»Du winziger Wicht! Wagner hat alles schon geschaffen!« So oder so ähnlich hat wahrscheinlich Claude Debussy gedacht. Gekämpft hat er mit dem Wagnérisme, sich aber irgendwann dann doch davon freigemacht. Wie klingt diese Loslösung?
Tatsächlich haben viele französische Komponist*innen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts unter Wagner insofern gelitten, als dass sie ihn einerseits – manchmal nur klammheimlich – anbeteten und sich im selben Moment vor die Herausforderung gestellt sahen, nicht nur etwas Eigenes, sondern auch noch dezidiert Französisches auf das Notenpapier zu pinseln. »Wagnérisme, quelle horreur!« Gabriel Fauré (1845-1924) behalf sich 1880 beispielsweise damit, ein ziemlich albernes Stück über Wagner-Motive für die Trash-Besetzung des 19. Jahrhunderts – Klavier zu vier Händen – zu publizieren: Souvenirs de Bayreuth. Ähnlich hassliebevoll das »Tristan«-Zitat in Golliwoogs’ Cake-walk aus dem Klavierzyklus Children’s Corner (1906–08) – und das ausgerechnet eingebaut in ein rassistisches Stück, komponiert von demjenigen, der dann 1909 das ebenfalls ragtimeartige The Little Nigar herausbrachte. Von Debussy.
Ein Werk der Loslösung und gleichzeitig eine Musik der Rückkehr ist die Sonate für Violine und Klavier aus dem Jahr 1917. Debussys letztes größeres vollendetes Werk. Zu Beginn des Jahres 1917 hatte er noch geplant, einen Zyklus von ganzen sechs Sonaten für verschiedene Instrumente zu komponieren. Ende März 1918 erlag Debussy einem Darmkrebsleiden. Neben der Violinsonate wurden nur noch die Sonaten für Violoncello und Klavier sowie die Sonate für Flöte, Viola und Harfe fertig.
Spätestens nach Beginn des Ersten Weltkriegs war es französischen Komponisten anzuraten, kein Apologet des deutschtümelnden Wagner mehr zu sein. 1915 unterschrieb Debussy die fertige Partitur der Cellosonate mit »Claude Debussy, musicien français« und bedauerte stets noch, aufgrund von Alter und Krankheit nicht in den Krieg gegen die Deutschen ziehen zu können. In seine Suite für zwei Klaviere En blanc et noir, ebenfalls komponiert 1915, baut Debussy das Luther-Choral-Zitat Eine feste Burg ist unser Gott ein, um später mit der Marseillaise, die er in mehreren seiner Werke zitiert, über Luthers Deutschland musikalisch zu triumphieren. Für das Weihnachtsfest 1915 vertont Debussy einen eigenen Text; es entsteht das wohl bitterste Weihnachtskunstlied aller Zeiten: Noël des enfants qui n’ont plus de maison. »Unsere Häuser sind weg! Der Feind hat uns alles weggenommen, sogar unsere kleinen Bettchen!« Später wird quasi zur Rache für alle Waisen und obdachlos gewordenen Kinder Frankreichs, Belgiens, Serbiens und Polens aufgerufen. Der Feind aber, der möge vom Christkind unbesucht bleiben! (Problematisch fast, wie schön, wie französisch-léger dieses Lied ist.)
Im Kontext dieser Emotionen – hinzukommend Debussys schwere Erkrankung – kann man die Violinsonate hören. Als ein antideutsches Musikdokument, Anti-Wagner, Pro-Französisch – Letzteres aber nicht mehr zu sehr. Musikgeschichtspolitische Kammermusik irgendwie; und doch gleichzeitig äußerst subtil und feingliedrig. Das fängt schon mit dem g-Moll-Akkord im Klavier zu Beginn an: einfach g-Moll, verdoppelt, jede Pianist*innenhand mit einer Hand voll g-Moll. Dann, in der einfachen Kadenzumgebung im Grunde »falsch« (es »müsste« c-Moll sein): C-Dur; einfach so; einfach so dahingetuscht. Als Farbe, als Erweiterung des noch zu erobernden Klangraums. Dann steigt die Violine mit ein. In größter von Wagner endgültig gelöster Gechilltheit buchstabiert Debussy einen absteigenden g-Moll-Akkord als »Melodie« auf die Stahlsaiten – und das auch noch »dolce espressivo«. Da zwinkert jemand mit dem Auge – und verzieht doch keinen Millimeter seiner Lippen hin zu einem Lächeln.
