Serena Malcangi

»Am Abend bei der Vorstellung ist mein Arbeitsplatz das Kästchen unter der Bühne, kühlschrankgroß. Manche Regisseure wollen keinen Souffleurkasten und schlagen vor, dass man – wenn überhaupt – von der Seitenbühne aus souffliert. Aber von dort aus hören und sehen die Sänger die Souffleuse nicht gut. In der Souffliermuschel ist die Akustik optimal; sie funktioniert wie ein Trichter und leitet die Stimme zu den Sängern auf die Bühne, und das Publikum bemerkt die Souffleuse nicht. Ich glaube, dass diese Art von Arbeit verborgen bleiben muss! Alles andere wäre Verrat an der Welt, die wir zusammen schaffen wollen.
Der Liebe wegen bin ich aus Italien nach Berlin gezogen – und geblieben. Berlin ist vielleicht nicht die schönste Stadt, aber sie ist lebhaft und interessant; ich lebe gerne hier. Zunächst habe ich als Sprachtrainerin für Opernsänger angefangen, in der Deutschen Oper unter Giuseppe Sinopoli, später auch in der Lindenoper. Daniel Barenboim will, dass die Sprachtrainerin auch souffliert. Sie kennt die Sänger und weiß, wo sie Schwierigkeiten haben könnten.
»Ich glaube, dass diese Art von Arbeit verborgen bleiben muss! Alles andere wäre Verrat an der Welt, die wir zusammen schaffen wollen.«
Ich liebe das Theater, die Musik, die Sänger. Ich habe großen Respekt vor ihnen. Sie stehen jeden Abend live auf der Bühne, geschminkt, mit Kostümen, die manchmal sehr schwer und aufwendig sind, und sie singen sehr oft in einer Sprache, die nicht ihre ist. Stellen Sie sich vor, sie müssten vor Publikum singen, und das auf Chinesisch, dann ahnen Sie, was ein Sänger leistet!
Wenn ein Unfall passiert, ist es schon zu spät. Im Sprechtheater könnten die Schauspieler bei einem Hänger auch improvisieren; ein Souffleur, die Kollegen können helfen. In der Oper geht die Musik erbarmungslos weiter. Manchmal reicht eine kleine Ablenkung vom Kostüm, aus dem Publikum oder durch das Licht, und der Sänger fliegt aus dem Text … Deshalb muss ich die Sätze antizipieren, nicht zu spät, aber auch nicht zu früh, das bringt sie durcheinander. Ich bin die ganze Oper hindurch höchst aufmerksam. Auch wenn die Sänger sehr gut sind und mich wahrscheinlich nicht brauchen, kann ich ihnen Sicherheit geben, wenn ich im Kasten sitze. Die Sicherheit, mit der sie fliegen können.«
Orlando Körner

»Ich habe sehr gerne auf der Bühne gestanden, zehn Jahre in der DDR, elf Jahre in der Bundesrepublik. Das ist überdurchschnittlich lang für einen Tänzer. Ich war so gut wie nie krank, nie verletzt. In einem Jahr war ich sogar der Tänzer mit den meisten Vorstellungen auf der Bühne. Aber mit 40 war auch bei mir Schluss. Wenn man mindestens 15 Jahre fest an einem Theater getanzt hat, hat man das Recht auf Weiterbeschäftigung.
»Es hat sechs Jahre gedauert, bis ich nicht mehr gedacht habe, dass ich eigentlich Tänzer bin.«
Ich hätte an der Staatsoper Garderobier werden können, sie hätten mich zum Schneider ausgebildet. Aber dann hätte ich aus meinen eigenen Kostümen von Schwanensee den Namen raustrennen müssen. Dann hätte ich mein eigenes Kostüm ändern und es meinem Nachfolger in meine Garderobe geben müssen. Und wenn es dann heißt ›In zehn Minuten alle Tänzer auf die Bühne‹, dürfte ich nicht losrennen. Das wären Nadelstiche. Das täte mir zu doll weh. Es hat sechs Jahre gedauert, bis ich nicht mehr gedacht habe, dass ich eigentlich Tänzer bin. Hier habe ich mit Musikern zu tun. Das ist etwas anderes.«
Martin Jerabek

