Gewinner diverser Preise, ein paar CD-Aufnahmen, Auftritte in unterschiedlichen Weltklasse-Konzerthallen und ab und zu freundliche Kritiken. Was man in der Biographie auf der Homepage des Danish String Quartets auf keinen Fall findet: Namedropping und Agentur-Geschwurbel. Lieber redet Geiger Frederik Øland über Raupenkostüme, Philosophie und ein viel zu bärtiges Image. Am 5. September spielen sie ein Konzert beim Musikfest Berlin.
VAN: Ich habe in deiner Vita gesehen, dass du bei Ulf Wallin in Berlin studiert hast. Was verbindest Du mit Berlin?
Frederik Øland: Ich war für ein Jahr dort mit einem befreundeten Bratschisten und wir haben in einer sehr schönen Wohnung in Prenzlauer Berg gewohnt, am Ende der Kastanienallee. Wir hatten die wundervollste Zeit, ein einziger Traum! Ich vermisse die Stadt sehr oft und immer wenn ich dort bin gehe ich zu unserer alten Wohnung, dann fühlt es sich falsch an, dass da jetzt andere Leute leben.
Hast du immer noch einen Lieblingsort in Berlin?
Da war dieser Laden um die Ecke, der hieß, soweit ich mich erinnere, »Intersoup«. Das war ein kleiner Laden, der am Tag Suppe angeboten hat und am Abend war es eine tolle Bar. Wir haben so viele Abende dort verbracht, mehr als ich mich erinnern kann.
Ich dachte, du würdest zum Interview vielleicht ein Raupenkostüm tragen.
(lacht). Oh, leider ist das nicht unser Kostüm, es war nur von einem Theater geliehen.
Hast du dich je gefragt, welchen Beruf du ergriffen hättest, wenn du kein Musiker geworden wärst?
Ja, ich glaube wir alle haben darüber schon viel nachgedacht. Ich bin in einer sehr musikalischen Familie aufgewachsen, meine Eltern waren beide Musiker. Meine Mutter hat Klavier gespielt und an der Musikakademie gelehrt, mein Vater war Bratschist im Radio Symphony Orchester. Ich habe mit der Musik als Vierjähriger angefangen, an Weihnachten, als ich eine Geige bekommen habe, obwohl das nicht gerade das war, was ich mir gewünscht hatte (lacht). Aber ich hatte dann ein paar tolle Jahre, denn die meisten aus meiner Familie sind Musiker und wir haben viel zusammen musiziert. Das hat aber auch dazu geführt, dass ich mir einige Jahre nicht sicher war, ob ich das für mich oder für sie mache. Also habe ich viel darüber nachgedacht, welche anderen Interessen ich habe: das waren vor allem Physik und Philosophie.
Was magst du an der Philosophie?
Einer meiner besten Freunde ist Philosoph und hat gerade seinen Doktor gemacht. Er hat über unser Quartett geschrieben, darüber, wie der Verstand eines professionellen Musikers arbeitet. Ich habe so viele Abende mit ihm bei einem Rotwein zusammen gesessen und geredet und geredet und ich bin mir immer noch nicht sicher, ob wir herausgefunden haben, was eigentlich beim Spielen vorgeht in unseren Köpfen. Wenn du etwas auf den Grund gehen willst, reicht die Sprache oft nicht mehr aus und du musst dir andere Wege suchen.
Das Danish String Quartet in drei Worten..
Das erste, woran ich denke ist »Freundschaft«. Wir haben uns in einem dänischen Sommercamp für Amateur-Musiker kennen gelernt. Erst wurden wir Freunde, dann kam die Karriere. Das zweite wäre so etwas wie »Ambition«. Wir teilen die selbe Liebe für die selbe Art von Musik. Und das letzte Wort: »Verspieltheit«. Wenn wir zu lange proben, werden wir irgendwann extrem bescheuert… Aber wir entwickeln uns durch diese Atmosphäre.

