Die Geste guten Humors lässt sich nicht genau definieren, es gibt viele. Den Rahmen einer Situation nicht mehr als ausschließlich ernst zu akzeptieren, ist eine grundlegende. Darzustellen, dass diese Situation noch anderes enthält, als man denkt, eine andere. Wer sich unerwartet offen gibt, etwas von sich verrät, wer neugierig bleibt, kann im richtigen Kontext humorvoll werden und lustig wirken. Bizarr, exzentrisch, auch das kann die Geste des Humors sein. Manchmal reicht ein anderer, der dasselbe bemerkt hat, und es wird lustig. Die Wahrnehmung von Freiheit, die Entwicklung von Anteilnahme – Nährböden für guten Humor. Slapstick, Schadenfreude? Manche möge auch das.

In der Klassikkultur haben sich ein paar Humor-Disziplinen herauskristallisiert, die einiges über das Verhältnis von »Klassik und ich« verraten. Ob sie lustig sind oder nicht, darum geht es nicht hauptsächlich. Aber was verraten sie über die Wahrnehmung einer Kultur und der eigenen Rolle darin?.

Gut im Mainstream verankert ist die Setzung von Humor über Gesten und Symbole: Rote Hütchen, Weihnachtsmannmützen, die Geige hinter dem Rücken spielen, Werke »mal anders« präsentieren, Wortspiele aus dem Stahlwerk (»Ho Ho Horn«), mal ein lustiges Lied zum Mitklatschen, Berliner Luft auf der Waldbühne, M’r losse de Dom in der Kölner Philharmonie. Vielleicht sollte man eher von Ausgelassenheit als von Humor sprechen, wenn nur diese Ausgelassenheit nicht so minutiös geplant und verschraubt wäre. Man traut sich nicht, die Musik für sich stehen zu lassen, das Komödiantische ist auch nicht so stark, also wird kombiniert. Aus dieser Haltung hat sich ein ganzes Sub-Genre entwickelt, Igudesman & Joo, manche Teile der Arbeit von Salut Salon, die das Ganze mit Akrobatik und Virtuosität kombinieren. Das gibt es auch zu anderen Musikstilen, und vielleicht sollte man hier auch nicht mehr von »Humor«, sondern von »Unterhaltung« sprechen. Man hat lange dafür geübt: Es ist der Rahmen der Clownerie, der es legitimiert, die eigene Virtuosität zur Schau zu stellen. Die Virtuosität wiederum hält die Gags bei der Stange.

Aber welche Haltung steht hinter dem lächelnden »Ausbruch« aus dem Gewohnten? Rausholen, was noch geht aus der alten Tante Klassik, Aufmerksamkeit steigern, das Ganze irgendwie aufpeppen. Es ist die Geste der Vermittlung, die sich ganz schön lang machen muss.

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Der Reiz hat keinen Anfang und kein Ende, keinen Grund und keine Folgen: einmal gesetzt, kann der Witz nicht entkommen, die Mütze ist auf, das Liedchen hat angefangen. Auf Medienseite gibt es das auch. Die Sendung U21 beim Bayerischen Rundfunk führt »das Verhör«, wobei das Lustige dabei ist, dass die Fragen relativ banal, die Umgebung aber einen kriminalistischen Hintergrund vermuten lassen. Es geht über die Setzung nicht hinaus. Zugegeben, anders herum ist schwer.

II

Der Blog »Musik mit allem und viel scharf« hat eingeladen, Operntitel zu Pornofilmtiteln umzuschreiben, und viele sind begeistert, tragen auf Twitter dazu bei. Klar, es ist ein Schülerjungen-Spaß, »Schülerzeitung der klassischen Musik« ist der Untertitel von »Musik mit allem … «, und vielleicht ist das Ganze auch doppelbödig, man zeigt, wieviel Opern man kennt, macht Wortspiele und gibt gemeinsam die eigene Assoziationsfähigkeit im Bereich des Versauten zu. Warum tun sie das mit Hingabe im öffentlichen Medium? Vielleicht sind es zwei Fragen, erstens, warum wollen sie? Mögliche Antwort: Man muss sich aus irgendetwas befreien, muss es mal rauslassen. Zweitens, warum traut man es sich? Adelt der Gegenstand der Parodie deren Urheber?

