Bestes Konzert, größter Aufruhr, interne Querelen, interne Freuden. Der VAN-Steckbrief, 3. Folge: Das Stegreif Orchester.
Stegreif mag es pur: Ohne Noten, ohne Dirigent*in, ohne Stühle, dafür mit Blickkontakt – untereinander, zum Publikum – und mit Raum für Bewegung. Im Zentrum der Konzerte steht jeweils eine Sinfonie, die im Stegreif-Sprech »befreit« wird – mit den vorhandenen Themen wird improvisiert, manchmal klingt auch die Begeisterung der Musiker*innen für Jazz, Folk oder Techno durch. Bisher spielte das Kammerorchester mit Beethoven und Schubert (eine Aufführung von #freeschubert steigt am 9. Oktober in Potsdam), im April 2018 kommt dann #freebrahms. In Bewegung ist der Stegreif-Klangkörper seit ziemlich genau zwei Jahren – natürlich viel unterwegs, aber mit der Homebase in Berlin. Hier halten sie kurz inne, um zu erklären, was sie antreibt.

Skalen
Wie extravagant seid ihr?
Wir gehen weiter

Elphi-Faktor: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, euch in der Elbphilharmonie zu hören?
Im Sommer 2018 wird es soweit sein

Ganz konkret
Welche Marketingfloskel wollt ihr nie über euch lesen?
Irgendwas mit »Crossover«.
Was war euer bestes Konzert bisher? Warum?
Ein selbstorganisiertes Konzert an einem unbekannten Ort, mit Menschen, die normalerweise nur Techno hören. Der Moment, die Interaktion, die Freiheit, war noch nie so groß. Und zwar auf beiden Seiten.

Wenn ihr ein Fußballverein wärt, welcher wäre es?
Die isländische Nationalmannschaft.
Was war euer schlechtestes Konzert bisher? Warum?
Es gibt kein schlecht. Nur ein anders oder unbefriedigend. Und unbefriedigend sind die Konzerte, in denen man nicht mehr die nötige Kraft hat, alles im Moment zu erschaffen und 100% auf das Publikum eingehen zu können. Durch eine zu lange Generalprobe fehlte uns einst die Energie für das Konzert.
Wenn es euch in fünf Jahren nicht mehr gibt, woran liegt es?
Keine staatliche Subvention.

Ohne welche nicht-musikalische Qualität (bzw. Interesse) wird es hart in eurem Orchester?
Körperarbeit, Achtsamkeit und Stille.
Was ist eure aktuelle inoffizielle Hymne?
In welcher Zeit / an welchem Ort würde euer Orchester auch noch gut funktionieren?
Gebt uns eine Zeit und einen Ort. Es wird der richtige sein.

Welches sind eure drei Lieblingsorte, außerhalb des Konzertsaals?
Bus. Meer. Kreativort mit Verpflegung für die ganze Mannschaft.
Welches ist der am häufigsten genannte zukünftige Traumjob eurer Mitglieder?
STEGREIF.orchester als Beruf, von dem man leben kann.
FCK PRBSPL? Wie wird man Mitglied bei euch?
Authentisch und interdisziplinär Musik machen! Dann findet euch STEGREIF schon!
… ansonsten schreibt ne Mail, ein Jam ist immer mal drin! Nur so können die ersten Beschnupperungs-Vibes entstehen.
Welches war das krasseste Publikum, vor dem ihr je gespielt habt, der größte Aufruhr, Eurer Rite-of-Spring-Moment?
Das erwähnte Techno Publikum. Manche schliefen, manche saßen, manche tanzten, manche lachten, manche weinten. Und das alles zu Schubert. Es wurde ein Raum geschaffen, in dem man sich so verhalten konnte, wie man es in diesem Moment fühlte.
Wie sieht euer typischer Hörer / eure typische Hörerin aus?
Geschlecht: unisex, 30 Jahre alt, Single, Installationskünstler*in, wohnhaft in Berlin, lebt auf das Nötigste beschränkt, ist viel unterwegs, Individualist*in, inspirierend, ehrgeizig, zukunftsorientiert, hat Gefühl für Zeitgeist, spontan, kann Kajak fahren.

Welches Stück würdet ihr nie spielen?
Keins. Selbst wenn es nur zwei schöne Takte gibt, werden wir etwas daraus schustern…
Welches Stück habt ihr nicht auf die Reihe gekriegt?
Wenn man mit »auf die Reihe kriegen« meint, dem Komponisten in seiner Intention treu zu bleiben oder gerecht zu werden, könnten wir beispielweise rückblickend sagen, dass wir in unserer zweiten Produktion mit #freeschubert Schubert mehr gerecht geworden sind, als wie wir es bei der ersten Produktion mit #freebeethoven gegenüber Beethoven waren.

Unendlich Geld, unendlich Zeit – welches Education-Projekt würdet ihr machen?
Eine Youtube.Academy. Immer mehr Leute lernen Sachen über’s Internet. Was da angeboten wird, sollte dann aber so gut sein, dass es die Menschen nicht verblöden lässt. Musik und Internet haben eine Macht. Die kann positiv genutzt werden. Und das obendrein mit einem traditionsbewussten Hinterfragen und einem Konzept für eine mögliche Zukunft für das zurückkehrende freie Spiel in der Klassischen Musik. ¶