Neben deutschen Komponisten wie Beethoven oder Haydn, ist euer Repertoire sehr skandinavisch: Ihr habt zum Beispiel die kompletten Streichquartette von Carl Nielsen eingespielt, außerdem nordischen Folk. Verspürt ihr eine Art »Mission« skandinavische Musik in der Musikwelt zu verbreiten?
Ich denke nicht. Natürlich war die Aufnahme der Carl-Nielsen-Quartette eine sehr nationale Sache. Damals waren wir noch an der Musikakademie und unser Lehrer hat uns dazu geraten. Für uns war das großartig, weil wir diese Quartette schon eine Weile gespielt und sie geliebt haben und als Bonus war es dann skandinavische Musik, sogar dänische. Auch die Folk-Sachen haben wir nie für die Karriere gemacht, sondern weil es Spaß bringt, wir gut darin sind und weil es zu den anderen Stücken passt, zum klassischen Repertoire. Es ist schön diese simple Folkmusik zu spielen, um den Horizont zu erweitern.
Manche tun so etwas für die Karriere…
Ich verurteile das nicht, es ist nur einfach nicht unser Weg. Weißt Du, es wird so viel darüber gesprochen, dass die jungen Leute im Konzert fehlen. Also fragt man sich: Was können wir dagegen tun? Und dann macht man Konzerte, bei denen mal viel mit dem Licht spielt und so was. Aber das kann auch einen verzweifelten Beigeschmack bekommen und die Musik rückt in den Hintergrund.
Ihr schreibt auf eurer Homepage, dass ihr »moderne Wikinger« seid.
(lacht). Das haben wir eigentlich eher aus Spaß geschrieben, das hören wir so oft, wenn wir im Ausland sind. Gerade gestern, als wir beim Edinburgh Festival gespielt haben, da war ein Mann auf der Bühne, der vor dem Konzert Interviews geführt hat. Und er hat uns gefragt, warum wir so aussehen, warum wir so große Bärte haben und warum ich keinen Bart habe und all diese Dinge. Rune (ebenfalls Geiger des Quartetts, d. Red.) hat dann etwas sehr Gutes und Wahres gesagt: Tatsächlich sehen wir gar nicht anders aus als jeder andere Typ in Kopenhagen.
Hast du das Gefühl, dass ihr auf dieses Image reduziert werdet?
Ja manchmal. Das war etwas, was wir anfangs angenommen haben, weil es irgendwie lustig war. Aber die letzten Jahre wurde viel darüber gesprochen und man fragte uns diese Sachen über Wikinger und so weiter. Wir haben es auf unserer Homepage geschrieben und später wieder was davon weggemacht, weil es uns dann zu blöd wurde. Wir wollen nicht das dämliche Clowns-Quartett sein (lacht). Und wir wollen auch nicht das Wikinger-Quartett sein. Wenn Leute das denken, ist es absolut okay, aber wir sind natürlich viel mehr als das.
Ihr macht bei euren Konzerten oft Einführungen von der Bühne aus. Warum ist euch das wichtig?
Ich mag es persönlich sehr gerne, wenn ich zu einem Konzert gehe und der Musiker spricht von der Bühne aus, selbst wenn ich die Sprache nicht verstehe. Es gibt mir ein Gefühl dafür, wer dieser Mensch ist und es durchbricht ein wenig die Barriere zum Publikum. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass Musiker verstehen: Ohne Publikum kein Konzert. Wir stecken da alle zusammen drin und es ist schön ein Gefühl für diese Kollaborative zu bekommen.
Und wenn wir über die Stücke sprechen, dann immer in einem netten und ruhigen Ton. Wir können über wirklich tiefgehende Dinge sprechen aber in einer entspannten Art und Weise.
Ihr führt aber vor allem die Folk-Sachen ein. Wurde über Beethoven schon alles gesagt?
Naja, manchmal denkt man das. Ich finde es wichtiger, dass man überhaupt mit dem Publikum spricht und das es ein Gefühl für die Menschen im Quartett bekommt. Manchmal ist es dann gar nicht so wichtig, was man sagt.
