutung unerträglich wird.

Die Rechte:

Aber wie ist das in der Popmusik – Adele, Madonna …?

Die Linke:

In Österreich liegt der Frauenanteil in der Populärmusik bei 10 Prozent. Es gibt 648 reine Frauenbands, und 8.166 reine Männerbands.

Die Rechte:

Wenn das Publikum weniger gern Frauen hört …

Die Linke:

Gender und Genre haben viel miteinander zu tun; Frauen sind im Blues-Rock zu finden, viel weniger in den Bereichen World Music, Folk, Ethno, Alternative, Pop, Indie Rock, Electronic, Experimental E-Music. In dem Bereich gibt es auch Frauennetzwerke, Electric Indigo hat schon 1998 female pressure begründet.

Wenn Quoten für Gremien gefordert werden, wie bei den Rektoraten der Universitäten, gelangen Frauen in Führungspositionen und die Welt geht auch nicht unter.

Die Rechte:

Dass es auf einer Ebene geht, heißt nicht, dass die Frauen das überall und in anderen Bereichen können. Noch hat Österreich kein Gesetz, dass Aufsichtsräte zu Gender-Quoten verpflichtet – glücklicher Weise.

Die Linke:

Wie soll’s weitergehen ohne gesetzliche verankerte Quoten?

Laut dem seit 2005 jährlich von der Arbeiterkammer Wien durchgeführten Frauen.Management.Report lag der Frauenanteil 2015 in den Geschäftsführungen der Top-notierten österreichischen Unternehmen bei nicht einmal 6 Prozent, bei den Aufsichtsräten bei 16 Prozent.

Die Rechte:

Die Zeit ist noch nicht reif für solche Gesetze in Österreich.

Erinnern Sie sich, wie sehr geschmäht die Kunstauktionen ausschließlich weiblicher Kunstwerke von Otto Hans Ressler wurden?

Die Linke:

Ja, das war originell, wenn er nur Werke von Männern versteigert, stört das niemanden und keine.

Die Rechte:

Wenn meine Tochter als Musikerin gleiche Chancen haben will, was wäre also zu tun?

Die Linke:

Gender Budgeting ist ein Anfang, und auch: die Analyse sämtlicher Parameter (des Ausschlusses) – von Förderungskriterien über Altersgrenzen bis zu Jury- Besetzungen. All das ist zu hinterfragen.

Die Rechte:

Gibt es eine weibliche Musik, wie sie Georg Friedrich Haas an Feldman erkennt?

Die Linke:

Selbstverständlich nicht, endlich hat die Sprache der Musiktheorie weibliche Schlüsse und weibliche Themen als Begriffe überwunden.

Aber es gibt einen Schatz des weiblichen Musikschaffens aus den vergangenen Jahrhunderten, der mir abgeht;

Die Rechte:

Warum fordern Sie gerade jetzt Frauenquoten?

Die Linke:

Ist die Frauenmusikwelt nicht ein Spiegel der großen Welt? ¶