Im Klavier die gleiche Akkordkonstellation wie zuvor, doch im C-Dur-Akkord-Teil um einen Takt abgekürzt; da! Eine plötzliche Pause in beiden Instrumenten! Und ein unerwartetes es-Moll, »poco marcato«. Daraus resultieren tiefe sprechende Töne in der Geige – und auch im Folgenden immer wieder harmonische Klangöffnungen und Einigelungen im Wechsel. Dynamische Höhepunkte sind stets nur noch Manifestierungen, Erhöhungen eines Gefühls, nie Höhepunkte im Sinne einer aufeinanderklatschenden thematisch-motivischen Verdichtung. Denn das wäre zu »deutsch«! Und trotzdem ist das Ganze eine Sonate, mit der entsprechenden Wiederkehr von – wenn auch fast willenlos dahingekifft komponierter – Nicht-Melodien; lässig.
In der ältesten hier ausgewählten Aufnahme, einem Live-Mitschnitt aus dem Jahr 1940, lassen Joseph Szigeti und der als Pianist wohl immer noch unterschätzte Béla Bartók der überraschenden Pause vor dem es-Moll-Akkord in Takt 8 kaum Raum; im Grunde spielen sie die Pause nicht! Das ist dabei nicht falsch, denn Debussy notiert den Phrasierungsbogen über diese Pause hinweg; dem entsprechen Szigeti und Bartók in fast noch zeitlich historischer Nähe ihrer Interpretation zum Tod Debussys. Rhythmisch frei schwingend, Achtellinien plötzlich beschleunigend oder als schnell vergehende Geste verstehend, geht Szigeti seinen ungarischen Fidel-Launen nach; das ist wohl das, was man »authentisch« nennt. Obwohl anders von Debussy vorgegeben, arpeggiert Bartók einige der wenigen vollgegriffenen Akkorde im Klavier; muss man mögen. Zu einer tempomäßig erstaunlichen Beschleunigung des Gechillten kommt es angesichts einer Achtelkette in absteigenden Quarten und Quinten der Geige ein paar Takte später. Hier nehmen Szigeti und Bartók fast das doppelte Tempo. Da kann jede aalglatte Aufnahme von den Studiofreaks unserer Zeit die gestiftete Stradivari gleich wieder einpacken.
Der von Debussy inszenierten Pause in Takt 8 lassen Arthur Grumiaux und Riccardo Castagnone (1962) etwas mehr Raum. Castagnone hält sich bei der ersten dynamischen Steigerung noch sehr zurück, ohne ins Glatte zu verfallen. Trotzdem würde man sich den ersten f-Moll-Akkord des Eingangssatzes – Allegro vivo – vielleicht etwas mehr ins Steinwayholz gesetzt wünschen. In großer Nähe zu Szigeti und Bartók beschleunigen Grumiaux und Castagnone bei der anschließenden Achtelkette, die im Klavier – im stimmungsmäßigen Kontrapunkt – doch »expressif« in Halben und Vierteln begleitet werden soll. Unter den Erregungen der Geige schlummern kleine Dur- und Moll-artige Ausdrucksmomente, die nicht vergessen werden wollen; immer in Versetzung mit äußerst vielen Septakkordkonstellationen, ohne die Debussy halt nicht mehr konnte. Grumiaux kennt keinen Halt mehr – und rennt Castagnone davon. Die Erregung bekommen beide auch anschließend nicht aus ihrem Spiel heraus, wenn es bei Debussy harmonisch runtergebrochen eigentlich nur um das Nebeneinander von harmonisch fremden Akkorden oder eben Septakkordorgien in verschiedenen rhythmischen Modi geht. Wie gesagt: gechillte Meisterschaft.
