Ein Gespräch mit dem Berliner Musiktheaterkollektiv HAUEN UND STECHEN

Text · Titelbild © Sonya Bobrik · Datum 26.9.2018

Vom 20.–23.09.18 fand an unterschiedlichen Spielstätten in Berlin Mitte zum ersten Mal das Berliner Festival für aktuelles Musiktheater BAM! statt. Mit über 30 Aufführungen, davon 14 Uraufführungen, wurde ein Wochenende lang die Lebendigkeit und Diversität der freien Berliner Musiktheaterszene vorgestellt. Ich habe mir in der Kantine der Sophiensæle die Eröffnungspremiere des Festivals angeschaut, die neue Performance des Berliner Musiktheaterkollektivs HAUEN UND STECHEN, das seit 2012 die freie Szene mit seinen bildgewaltigen, klugen und assoziationsreichen Opernarbeiten aufmischt. Die neue Performance mit dem Titel GOLD ist der dritte Teil des Projekts Fidelio: Ein deutscher Albtraum in vier Folgen. Die Benennung orientiert sich, wie die vorangegangenen zwei Folgen SCHWARZ und ROTZ (ja Rotz, nicht rot), an den Farben der deutschen Flagge. In GOLD tobt der Erste Weltkrieg und wir befinden uns um die hundert Jahre nach der Uraufführung von Beethovens Oper. Das Bühnenbild zeigt eine vernebelte Schützengrabenlandschaft, deren Gänge gleichzeitig auch als Goldmine zu verstehen sind (Bühne: Lotta Hensch). Die vom Krieg traumatisierten und verrohten Deutschen entdecken dort plötzlich zwischen Leichen und Schutt ein Phantasma: das Gold. Dieses Trugbild ist der Ausgangspunkt für ein sarkastisches, aber sehr unterhaltsames Experiment, in dem Beethovens Nationaloper und ihr Befreiungs-Thema sehr kühn in einem bildhaften Raum angegangen werden. Die Opernsänger, Schauspieler und Musiker von HAUEN UND STECHEN werden dabei im Laufe der Performance zu einer verblendeten New-Age-Sekte nach dem alchemistischen Prinzip: Ewiges Leben erlangen, Blei in Gold verwandeln, wo jeder das, was er sucht, auch zwischen den Toten finden kann: sich selbst, seinen verloren geglaubten Partner, Reichtum, ein Stückchen Ideologie und die Fidelio-Musik …

HAUEN UND STECHEN
HAUEN UND STECHEN

Ein paar Tage nach der Performance treffe ich mich mit den beiden Regisseurinnen der Gruppe, Julia Lwowski und Franziska Kronfoth, der Dramaturgin Maria Buzhor und dem Videokünstler Martin Mallon zu einem Gespräch über die Arbeitsmethoden von HAUEN UND STECHEN, über Zukunftswünsche und natürlich über das Fidelio-Projekt.

VAN: Ich habe mehrere von Euren Arbeiten gesehen und stelle mit GOLD erneut fest, dass es euch in euren Performances gelingt, mittels einer sehr eigenen Theatersprache die Opernform sinnstiftend zu öffnen. Wie geht ihr in eurer Arbeit vor?

Julia (Regie): Unsere Technik beruht darauf, ein großes Wirrwarr zu stiften und sich dem auszusetzen. Das gilt erstmal für alle, die Macher nicht ausgenommen. Man konzipiert vorher, man redet sehr, sehr viel und dann entstehen starke, schnelle, lichte Ideen. Ich bin der Gruppe wirklich dankbar, weil sie unermüdlich ist. Wir machen jetzt zum achten Mal was in der Kantine der Sophiensæle, und es gibt wieder ein neues Bühnenbild, ein neues Kostüm und tausend neue Szenen. Es ist schon zum dritten Mal Fidelio. Das ist anstrengend, auch für das Publikum, weil es ja Teil der Performance ist. Es ist uns wichtig, dass man in unserer Kunst, also in dieser Oper, verschwindet.

