VAN Playlist Enno Bunger
Beethoven, Mondscheinsonate op. 27 No. 2; I. Adagio sostenuto
Was meinen Musikgeschmack betrifft, war ich schon immer ein gespaltenes Kind. Jede Musik, alle Stile und Genres, haben mich in gewisser Form bereichert. Vor allem bestimmte tonale, klassische Musik rief seit jeher ein besonderes Gefühl hervor, eine Sehnsucht, die ich mit Worten nicht beschreiben kann. Allerdings hat mich im Umgang mit klassischer Musik oftmals etwas gestört. Als 10-jähriger habe ich am Haydn Muziek Festival teilgenommen, eine Art Nachwuchswettbewerb für Kinder. Man könnte sagen, dass das mein erster richtiger Auftritt war. Daran teilzunehmen, war eine wichtige Erfahrung für mich. Mein Programm sah drei klassische Werke vor, die ich alle extra auswendig gelernt hatte, was die Jury wohlwollend zur Kenntnis nahm. Das erste Stück war der erste Satz der Mondscheinsonate, den ich nach wie vor sehr gerne spiele. Während ich sie spielte, wuchs jedoch mehr und mehr ein Frust in mir, über diesen Virtuositätswettbewerb. Ich hatte das Gefühl, dass es darum ging, möglichst kein Gefühl zu haben, sondern virtuos zu sein. Alle anderen Kinder spielten wesentlich schnellere Stücke, zwei mal den Hummelflug. Ich fühlte mich wie bei den Bundesjugendspielen, die ich ebenso verachtete. Dieser Wettstreit des Höher, schneller, weiter in der Kunst. Natürlich ist es beeindruckend, wenn jemand in technischer Perfektion sein Instrument beherrscht, allerdings stehen für mich in jedem Werk Gefühl, Ausdruck und Aussage über allem. Nach dem ersten Stück änderte ich spontan mein Programm. Ich improvisierte einen »Mir-Ist-Das-Alles-Egal-Blues« und für mein Finale bin ich aufgestanden, habe mit der linken Hand die Bassdrum ins Klavier gehämmert, »Hyper Hyper« gerufen und diverse Riffs von Scooter (unter anderem Friends und Endless Summer) gespielt. Wicked! Das war vermutlich mein Bruch mit der klassischen Musik, es gab danach weder Foto noch Recall für mich.
Max Richter, Path 5
Während ich das hier schreibe, ist #TagdesSchlafes. »All you need is Schlaf«, wussten schon die Beatles. Max Richter hat ein traumhaftschönes achteinhalbstündiges (extended Ausschlaf-Edition) Werk namens »Sleep« gemacht. Ich habe inzwischen kaum ein Album so oft gehört, wie dieses, es läuft nicht nur fast jede Nacht, sondern auch bei längeren Spaziergängen.
John Cage, ORGAN²/ASLSP
In meiner Jugend war ich eine Art musikalischer Söldner. Ich war Mitglied in einer Classic-Rock-Coverband namens »Code Red“«, weil wir alle rote Haare hatten. Ich war festangestellter Organist einer Kirchengemeinde, gab Klavierunterricht und war Barpianist in Hotels, Cafés, bei Firmenfeiern, Autohauseröffnungen, … Wenn man allerdings nicht pro Auftritt, sondern nach Stunden bezahlt wird, kann es vorkommen, dass man sich dabei ertappt, wie man versucht, ein Stück so langsam wie möglich zu spielen. Vermutlich kam so auch der geniale John Cage auf die Idee zu diesem Werk, das man sich weder in Gänze anhören kann noch anhören wollen sollte. Seit 2001 wird es aufgeführt, und so Wetter und Menschen es zulassen, läuft es noch bis 2640. Die alles entscheidende Frage: Wie rechnet man das mit der GEMA ab?
Robert Schumann, Nordisches Lied
Kaum ein Stück hat mir beim Spielen die Welt der Harmonielehre so leicht offenbart, wie Lied 41 aus dem Album für die Jugend. Seither höre ich Musik mit anderen Ohren. Spielt sich übrigens auch wunderbar als Choral an der Kirchenorgel.
Tschaikowski, Horn-Solo aus der 5. Sinfonie
Das schönste und wichtigste Orchesterinstrument ist für mich immer noch das Horn. Fünf Jahre lang habe ich Hornunterricht genommen, habe selbst manches Hornsolo im Schulorchester spielen dürfen, bin jedes Mal daran gescheitert, so wie Schulorchester eben an solch großen Werken nur scheitern können. Bin traurig, dass ich das Leihinstrument damals wieder abgeben musste, es gibt kaum ein vollkommeneres Gefühl, als in einem Orchester mitspielen und ein kleiner Teil eines solch großen Ganzen sein zu dürfen. Tschaikowskis Fünfte – eine meiner Lieblingssinfonien.
Felix Mendelssohn Bartholdy, Orgelsonate d-Moll, op. 65 No. 6; III. Finale: Andante
Dieses Orgelstück steht nur exemplarisch für viele. Mendelssohn Bartholdy hat mich geprägt. Mit den Liedern ohne Worte, nicht zuletzt durch den Eiswagen, der daraus ein Stück leierte, verbinde ich viel mit ihm. Für alle Organisten zum Abschluss noch ein Tipp: Sollte man etwas überarbeitet sein, versehentlich eine Beerdigung mit einer Hochzeit verwechseln, so kann man nach den ersten 11 Tönen des Hochzeitsmarschs aus Mendelssohns Ein Sommernachtstraum noch in den Trauermarsch abbiegen. So, dass es fast niemand bemerkt. Genial!
Maurice Ravel, Lever du jour; aus Daphnis et Chloé
Das ist doch mal eine gute Musik zum Aufwachen und ein schönes Stück für eine dieser Formatradio-Morningshows.