Musik für Geigen-Geeks
Der Geiger Ilya Gringolts ist busy – 10 Konzerte spielt er allein in diesem September, unter anderem die Capricen von Paganini und Sciarrino beim Musikfest Berlin (am Sonntagmorgen des 3. September im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie; außerdem mit seinem Streichquartett Quatuor Gringolts in Lausanne, bevor er über eine Japantour in wechselnder Besetzung Ende September wieder in Duisburg landet, danach Italien, Finnland). Trotz mieser Internetverbindung auf Reisen hat er für VAN sein Violinen-Best-of zusammengestellt – für Geigen-Geeks und solche, die es werden wollen.
Das ist meine erste Playlist und die Auswahl ist mir sehr schwergefallen – ich bin kein Fan davon, einzelne Performances herauszupicken (wenn ich nur dran denke, wie viele es dann nicht in die Auswahl schaffen!). Ich musste wirklich streng mit mir sein … Und das ist dabei herausgekommen:
1. Salvatore Sciarrino, Allegoria della notte
Salvatore Accardo (Geige); Orchestra Sinfonica di Torino della RAI, Rafael Frühbeck de Burgos (Dirigent)
Sciarrino überschreibt dieses Stück mit »sospeso, come guardando il vuoto« – und tatsächlich werden wir sofort in einen schwarzen Strudel der Leere und Unwirklichkeit hineingesogen …
2. Jean-Marie Leclair, Sonate op.9 No.5 a-Moll
Simon Standage (Geige), Nicolas Parle (Cembalo)
Hier könnten auch alle anderen Sonaten aus op.9 stehen, alle sind wunderbar – aber ich liebe es einfach, wie Leclair in dieser hier mit Dissonanzen und Auflösungen umgeht. Pures Glück. Wenn wir sie nur öfter hören würden …
3. Johannes Brahms, Violinsonate No.1 G-Dur
Adolf Busch (Geige), Rudolf Serkin (Klavier)
Diese Verbindung zu Brahms, die wir irgendwie vor einiger Zeit verloren haben, dieser letzte flüchtige Blick auf die legendäre deutsche Violinschule, die mit Adolf Busch starb. So und nicht anders sollte deutsche romantische Musik auf einem Streichinstrument gespielt werden.
4. Johannes Brahms, Violinkonzert op.77
Bronislaw Huberman (Geige), Philharmonic-Symphony Society of New York (heute: New York Philharmonic); Arthur Rodzinski (Dirigent)
Noch ein Beispiel dafür, dass Brahms auch anders geht. Eine lebhafte, gesangliche Version – für mich die beste – mit wenig Pathos, aber so viel Liebe.
5. Arcangelo Corelli, Violinsonate op.5 No.1
Andrew Manze (Geige), Richard Egarr (Cembalo)
Hier sind Hooligans am Werk. Indem sie mit allen Regeln der Harmonie brechen, erschaffen Manze und Egarr eine wundervoll schimmernde Welt. Eigentlich sollten alle Sonaten aus diesem op.5 öfter gehört werden, aber vor allem der üppigen ersten kann man sich einfach nicht entziehen.
6. Pablo de Sarasate, Miramar. Zortzico
Pablo de Sarasate (Geige); Pianist*in unbekannt
Alle seine Aufnahmen sind wahre Schätze, aber diese hier ist besonders ergreifend. Ich bin kein Fan von Violin-Miniaturen – die meisten sind Schrott. Gespielt mit so viel Geschmack und Zurückhaltung bewegt sich das hier auf einem ganz anderen Level. Es zeigt, wie viel »spanisches Feuer« wirklich nötig ist, um diese Stückchen zu spielen. ¶