Gina-Lisa Maiwald und Ulrike Schwab in GOLD © • Foto Marcus Lieberenz
Gina-Lisa Maiwald und Ulrike Schwab in GOLD © • Foto Marcus Lieberenz

Als Publikum steht man buchstäblich mittendrin, wie bei einem Happening, auch teilweise ziemlich überfordert, denn eure Arbeit ist voller Referenzen. Bei GOLD zünden ständig neue Assoziationen, zum Beispiel durch das Nachspielen einer Szene aus Stanley Kubricks Weltkriegs-Film Wege zum Ruhm oder durch die Instrumentalisierung von musikalischen Themen aus Beethovens Eroica und der Neunten Symphonie. Ihr arbeitet mit alchemistischen Texten, mit Texten aus der Apokalypse, mit New-Wave Pop-Musik, mit irischen Heimatliedern im Arrangement von Beethoven und so weiter … Da ist es fast unmöglich, alles auf einmal zu verdauen. Für mich hat es total Sinn gemacht, mir GOLD zweimal anzuschauen, was ich wirklich nur tue, wenn mich etwas fasziniert. Ich habe trotzdem viel noch nicht ganz verstanden …

Julia: … wir zum Teil auch nicht, wenn ich das so offen sagen kann. Das hört sich dann immer so nach Beliebigkeit an, aber das ist es gar nicht. Es ist eher eine Freiheit, viele verschiedene Dinge zu sehen, das ist uns total wichtig: nicht in dieses faschistoide, cleane, minimal, konzeptuelle Ding zu kommen. Da sind wir uns alle einig, dass wir das nicht mögen.

Franziska (Regie): Vor allem: Man kann all diese Dinge nicht erzählen, wenn das Werk von vorne bis hinten durchläuft. Wir nehmen die Oper und befreien das Werk von der Hierarchie, dass der Dirigent der Chef ist. So tritt das Werk in eine Kommunikation mit anderen Dingen und mit allen Ebenen der Inszenierung. Es ist bei uns sehr stark auch die Bildgewalt des Bühnenbilds, das uns die Setzungen gibt.

Ihr bleibt trotzdem nah dran an der Essenz von Oper, lasst diese aber in einem völlig anderen Rahmen aufleben. So ein Befreiungsschlag der Form ist also, wenn ich es zuspitze, nur möglich, wenn man dem Dirigenten die Partitur wegnimmt und die Theatermacher – anstelle des Orchesters – die Oper umsetzen lässt. Das Absurde bei eurer Arbeit ist, dass man, wenn man sich auf die Methode einlässt, das Orchester tatsächlich keine Minute vermisst, obwohl ihr mit einer kleinen Anzahl Musiker arbeitet und eure Darsteller eine Mischung aus geschulten klassischen Stimmen und ungeschulten Stimmen mitbringen. Eure kollektive Herangehensweise ist in ihrer Vielschichtigkeit vergleichbar mit der polyphonen Kraft eines symphonischen Orchestersatzes.

Franziska: Roman Lemberg, der oft bei uns die musikalische Leitung übernimmt und das jetzt auch bei GOLD gemacht hat, ist extrem am Theater interessiert: am Narrativen, am Showhaften. In seinem ganzen Musiziergestus gibt es niemals ›light‹. Er arbeitet auch sehr genau am Arrangement und am Wechsel der Klangfarben und sucht einen krass musizierenden unakademischen Ausdruck, also im besten Sinne unakademisch: voller Kraft, voller Zartheit oder voller Seltsamkeit.

Roman Lemberg (Orgel), Gina-Lisa Maiwald (Schauspiel), Ulrike Schwab (Schauspiel) in GOLD • Foto © Sonya Bobrik
Roman Lemberg (Orgel), Gina-Lisa Maiwald (Schauspiel), Ulrike Schwab (Schauspiel) in GOLD • Foto © Sonya Bobrik

Ihr arbeitet im Kollektiv, wie muss man sich das vorstellen? Wie probt ihr, müssen zum Beispiel alle immer da sein?

Julia: Nee, überhaupt nicht. Franziska und ich teilen uns die Szenen auf und wir wissen zum Teil gar nicht, was die andere gerade probt. Das gucken wir uns dann erst beim Endergebnis an.

So entsteht durch die Probenmethode bereits ein kontrastreicher Wechsel zwischen den Szenen. Trotzdem bleibt ihr durch die gemeinsame Konzeption im selben Verständnisraum.

Martin (Video): … und wir kennen uns einfach auch sehr gut, wir arbeiten ja schon ewig in diesem Format zusammen. Man hat halt eine Intuition für den jeweils Anderen.

