VAN-Playlist zum Hören
Marcus Rudolf Axt

Marcus Rudolf Axt ist Intendant der Bamberger Symphoniker.


J.S. Bach: Matthäuspassion / Erbarme Dich; Berliner Philharmoniker, Simon Rattle (Dirigent), Magdalena Kožená (Mezzosopran); 2010

In Salzburg, in der Generalprobe der phänomenalen Inszenierung der Matthäuspassion von Peter Sellars mit den Berliner Philharmonikern, während Magdalena Kožená diese unglaubliche Arie sang, kam eine SMS von meiner Frau aus der Klinik, in den Wehen mit unserem ersten Kind, drei Wochen zu früh. Also einen Wagen gemietet und nachts bei Vollmond durch Regen und Gewitter nach Berlin gefahren, sechs Stunden lang Magdalenas Erbarme Dich im Ohr… ich kam zur rechten Zeit und konnte das kleine Mädchen nachts um halb vier in den Armen halten. Was für eine Nacht!


Robert Schumann: Klavierquartett op. 47, Andante cantabile;
Juilliard String Quartet, Glenn Gould (Klavier)

Eigentlich ein Quartett für Streichtrio, Klavier und mitsummenden Pianisten … wenn also Glenn Gould in dieser legendären Aufnahme in den Part der Kollegen vom Juilliard Quartet hineinsummt, wundert man sich nicht, wieso es bei dieser Aufnahme zum Zerwürfnis zwischen den Musikern kam – aber man wundert sich, wie sie trotzdem so eine hochromantische Interpretation auf Vinyl bannen konnten.


Gustav Mahler: 2. Sinfonie, IV. Urlicht, sehr feierlich aber schlicht. Nicht schleppend;
Bamberger Symphoniker, Jonathan Nott (Dirigent)

Vielleicht das schönste Objekt meiner Mahler-Obsession, die schon zu Studienzeiten begonnen hat. Die Zweite von Mahler war immer Teil des österlichen Rituals, ob alleine über Kopfhörer oder mit Freunden und Familie im Wohnzimmer. Gelegentlich darf ich sie auch live erleben, mit dem Mahler-Orchester par excellence!


Nikolai Andrejewitsch Rimski-Korsakow: Die Legende von der unsichtbaren Stadt Kitesch, Bassarie aus dem III. Akt, O slava, bogatstvo suetnoe!; Kirov Orchestra, Walery Gergiew (Dirigent)

Bei diesem Stück habe ich bei Harry Kupfer gelernt, was Oper inszenieren bedeutet. Wie man Menschen – Sänger, ganze Chöre – überzeugt, das zu machen, was man künstlerisch ausdrücken möchte. Wie man trotzdem den Respekt vor dem Menschen bewahrt. Eine Schlüsselszene war diese Arie, unbekannt aber unendlich schön … und tief. Was so ein Baß alles ausdrücken kann!


Lodovico Einaudi: Melodia africana 1;
Album: La Scala 03.03.03

Ein wunderbares Beispiel dafür, daß zwischen E-Musik und U-Musik eine Unschärfe besteht und manches sich kaum dem einen oder anderen zuordnen lässt. Irgendwie ist das Jazz, aber auch so präzise komponiert, dass es eine Tiefe gewinnt, die darüber hinausgeht. Und der Klang eines direkt aufgenommenen Fabbrini-Flügels zeigt hier eine Vielfalt an Obertönen, die süchtig macht nach raumhohen Lautsprechern und Röhrenverstärker und allem anderen, was diesen Klang so groß und nah bringt, wie es überhaupt nur möglich ist…


Robert Schumann, Mondnacht,
Christian Gerhaher (Bariton), Gerold Huber (Klavier)

Das perfekte Lied in einer perfekten Interpretation. Wie Schumann es schafft, die Mehrdeutigkeit des Textes durch kleinste Modulationen in der Melodie oder im Rhythmus abzubilden, wie er am Ende das Lied selbst in den Himmel fliegen lässt, das ist unerreicht.


Dmitri Schostakowitsch, Walzer Nr. 2 aus der 2. Jazz-Suite,
Concertgebouworkest Amsterdam, Riccardo Chailly (Dirigent)

Das ist unser Hochzeitswalzer! Zu dieser Musik habe ich mit meiner frisch angetrauten Frau in einem alten Schloss am Rhein getanzt, natürlich Kubricks Eyes Wide Shut im Kopf, aber auch in Vorfreude auf Flitterwochen in Italien …


Claudio Baglioni: … E ci sei tu

Ein Dokument aus einer längst vergangenen Zeit, als Popmusik noch sentimental sein durfte und dabei durchaus anspruchsvoll mit perfekt formulierten Texten, die mehr andeuteten als sie verrieten. Claudio Baglioni entdeckte ich während eines Erasmus-Studienjahrs in Bologna, damals, als Bologna noch rot und wild und frei war.


J.S. Bach: Partita Nr. 2 für Violine solo, Ciaccona,
Gidon Kremer (Geige)

Noch eine Zugabe? Wenn Bach erklingt, schweigt die Welt – schon Mauricio Kagel sagte ja bekanntlich, dass zwar nicht alle Musiker an G
ott glauben, aber an Bach glauben sie alle. Also hier eine Zugabe, die jeden Rahmen sprengt, in der Länge, in der Welt, die sie ausschreitet, und in der phänomenalen Technik, mit der Bach auf die Geige Polyphonie entstehen lässt …

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