Wirklich viel Zeit nehmen sich David Oistrach und Frida Bauer in einer Live-Aufnahme aus dem Jahre 1972. Nirgendwo erklingt allein das schüchtern-sonore g-Moll im Klavier so lange wie bei Frida Bauer am Klavier. Auch die anschließenden Pausen bekommen genügend – vielleicht zu viel? – Raum. Das ist möglicherweise erst einmal eine Wohltat für die Ohren; doch das geht sich hier nicht aus. Durch die Behäbigkeit im Zusammenwirken mit dem zusammen-spielen-Wollen, dem Abwarten auf den nächsten Moment zerfällt die Musik in Einzelteile, die vom Rezipierenden schwer wieder im Sinne eines interessierten Hörens im Kopf zusammengesetzt werden können.
Ungewohnt schlank, obertonartig glockig und differenziert begleitet Radu Lupu in einer Aufnahme mit Kyung Wha Chung (1980) den ersten Satz. Mit Glissandoschmelz steigt Chung ein und kostet ihre zurückhaltend expressiven Linien genüsslich aus. Den Achtelreigen mit den herabschneienden Quarten und Quinten gestalten Chung und Lupu dann ganz anders als die bisherigen Interpret*innen. Inszeniert gelangweilt gehen sie in die Passage hinein, um erst dann plötzlich in größte Bewegungserregung zu geraten. Und endlich gewinnen die Geschehnisse im Klavier einmal schärfere Konturen. Das hat Gripp – und der darf bei Debussy nie fehlen. Sonst können wir uns auch gleich in den Salon interesselosen Opiumrauchens geflissentlich zurückziehen und Olga Scheps’ furchtbar langweilige Satie-CD hören.
Nichts von all dieser Spontaneität fühlt man beim Hören der Aufnahme von Itzhak Perlman und Vladimir Ashkenazy (1995). Das ist so höchst amerikanisch korrekt, dass man sich trotz aller technischen Raffinesse französisch pikiert abwendet. Da tickt das Metronom im Kopf mit, da wird vor der Appassionato-Steigerung mit dem schön leidenschaftlichen Forte-Nebeneinander von g-Moll und h-Moll genuschelt, als gälte es, einen allseits bekannten Text möglichst schnell durchzudeklinieren. Das kann es einfach nicht sein.
Sympathisch zurückhaltend und in einem Atemzug lässt Janine Jansen im Zusammenspiel mit Itamar Golan (2010) das abwärts geneigte g-Moll-Thema erklingen. In größter Tonschönheit und Emphase führt uns Jansen die anschließenden Linien auf der G-Saite vor. Fein flüsternd beginnt Jansen die nächste Phrase, voller Freude auf das, was kommen mag. Das will nicht revolutionär sein. Und ist deshalb so gut, so unendlich fein differenziert, agil, tonschön und dann wieder angenehm aufgeraut. Schmirgelpapier – für die alternative Massage zwischendurch.
Nach einem ziemlich bekifften Septakkord-Nebeneinander im Klavier, das von der Geige mit Farbwechsellinien und kleinen Glissandi gewürzt wird, kommt es zu einem Vorzeichenwechsel und einem ganz anderen Klangfeld – in E-Dur. Pianissimo ertönt – dazu »lusingando« (schmeichelnd, zart) – im Klavier fast vier Mal die gleiche viertaktige Abfolge eines E-Dur-Girlanden-Klangfelds, in das sich die Violine in voneinander abgesetzten, liebevoll stotternden Tönen hineinbegibt. Ein delikater Moment, dessen Sinn, dessen Erzeugung, dessen sinnhafte Erbebung von den jeweiligen Interpret*innen ganz bewusst erfühlt werden sollte.
Bartók spielt so fein leise, dass man ihn fast gar nicht hört, derweil sich Szigeti – erneut mit leichten Verzögerungen und Beschleunigungen – über dem ungemein stillen E-Dur-Teppich Gehör verschafft. Mit seltsam interessantem Gleichmut ziehen Grumiaux und Castagnone an der besagten Stelle vorbei. Jeden Ton ausdifferenziert für sich präsentiert Oistrach den E-Dur-Einschub; dabei tritt Frida Bauer nicht einfach in den Klangschatten ihres Instruments zurück, sondern lässt musikantisch E-Dur-Girlande E-Dur-Girlande sein. Da kommt das Pianissimo etwas zu kurz. Chung und Lupu fällt zu der Stelle wenig ein; von Chung würde man sich die kleinen dynamischen Öffnungen und Weggabelungen näher an der Notation Debussys wünschen.