In ROTZ, der zweiten Fidelio-Folge, heißt es einmal: ›Es geht darum, mit den möglichst kleinsten Gesten die möglichst größten Effekte zu erzeugen‹ – und kurz darauf hackt sich einer der Darsteller per Live-Video die Finger ab, was augenscheinlich ein Fake ist und auch Lacher hervorbringt.

YouTube video

Julia: Wir werden ja immer so ein bisschen beschimpft, weil viele denken, dass wir Castorf nachmachen, also alles immer mit Live-Kamera und hysterisch, aber Christoph Schlingensief hat einmal gesagt: ›Man braucht halt fürs Fußballspielen auch einen Ball‹. So geht es uns mit der Live-Kamera und dem Video in der Oper. Für uns ist es genauso Mittel wie Bühnenbild, Kostüm oder Maske; es ist da und darüber wollen wir gar nicht sprechen, es gehört für uns dazu.

Franziska: Ich möchte über Martins Arbeit mit dem Video aber noch sagen, dass sie sich, wie ich finde, schon sehr von Castorfs Videoeinsätzen unterscheidet, diesem eher zynischen Hinterhergeflitze mit der Kamera, weil Martin sehr reflektiert und ästhetisch mit den Kameraeinstellungen und der Kamera als Kunstmittel umgeht.

Julia: Damit wir das, was wir an der Oper lieben, herstellen können, diesen Elefant im Porzellanladen, müssen wir Momente erzeugen, in denen wir zeigen, wie filigran dieser riesengroße Brocken Fidelio gleichzeitig ist. Er ist superfiligran! Und genau das Filigrane an der Oper ist für uns auch das Berührende. Eine Oper ist ein riesiges Ding, was aber eigentlich die ganze Zeit auch zart ist. Genau das macht die Schönheit dieser Form aus.

Ulrike Schwab (Sopran), Vera Maria Kremers (Sopran) und Gina-Lisa Maiwald (Schauspiel) in GOLD • Foto © Sonya Bobrik
Ulrike Schwab (Sopran), Vera Maria Kremers (Sopran) und Gina-Lisa Maiwald (Schauspiel) in GOLD • Foto © Sonya Bobrik

Zu Fidelio: Im Reclam-Opernführer steht, dass Beethovens Fidelio eigentlich wie drei Werke ist: Es beginnt wie ein Singspiel, dann wird es zu einer Grand opéra, also zu einer großen Heldenoper ›Ich muss meinen Mann retten. Nur Mut, nur Mut, nur Mut!!!‹, und schließlich endet das Ganze als Oratorium. Mir scheint, dass Beethoven sich mit dieser Oper quasi durch die halbe Musikgeschichte kämpft – rückwärts und vorwärts, ich weiß bei Fidelio gar nicht richtig in welche Richtung. Aber es gibt diese drei Ansätze, die als Geschichte recht unausgegoren sind und schwer aufgehen. Nicht ohne Grund hat Beethoven die Oper ja auch mehrmals überarbeitet. Mit GOLD habt ihr die Zeit des Ersten Weltkriegs heraufbeschworen und die Befreiungsoper lest ihr generell als Albtraum. Was erwartet uns denn jetzt bei Sturm, dem Finale eurer Reihe?

Julia: (lacht) Ja, das fragen wir uns auch gerade.

Ihr produziert ja sehr schnell: STURM hat schon am 24. Oktober seine Premiere. Das ist in vier Wochen.

Maria (Dramaturgie): Rein produktionstechnisch wird STURM die Abschiedsparty von unserer zweijährigen Zusammenarbeit mit den Sophiensælen, wo wir im Rahmen der Doppelpass-Förderung der Kulturstiftung des Bundes bereits letztes Jahr eine Reihe zu Puccinis Turandot erarbeitet haben. Jetzt wollen wir das Ganze noch mal richtig knallen lassen, die Opulenz wird vervielfacht und wir bespielen das komplette Haus. Wir wollen als HAUEN UND STECHEN genremäßig noch breiter arbeiten und eine Art politischen Sturm auf die Nationaloper machen.