Beim „Musikfest Berlin“ spielt Ihr Beethoven, Schostakowitsch, Nørgård und dann Folkmusik im zweiten Teil. Was kann ein Beethoven von einem Folksong lernen?
Beim Spielen und auch Arrangieren der Folk-Sachen mussten wir die Musik von einem ganz anderen Blickwinkel betrachten, als wir das normalerweise tun. Und wir haben da eine Art Freiheit gelernt, weil wir genau schauen mussten, ob es funktioniert oder nicht und warum. Vielleicht haben wir etwas davon in die Beethoven-Streichquartette mitgenommen. Ich persönlich mag vor allem die späten Quartette, aber manchmal sind da Sachen, die nicht so ganz typisch sind für das Instrument. Aber dass das ein Beethoven ist, bedeutet nicht, dass man die Musik nicht mit einem kritischen Auge betrachten kann. Du kannst die Musik natürlich nicht ändern, aber du musst sie auch nicht zur Religion machen. Außerdem musst du, wenn du simple Folkmusik spielst, Respekt haben für deren Schlichtheit und auch das kann ein Beethoven lernen.
Apropos Festival: Ihr habt euer eigenes in Kopenhagen, das DSQ-Festival. Ist das euer Traum-Festival?
Naja, wir versuchen es zu unserem Traum-Festival zu machen! Wir denken viel darüber nach, wie man eine Atmosphäre schaffen kann, bei der man sehr tief in die Musik eintaucht und starke Gefühle zulassen kann. Bei unserem Festival da kümmern wir uns um alles, wir bereiten die Bühne vor, das Licht, wir holen Holz und bauen damit eine Bar. Und ich liebe es, dass man eine sehr starke Verbindung zum Publikum bekommt, es fühlt sich an wie eine Geschichte, bei der jeder partizipiert, nicht nur die Musiker. Es sind nur ungefähr 150 Leute da pro Abend und in dieser entspannten Atmosphäre kannst du ein Bier trinken während des Konzerts, du bist mit der Familie da, mit Freunden und Kollegen. So kannst du sehr tiefgehende Erfahrungen machen in einem Raum, der gefüllt ist mit Liebe zur Musik. Es ist ein sehr kleines Festival, nur drei Tage und wir haben das jetzt schon ein paar Mal veranstaltet und es hat sich sehr entwickelt seit dem ersten Jahr. Aber so wie es im Moment ist, ist es die Art Festival, zu dem wir gerne selber gehen würden.
Wir schauen kurz in die Zukunft: Was würdest du gerne noch einstudieren?
Ich bin ja in diesem klassischen Umfeld aufgewachsen, deswegen wäre es mein Traum, alle Beethoven-Streichquartette einzuspielen und wir haben bis jetzt nur zwei Mozart-Streichquartette gespielt, weil wir dachten, dass wir nie wirklich gut darin waren (lacht). Außerdem starten wir, zusätzlich zu unserem Festival, eine neue Konzert-Reihe mit 4 Konzerten über die Saison verteilt. Ich freue mich sehr darauf noch mehr zu planen.
Ihr wollt ja auch einen Weltrekord für das längste bestehende Streichquartett aufstellen, das wäre 2060. Ihr bleibt also voraussichtlich noch lange im klassischen Musikbetrieb. Was wünscht du dir?
Wenn ich an die Generation meiner Eltern denke, dann gab es da noch einen sehr starken Sinn für die Wichtigkeit von Kultur. Und es macht mich ein bisschen traurig, dass, wenn man heutzutage über Kulturpolitik spricht, es immer sehr schnell darum geht, wie viel Kultur wir für einen Dollar oder einen Euro bekommen. Das ist eine sehr traurige Art und Weise, die Kunst zu betrachten. Wir sollten schauen, was für ein Bild von Kultur wir vermitteln, wie wir sie behandeln und stolz darauf sein. Manchmal wenn ich spiele, bekomme ich das Gefühl, dass die Musik so viel größer ist als ich und dass es immer so sein wird. Ich genieße es sehr, mit diesem Gefühl konfrontiert zu sein. ¶