Was Perlman und Ashkenazy da veranstalten, das ist einfach nicht okay. Da klingt jeder Ton Perlmans gleich; so, als wolle er beweisen, dass er tatsächlich jeden Ton gleich spielen kann! Sorry, Mister Perlman, Sie scheiden hiermit aus. Debussy ist nicht Ihr Ding!
Itamar Goland buchstabiert seine E-Dur-Begleitung zu sehr. Was Janine Jansen dazu aber an Hauchigkeit und sublimer Erotik zu sagen hat, das ist einmal mehr höchst fein und kitzelt das Ohr.
Der zweite Satz ist ein witziges, aufgewecktes Intermezzo (Intermède. Fantasque et léger), mit dem Debussy zu der manchmal koboldhaften Plötzlichkeit vieler ereignisreicher Staccato-Préludes zurückkehrt, um zwischendurch märchenhaft-lyrische Momente einzuflechten.
Szigeti geht mit der quasi ausnotierten Improvisationskadenz zu Beginn sehr individuell um, indem er die 32tel ganz nahe am Steg spielt. Der Klang wird dadurch metallisch-nasal; so drückt Szigeti diesem Beginn seinen eigenen Stempel auf, der mit Wohlgefallen und Publikumsanbiederung rein gar nichts zu tun hat. Meisterhaft, wie Bartók anschließend das Heft in die Hand nimmt – und einen ganzen Reigen an Miniatur-Stimmungsumschwüngen binnen Nanosekunden inszeniert. Virtuos und uneitel zugleich. Wie Bartóks Kompositionen.
Viel flinker geht Grumiaux den Beginn des zweiten Satzes an. Das geht im drauffolgenden Zusammenspiel auf Kosten des Miteinanders. Schön dafür die kleinen, pseudodramatischen Einbrüche bei seinem Klavierbegleiter Castagnone. An den zurückhaltenden und doch klangfeinen Schattierungen bei Grumiaux wird schließlich deutlich, dass es nie falsch ist, wenn ein Franzose französische Musik spielt. In der besagten Aufnahme fällt dann allerdings ein ziemlich plumper Studio-Schnitt auf; und das ausgerechnet, bevor Debussy exakt diejenigen C-Dur-Quartsextakkorde zu zitieren scheint, mit denen Robert Schumann sein undurchdringbar ironisches Dichterliebe-Lied Ich grolle nicht stolz und zugleich trotzig beginnt.
Bei Oistrachs Interpretation der ersten Takte des zweiten Satzes rollt man möglicherweise laut hörbar mit den Augen. Denn der Interpret begnügt sich damit, seinen russischen Stiefel in den fein knirschenden französischen Schnee zu setzen. Da werden dann im Zuge des Decrescendos auf der Trillerkette der Takte 3 und 4 einfach mal kleine Akzente gesetzt, um als Solist im Bilde, im narzisstischen Vordergrund zu bleiben. Oistrach und Bauer müssen nun auch ausscheiden; das ist alles ein wenig unterprobt und mit gelangweilter Routine vorgetragen. Извини́те!
Ganz locker leicht getupft gehen Chung und Lupu das fantastische Intermezzo Debussys an. Lupu war offenbar in den 80er Jahren noch nicht jener rumänische Tatzenbär, der mit manchmal ungewollter Behäbigkeit und Pranke falsche Brahms-Akkorde ins Schachbrett immer unschärfer erscheinender Tasten zimmerte. Das ist hochfein differenziert! Leider missachtet Chung, ähnlich wie Oistrach, das Decrescendo des Anfangs, lässt dafür aber immer aufhorchen, wenn sie kleine Räume für Notizen in die Tupfigkeit des Klaviers einbindet. Das ist manchmal vielleicht etwas zu leicht, zu luftig, aber dennoch von absoluter Relevanz angesichts der Interpretationsgeschichte dieser ungewöhnlichen Musik.