Das Finale in der Fidelio-Oper ist aber trotz der Befreiung der Gefangenen aus dem Kerker eher bieder und unpolitisch. Es wird vor allem Leonore als Retterin ihres Ehemannes gefeiert mit großem Jubelchor: ›Nie wird es zu hoch besungen, Retterin des Gatten (zu) sein‹. Von heute aus gesehen befremdet einen diese feierliche Heroisierung der Ehefrau…

Franziska: Das Fidelio-Ende steht in so einer absurden Barocktradition vom Deus Ex Machina, wo der Herrscher im richtigen Augenblick erscheint, um die Heldentat von Leonore offiziell anzuerkennen. Das ist pure Opern-Konvention und eine Bestätigung der Staatsstruktur, hat aber nichts mit der Realität zu tun und absurd ist ja, dass auch gar keine Handlung von Fidelio in irgendeiner Realität ankommt.

Maria: Trotzdem wird heute bei jedem Staatsakt die Fidelio-Ouvertüre gespielt, entweder die erste, die zweite oder die dritte. Deshalb werden wir versuchen, dem etwas entgegenzusetzten. Das ist natürlich eine Herausforderung und ich hoffe, das wird bei STURM mit großem Spaß passieren. Denn den Sturm muss man natürlich auch als Sturm auf die Bastille denken, diese Volksbewegung, die ja auch ein superstilisierter, vor allem nachträglich stilisierter Akt ist, dem trotzdem eine genuine Rebellion und Gefahr innewohnt. Es wurden ja alle Gefangenen rausgelassen, die ganzen Kriminellen …  

Franziska: … es waren vor allem keine politischen Gefangenen in der Bastille …

Maria: … also wurden vielleicht sogar viele befreit, die gar nicht unbedingt hätten befreit werden sollen. Demnach wollen wir auch das Ambivalente einer Befreiungssituation zeigen und gleichzeitig deren Romantisierung für uns nutzen, um uns wirklich in dem Moment zu verlieren: Das Performative ist dabei unsere Rettung. Wir müssen nur die Mittel wählen …

Ich will noch mal zu den Charakteren zurück, zu Florestan und Leonore, den zwei Hauptfiguren der Oper. Sie sind bei euch zu einer Figur verschmolzen und können von allen Darstellern, Frauen wie Männern, verkörpert werden. So ist Fidelio bei euch ein Spiel jenseits der Geschlechter, gleichzeitig ein Spiel über Geschlecht und Bestimmung. Wer ist denn eigentlich Leonore/Florestan?

Julia: Wir haben das Gefühl, dass das natürlich beides Beethoven ist. Florestan und Leonore. Der eine ist der Beethoven, der im Dunkeln gefangen ist, verhungert, aber ursprünglich voller Tatendrang, und der sich wünscht von einer starken Frau, der großartigen Liebe seines Lebens, aus dieser Dunkelheit herausgeholt zu werden. Es ist also dieser armselige Beethoven, der einen großen Teil seines Lebens einsam war, der immer Pech hatte mit den Frauen und als Kompensation nur diesen einen Neffen hatte, den er halb vergewaltigt hat. Deshalb möchte er auch so sein wie diese emanzipierte Frau in den Hosen: ›I want to show my guts.‹ Somit wird er für uns zu dieser Zwitterperson. Es ist ja auch interessant, warum man die Frau erstmal verkleiden muss!

Foto © Marcus Lieberenz
Foto © Marcus Lieberenz

Wie sind die Produktionsbedingen in den Sophiensælen, habt ihr da Zeit?

Julia: Nein.

Franziska: Na, wir haben acht Tage, aber unten in der Kantine leider nur zwei.

Und dann arbeitet ihr beide auch parallel.

Julia: Genau.

Ihr arbeitet frei und werdet momentan gefördert durch den Doppelpass der Kulturstiftung des Bundes, das heißt, ihr organisiert eure Produktionen als Gruppe selbst, mit Förderanträgen und dem mühseligen Prozess des Antragschreibens …

Julia: … wollen wir nicht unbedingt …

Franziska: Ja, aber es gibt auch einige Aufträge, wie in Hamburg, der Bayerischen Staatsoper oder der Deutschen Oper Berlin …

Julia: Das Problem ist generell, dass viele Stadttheater und Opernhäuser einfach ein Problem mit unserer Sprache haben. Sie wissen meist nicht genau, wie sie uns einordnen sollen. Hinzu kommt, dass wir als Regieteam schon über zehn Leute sind, dass ist einfach too much für die Stadttheater, die wollen clean arbeiten, lange im Voraus planen, eine Ansprechperson haben und wir sind halt einfach viele. Das, was unsere Arbeitsweise ausmacht, ist schwer strukturell aufzufangen: Da muss man richtig Bock drauf haben, die Kunst fördern wollen und nicht den Betrieb aufrechterhalten mit irgendwelchen Moderegisseuren.