»Ich gewann während meiner Schulzeit ein paar Preise bei Klavierspielwettbewerben, aber selbst wenn man Wettbewerbe gespielt hat, heißt das noch lange nicht, dass man Pianist wird.«
»Nach dem Abitur wollte ich trotzdem etwas Praktisches machen und bin bei Steinway als Klavierstimmer reingerutscht. Man braucht dafür ein gutes Gehör, handwerkliches Geschick und vor allem Kommunkationstalent, um zu verstehen, welche Wünsche die Künstler haben und was dahinter steckt, um sie umsetzen zu können. Häufig höre ich den Wunsch, die Spielart zu verändern, dass es also etwas leichter geht oder etwas schneller repetiert; so funktionieren die Triller besser. Oder dass man eine etwas tiefere Spielart einrichtet, damit die Töne besser artikuliert werden können. Kürzlich gab es Aufnahmen mit technisch sehr anspruchsvoller Literatur, Werke von Liszt. Da sollte ich die Mechanik schneller machen. Aber den Künstler verrate ich nicht, Namen nenne ich prinzipiell keine.«
Janine Wildhage

»Manche meiner Kollegen schreiben sich die Namen ihrer prominenten Kunden auf die Website oder hängen Sie sich in den Verkaufsraum. Das ist Typsache; ich mache das nicht so gern. Ob das daran liegt, dass ich als eine der wenigen Frauen in meiner Branche eine eigene Werkstatt habe? Kann ich nicht sagen, es ist auch eine Vertrauenssache. Ich möchte, dass die Musiker kommen, weil sie meine Arbeit überzeugt. Gerade habe ich eine Galliano-Geige in der Hand, mit der die Besitzerin sehr zufrieden ist, da erneuere ich nur den Steg. Häufig muss ich Klangeinstellungen verändern, da gibt es unglaublich viele Möglichkeiten, auch ohne direkt in den Corpus einzugreifen. Der Steg etwa, über den die Saiten laufen, hat eine große Auswirkung auf den Klang. Oder im Corpus die Stimme, also der Stimmstock aus Fichte, der zwischen Decke und Boden steht, den kann ich bewegen und damit den Klang verändern. Man kann nicht hundertprozentig vorhersehen, wie der Klang sich verändert.
»Ich finde es auch ganz schön, dass man nicht genau beweisen kann, wie eine Geige zu sein hat. Dass es einen Bereich gibt, der außerhalb unserer Kontrolle liegt.«
Man hat die Erfahrung, man steuert ungefähr, wo es hingehen soll – aber es bleibt immer ein Teil Überraschung. Ich finde es auch ganz schön, dass man nicht genau beweisen kann, wie eine Geige zu sein hat. Dass es einen Bereich gibt, der außerhalb unserer Kontrolle liegt. Es ist eben immer schwer, Schönheit zu beschreiben, so wie wenn man die Schönheit eines Menschen zu beschreiben versucht.«
Lionel Freuchet

»Früher hieß der Orchesterwart ›Orchesterdiener‹. Er bringt Notenständer, Stühle, die großen Instrumente auf die Bühne, die Kontrabässe, Pauken, großen Trommeln, Vibraphone, Glockenspiele und so weiter. Er versucht, alle technischen Schwierigkeiten hinter und auf der Bühne zu beseitigen, damit sich der Dirigent, die Solisten und die Orchestermusiker auf ihre Kunst konzentrieren können. Wenn die Technik stimmt, ist sie unauffällig.
»Manchmal vergleiche ich uns Orchesterwarte mit den Assistenten des Bunraku – wenn die Technik stimmt, ist sie unauffällig.«
Manchmal vergleiche ich uns Orchesterwarte mit den Assistenten des Bunraku, des japanischen Puppentheaters. Drei Spieler führen die Marionetten: der Meister den Kopf und die rechte Hand, die beiden Assitenten die Füße und die linke Hand. Sie sind komplett in Schwarz gekleidet und verschleiern, anders als der Meister, ihre Gesichter. Das Publikum soll sie nicht wahrnehmen. Sie sind die Kuro-Ko – Kuro heißt schwarz, ko steht für Mann.