Mit Forciertheit und Schnelligkeit überraschen Jansen und Golan. Beide nehmen die »Intermezzo«-Überschrift Debussys ernst – und das zahlt sich aus; nämlich in der Agilität des Ganzen, mittels des bewusst zur Schau getragenen Pseudo-Übergehens der vielen kleinen Charakter-Momente in diesem Satz. Das Gegenteil geschieht: Fokussierung!
Der dritte und abschließende Satz bringt eine Mischung der Gechilltheit des ersten und der temperamentvoll-scherzhaften Abruptheit des zweiten Satzes. Los geht es mit einem g-Moll-Geflitter im Klavier, das gleich durch die Debussysche Harmoniechangierungsschillermaschine gedreht wird, um dann in ganz pseudo-spießigen Oktav-Bewegungen die Basis für die Rückkehr des Hauptthemas aus dem ersten Satz für die Geige zu bereiten. Die Fortsetzung des Themas wird anschließend von Debussy herrlich sarkastisch zerdehnt und erscheint in doppelt so langen Notenwerten! Es folgen toccatenhafte Momente, dann ein melancholischer Einschub (»Le double plus lent«) mit brütenden Anleihen an frühere Farbwerke Debussys – und schließlich höchst hörenswerte rhythmische Irritationen, die der Erwartung einer virtuosen Coda (die es dennoch gibt!) immer wieder ein Beinchen stellen. Wie so häufig angesichts von sehr sprunghaften Kompositionen Debussys braucht es hier Interpret*innen, die weder, sich ihrer selbst technisch versichernd, über die vielen Einzelmomente hinwegspulen noch gänzlich den – sicherlich: ominösen – »großen Bogen« durch Penetration jedes dieser individuellen Mosaiksteinchen aus feinster Pariser Manufaktur verlieren.
Wie neu komponiert, wie aus dem besten Moment heraus erfunden legen Szigeti und Bartók los. Da ist keine Geste gleich, da ist aber auch nichts berechnend; das ist einfach urmusikantisch und dabei halsbrecherisch risikoreich. Ach, hätten heutige Interpret*innen doch nur annähernd das Rückgrat, die Beweglichkeit und Dreistheit von Szigeti! Sergey Malov ist so einer. Kennt kaum einer. Lebt noch, ist blutjung. Doch er hat die Debussy-Aufnahme noch nicht eingespielt…
Herrlich individualistisch, mit französischem Sarkasmus buchstabiert Janine Jansen das Hauptthemenzitat des ersten Satzes bei ihrem Einstieg in den dritten Satz. Als hätte Debussy keinen Bock mehr gehabt. Und würde dennoch seine relaxte Kunst noch einmal Klang werden lassen. Ohne es noch irgendwem beweisen zu müssen! Dem längst toten Richard Wagner eh nicht mehr.
Delikat, ja, geradezu spitzfingrig, wie Lupu Chung begleitet. Nur der kurze h-Moll-Walzer verfehlt bei beiden seine Wirkung; das ist zu flach, zu wenig besonders dahingesagt. Mit schöner Glitschigkeit gleitet auch Castagnone ins »Très animé« des Sonatenfinals hinein. Wieder einmal herrlich »nebenbei«, mit französischem Understatement setzt sich Grumiaux daraufhin in Szene. Lustig zu hören, wie er seinem Kammermusikpartner – offenbar in absichtsvoller Freude – immer wieder davonrennt, um gemeinsam mit ihm den kurzen elegischen h-Moll-Teil zu genießen. Zwei altgewordene Männer heulen kurz bei Rotwein im Bistro, um anschließend der nächsten vorbeilaufenden Studentin mit einem »Oh, là, là« nachzuschnalzen. Hier brummt es auf der tiefsten Saite, hier holt Grumiaux an kolophonierter Verharrung wieder ein, was er in den vielen sich selbst überbordend überschlagenden Rasereien an Tempo vorgelegt hat. Eine fantastische Aufnahme! Zusammen mit Szigeti/Bartók die dringlichste Empfehlung! ¶