VAN Playlist Graham F. Valentine

Foto Werner Buechler · Datum 13.7.2016

»Deine Stimme … sie zieht das kundigste Publikum an.« Im Farinelli, einem Film von 1994, schaut der Schauspieler Graham F. Valentine auf einen knieenden Kastraten herunter, heuchelt Lob in einem trockenen, fast tonlosen Adelsfranzösisch. Seine reguläre Sprechstimme ist ein Bass-Bariton mit leichtem schottischen Akzent; er kann aber auch in einer scharfen Kopfstimme singen. Graham F. Valentine überschreitet die Grenze zwischen Schauspiel und Sprache auf der einen, Musik auf der anderen Seite nicht nur in den Produktionen mit Christoph Marthaler sondern auch als Sprecher für Ensembles (Ensemble intercontemporain, Klangforum Wien, Scottish Opera, dem Freiburger Barockorchester, Hebrides Ensemble), oder beim Eröffnungskonzert des diesjährigen Berliner Musikfests in Wolfgang Rihms Tutuguri. Seine Playlist für VAN beschwört Stimmen, oft genug solche, die gar nicht zu hören sind, weil sie schon vor langer Zeit verklangen. Aber sie haben immer noch was zu erzählen, so wurden sie Musik.

Franz Liszt: Elegie No. 1, ›Puszta‹

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Ich liebe die Aufnahme von Andrea Bonatta (Liszt, Dernières pièces pour piano) wegen dieses Gefühs von Verlust und Sehnsucht. Das wird nochmal von der schwächlichen (unterstated) Trockenheit des alten Klaviers, das Bonatta spielt, verstärkt – es ist wohl aus Liszts Zeit, wurde vielleicht sogar von ihm gespielt. Ich habe dieses Stück zum ersten Mal im Palais des Papes in Avignon gehört, während einer Probe für Christoph Marthalers Papperlapapp. Darin spielte es Bendix Dethleffsen, während er sich an einem Fenster hoch oben in der Mauer eingerichtet hatte.

Anonym: The Dowie Dens o Yarrow; gesungen von Davie Stewart

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Diese handelt von einer Hofdame, um die neun adlige Männer werben, die aber stattdessen in einen Ackerknecht verliebt ist. Der nimmt die Herausforderung an und kämpft gegen die Nebenbuhler, aber der Bruder der Frau meuchelt ihn heimtückisch von hinten; ihr bleibt nur, ihn nach Hause zu tragen und vor Gram zu sterben. Das Ganze wird von einem Reisenden gesungen, der sich selbst begleitet. Solche haben die mündliche Tradition durch die Jahrhunderte getragen. In den 1950er Jahren tourte Davie Stewart durch die Hinterhöfe der Mietskasernen von Dundee. Er sang Balladen und Music-Hall-Songs, und die Bewohner warfen ihm die ein oder andere in Zeitungspapier eingewickelte Münze runter.

Harry Fragson: Amours Fragiles  

https://www.youtube.com/watch?v=AJ18JrfHGiU

Das ist Fragson, der legendäre zweisprachige Sänger, Music-Hall-Star, der um die Jahrhundertwende in London und Paris gleichermaßen zuhause und gefeiert war. Gerade hatte er noch die Mechanismen offengelegt, die Europa ruinieren würden, als er im Oktober 1913 von einer Benefiz-Veranstaltung nach Hause kam und von seinem Vater erschossen wurde. Ich sang dieses Stück bei der Produktion Le Cas de Sophie K von Jean-François Peyret (ein Stück über die russische Mathematikerin Sophia Kovalevskaïa; d. Red).

Tricky: Joseph  

https://www.youtube.com/watch?v=MhwnGf4hmN4

»Angel, touch my face« … »she gives to give a song« Ich mag die exzentrische Urbanität und die Einfachheit.

Enno Poppe, Schweiß; aus der Oper Arbeit Nahrung Wohnung

Enno Poppe, Bermudablick; aus der Oper Arbeit Nahrung Wohnung

Die beiden Stücke sind aus Ennos Oper über Robinson Crusoe auf seiner einsamen Insel, die 2008 in München uraufgeführt wurde. Der Text ist von Marcel Beyer:

»Ich schenke euch … einen Bermudablick … eine Tasche … und andere durchgeschwitzte Sachen.”

Ich singe hier die Solostimme. Am ersten Abend bin ich ohnmächtig umgekippt und musste ins Krankenhaus gebracht werden, aber ich überlebte die folgenden Aufführungen und auch die sehr erfolgreiche Tour. Enno verwendete hier gälische Choral-Psalmen als Inspiration.

The McPeake Trio: My Singing Bird

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Ein irisches Liebeslied. Die McPeakes waren maßgeblich am Folk Song Revival der 1950er und 60er Jahre beteiligt.

Gerry Rafferty: The Right Moment

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Eines Tages bekommen wir es vielleicht hin. Bis dahin können wir uns hiermit trösten.