Die Haltung: Wir finden immer noch, die klassische Musik ist altehrwürdig, aber uns ist das jetzt mal egal. Aber dies ist kein echter Angriff, nicht der Versuch einer Offenlegung. Es ist die Haltung der Pennäler, die sich in der Rolle gefallen, die wissen, dass sie irgendwann ihrer Anwandlungen entwachsen müssen und sie doch noch irgendwie ausleben, die jungen Frechdachse, die sich in der Klassikblase noch den ein oder anderen Scherz erlauben dürfen.

III

Ohne Porno, aber ebenfalls ohne Folgen sind das Wortspiel und das Klassik-Mem. Beispiele liefern die Facebook-Seiten von Classic FM (die inzwischen ihrerseits vom Account Classical Music Memes for Contemporary Teens parodiert wird). Immer gern genommen: Komponistennamen. »Too hot to Händel«, »All I Want From Christmas is Schu(bert)« oder auch Noten:

Das Ganze kann zum Heinz-Erhardtschen Wortspiel werden:

Hier kommt eine gewisse Vergnügtheit durch, die sich aber schwer übertragen kann, weil man sich schon ein bisschen auskennen muss in der klassischen Musik, um wissend zu grinsen. Insofern zeigt der Witz nur selten einen leisen Abgrund, lässt eigentlich nichts Absurdes zu, sondern ist eine kleine Stilübung, die die Geistesgegenwart und das Wissen des Absenders unterstreicht. Gegen Stilübungen ist nichts einzuwenden, gegen einen kleinen Scherz auch nicht, übrig bleibt die Haltung: Wir sind schon ein komisches Völkchen. Unsere Leidenschaft ist so exotisch, dass jedes Wort zum Codewort wird.

IV

Dies wird keine vollständige Kategorisierung des Humors, aber eine weitere Kategorie sollte man vielleicht noch nennen, sie schließt den Bogen zur ersten Kategorie und entsteht aus – manchmal berechtigter – Verzweiflung über diese. Die Motivation, aus der sie entsteht: Man kann die Gesten und Rituale nicht mehr ernst nehmen, man wünscht sich Relevanz und Echtheit, kann sie mit den Mitteln der Musikkritik nicht mehr finden und geht deswegen den Weg der Introspektion. »Was ich beim Konzert denke«, »Wie wir unsere Zeit außerhalb der Konzerte verbringen.« Die selbstironische Introspektion ist Galgenhumor. Es gibt nichts mehr zu holen, die unter 1. beschrieben Strategien kann keiner mehr ernst nehmen.

Müssen wir denn immer so ernst sein, ist die Gegenfrage? Die Antwort: Müssen wir nicht. Aber wo ist der Witz, der die Dinge in ein neues Licht rückt, der kreative Entwicklung befördert? Der biedere Humor des lustigen Konzerts bestätigt für Außenstehende den Eindruck, dass Klassik eigentlich ernst ist. Die deftige Sprache drückt den eigenen Frust über eine biedere Körperlosigkeit aus, und wird, mangels Hoffnung, dass es anders sein könnte, immer derber. Das Wortspiel zeigt die wissensmäßigen Grenzposten dieser Kultur auf, die selbstironische Introspektion vermag es nicht, den Gegenstand zu berühren. Manches ist lustig, dies ist keine Humorkritik, sondern ein Interpretationsversuch. Das Bild der Klassikkultur, das viele lustige Annäherungen von ihr zementieren, aber ist: Altehrwürdig, ernst, unzugänglich, verschroben, egal. ¶