Also ist euer Zukunftstraum ein eigenes Haus?

Julia: Auf jeden Fall! Darüber reden wir schon seit Jahren. Wir hatten ja ein eigenes kleines Haus: Das war der Keller in der Galerina Steiner in Schöneberg. Dort haben wir unser Format entwickelt. Die letzten zwei Jahre waren wir durch die Förderung an die Sophiensæle  gebunden, aber jetzt müssen wir zusehen, wie wir rauskommen aus dem Off, wir wollen natürlich an die Opernhäuser, natürlich!

Eine Ensembleförderung habt ihr nicht?

Franziska: Nein, da müsste man so etabliert sein wie Sasha Waltz oder so. Es gibt natürlich Basisförderungen, doch da sind schon viele Gruppen drin und somit die Möglichkeiten teilweise verstopft. Es müsste sich erstmal eine andere Gruppe auflösen, um wieder einen Platz frei zu machen.

Vera Maria Kremers (Sopran), Wieland Schönfeld (Schauspiel), Gina-Lisa Maiwald (Schauspiel) und Ulrike Schwab (Sopran) in GOLD • Foto © Sonya Bobrik
Vera Maria Kremers (Sopran), Wieland Schönfeld (Schauspiel), Gina-Lisa Maiwald (Schauspiel) und Ulrike Schwab (Sopran) in GOLD • Foto © Sonya Bobrik

Wie ist es mit eurer Stückauswahl? Soweit ich sehe, entwickelt ihr fast alle eure Arbeiten ausgehend von älteren Opern. Wie ist denn euer Verhältnis zu Neuer Musik?

Franziska: Ich hab jetzt gerade eine Uraufführung gemacht mit drei Komponisten. Das Schöne war, dass zwei von ihnen in der Probenphase anwesend waren. Es waren ihre ersten Arbeiten für die Oper und es gibt bei jungen Komponisten auf jeden Fall ganz klar eine Praxisferne, kein Komponist lebt mehr im Opernhaus, wie Mozart. Die meisten arbeiten total isoliert. Ich glaube, das Hauptproblem ist, dass die richtigen Arbeitsbedingungen nicht da sind. Da könnte man durchaus rangehen. Der Schlüssel liegt darin, dass man mit Komponisten zusammenkommen muss, die sich für das Theater interessieren und anfangen, dafür Musik zu schreiben.

Julia: Hinzu kommt für uns als Theatermacher, dass es ja großartige Neue Musik gibt, die schon geschrieben ist, doch da haben wir das Problem, dass diese Musik nicht rechtefrei ist.

Franziska: Die neuen Sachen können wir ja nicht bearbeiten, es sei denn der Komponist sagt: Ja, bitte bearbeitet das.

Julia: Und Aufführungsrechte sind sauteuer, unbezahlbar.

»Beethoven möchte sein wie diese emanzipierte Frau in den Hosen: ›I want to show my guts.‹« Über Fidelio in Schwarz – Rotz – Gold und Oper als Performance. Ein Gespräch mit dem Berliner Musiktheaterkollektiv HAUEN UND STECHEN in @vanmusik.

… also müsst ihr euch an die Toten halten …

Julia: … was auch toll ist, es ist überhaupt kein Problem, aber unsere Beschäftigung mit den alten Stücken hat tatsächlich auch diesen finanziellen Hintergrund.

Franziska: Dabei wäre es wichtig und angebracht, auch dieses Repertoire zu machen und zu beleben. Es stellt einen ja vor ganz andere Aufgaben, weil man durch das Anachronistische der älteren Musik immer ein Gegengewicht zu Heute hat. An die Neue Musik kann man nicht mit denselben Techniken rangehen. Gerade deshalb wäre es wichtig, damit zu arbeiten.

Julia: Also können wir nur weitermachen und hoffen, dass es irgendwann möglich wird, so etwas auszuprobieren. ¶

Ab dem 24. Oktober 2018 läuft in den Sophiensælen die vierte und letzte Folge von Fidelio: Ein deutscher Albtraum in vier Folgen unter dem Titel STURM als großes Finale der Serie.