Als älteste Tochter von König Friedrich Wilhelm I. von Preußen kam am 3. Juli 1709 in Berlin Wilhelmine von Preußen zur Welt. Anlässlich des »Dreikönigstreffens« waren in diesen Juli-Tagen des Jahres 1709 Königsvater Friedrich, Kurfürst August der Starke von Sachsen (davor und auch später wieder König von Polen) und König Friedrich IV. von Dänemark-Norwegen in Potsdam und Berlin anwesend. Die beiden Gäste des preußischen »Soldatenkönigs« konnten daher leichterhand als weltprominente Taufpaten für Wilhelmine gewonnen werden.

An diesem Akt der zielbestimmenden Anbiederungsvereinnahmungen bei führenden politischen Vertretern Europas sollte sich bereits früh gewissermaßen abzeichnen, dass Wilhelmine weniger als Mensch, noch weniger als »freie« Künstlerin und am allerwenigsten als autarke Frau, sondern als Objekt im Sinne machtanstrebender Strategien auf die Welt gekommen war. Wilhelmine von Preußen: Geboren als politischer Spielball.

Und so ging es fort. Ihr strenger Vater verlobte die achtjährige Prinzessin mit Cousin Friedrich Ludwig von Hannover, dem ältesten Sohn des Königs Georg II. von Großbritannien. Auch danach war Wilhelmine von unaufhörlichen Zwistigkeiten hinsichtlich etwaiger politisch-strategischer Begehrlichkeiten umgeben. Ihre Mutter – Sophie Dorothea von Hannover – sah in Wilhelmine die zukünftige Königin von Großbritannien. Vater Friedrich dagegen verfolgte den Plan, Wilhelmine durch Verheiratung ans Haus Habsburg anzuschließen.

Die Verlobung von Wilhelmine und dem als Thronfolger vorgesehenen Friedrich Ludwig wurde jedoch annulliert und Wilhelmine dafür mit Markgraf Friedrich III. von Brandenburg-Bayreuth verheiratet; Wilhelmines ehemaliger Verlobter Friedrich Ludwig selbst wurde nie König von Großbritannien, sondern starb 1751 – 15 Jahre nach der zweiten Heirat mit der 16-jährigen Augusta von Sachsen-Gotha-Altenburg – 1736 mit 44 Jahren möglicherweise durch die Folgen einer Lungenentzündung, welche er sich infolge übermäßiger Anstrengungen bei einem Tennisturnier eingehandelt hatte. König von Großbritannien wurde sein Sohn Georg III.

An Kindheit und Erziehung ließ Wilhelmine rückblickend kein gutes Haar. Und aus der Ehe von Markgraf Friedrich und Wilhelmine von Preußen – inzwischen Wilhelmine von Brandenburg-Bayreuth – ging lediglich die Tochter Elisabeth Friederike Sophie von Brandenburg-Bayreuth hervor. Wilhelmine kümmerte sich dafür äußerst engagiert um das Kulturleben Bayreuths – und setzte sich beispielsweise für den Neubau des Neuen Schlosses ganz im Innern der Stadt ein. Auf Wilhelmines Geheiß entstand zwischen 1744 und 1750 außerdem das 2012 in den Rang eines UNESCO-Weltkulturerbes gehobene Markgräfliche Opernhaus. Bayreuth wurde so zu einer der prunkvollsten Städte des 18. Jahrhunderts.

Dorothea Luise von Wittenhorst-Sonsfeld – von den Kindern liebevoll »Sonsine« genannt – war einstmals eine der Erzieherinnen von Wilhelmine gewesen – und förderte, wie es heißt, ihr musikalisches Talent. Auch Wilhelmines jüngerer Bruder Friedrich, der später als Herrscher über Preußen zum wohl bekanntesten musikalischen König der Geschichte avancierte, wurde gemeinsam mit seiner Schwester in humanistischen Fächern unterrichtet und an verschiedene Instrumente herangeführt; beide erhielten zudem Kompositionsstunden. Später wurde Wilhelmine zusätzlich in Violine und Komposition von dem Hofkapellmeister Johann Pfeiffer (1697–1761) unterwiesen.

Am 10. August 1758 schrieb Wilhelmine an ihren Bruder Friedrich: »Liebster Bruder! Ich bin so schwach, dass ich kaum kritzeln kann. Du fragst nach meinem Zustand. Wie ein armer Lazarus liege ich seit sechs Monaten im Bett. Seit acht Tagen trägt man mich auf einem Tragsessel und fährt mich im Rollstuhl.«

Im Alter von nur 49 Jahren starb Wilhelmine am 14. Oktober 1758 – vermutlich an Herzschwäche und Tuberkulose.

Wilhelmine von Preußen/Brandenburg-Bayreuth (1709–1758)Konzert g-Moll für Cembalo, Streicher und Basso continuo, 1. Satz: Allegro

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Nach einem kurz formulierten Anfangsmotto lässt sich die Musik des ersten Satzes von Wilhelmines Cembalokonzert in g-Moll in typische Sequenzen hineinfallen. Doch schon nach etwa zehn Sekunden gediegenen spätbarocken Konzertierens rückt eine subtile, Aufmerksamkeit auf sich ziehende Aufrauhung des Ganzen in den Fokus. Rabulistische Oktavsprünge, die der Vesuv-Wildheit eines Vivaldi abgelauscht scheinen, kommen uns temperamentvoll entgegen (wenn auch in der verlinkten Interpretation viel zu wenig deftig vorgetragen). Und schon schickt sich die führende Linie an, diese Periode mittels einer barocken Floskel zum Abschluss zu bringen; doch da dreht Wilhelmine noch einmal eine Schleife, weicht dem Phrasenende schalkhaft aus – und umgeht die Möglichkeit eines schalen Gefühls, das entsteht, wenn wir bestimmte Barock-Allgemeinplätze quasi schon selbst zu Ende hören – und folglich gar nicht mehr richtig lauschen.

Da kommt nun das solistische Cembalo zu seinem Recht – und wird nach wenigen Tönen des Erzählens vom einstimmenden Ensemble fortgetragen. Ganz klar ist hier spätbarocker Drive am Werke; es perlt, es summt, es brummt – und es entsteht eine profunde Musik einer profunden Könnerin ihres Faches. ¶

... ist Konzertveranstalter, Moderator, Komponist und Pianist. Er gestaltet innovative Konzertformate, arbeitet als Musik-Satiriker, schreibt Stücke für Solist:innen und Ensembles und Texte für VAN, die Wiener Philharmoniker, die New York Philharmonics und die Bamberger Symphoniker. 2019 war er als Schauspieler an der Volksbühne zu erleben.