1949 endete der zweijährige erste arabisch-israelische Krieg. In Tel Aviv wurde in diesem Jahr – genauer: am 21. Oktober 1949 – Shulamit Ran geboren. Eigenen Auskünften zufolge komponierte Ran bereits als Kind hebräische Lieder. Später studierte sie Klavier und Komposition – unter anderem bei dem berühmten israelischen Komponisten Paul Ben-Haim (1897–1984), von dessen pädagogischem Wirken geprägt sich eine ganze Generation später bekannt gewordener Komponist:innen im spätromantischen Gewand aufmachte, nach der klingenden Seele Israels zu suchen.
Dank eines Stipendiums konnte Ran ihr Studium in den USA fortsetzen, wo sie ab 1973 selbst – an der University of Chicago – unterrichtete. Dort gründete Shulamit Ran ein Ensemble für zeitgenössische Musik und erhielt den Professorinnen-Titel. Ihren internationalen Durchbruch feierte Ran durch die Unterstützung von Daniel Barenboim, der sie in seiner Zeit als Chefdirigent beim Chicago Symphony Orchestra 1990 zur »Composer in Residence« ernannte. Von 1994 bis 1997 kam eine Residenz an der Lyric Opera of Chicago hinzu sowie zahlreiche Stipendien, Preise und Kompositionsaufträge. 1991 erhielt Ran den Pulitzer-Preis für Musik; zuvor hatte sie sich im Finale gegen den chinesischen Komponisten Bright Sheng und den Amerikaner Charles Fussell durchgesetzt. Das Gewinnerinnen-Werk, welches 1990 vom Philadelphia Orchestra bestellt und uraufgeführt worden war, nannte Ran schlicht Symphony.
Shulamit Ran (* 1949)Konzert für Orchester (1986)
Shulamit Rans Werkkatalog präsentiert sich als erfreulich farbenfroh, was Titelgebungen und Besetzungsvorgaben angeht. Ihre 1997 in Chicago aufgeführte – und sogleich am Theater Bielefeld 1999 nachgespielte – Oper Between Two Worlds (The Dybbuk) wird umringt von buntesten Orchester-, Kammermusik- und Solo-Werken.
1986 entstand Rans Konzert für Orchester. Das Stück muss sich – auf die Qualität der Werke verweisend – natürlich latent an den großartigen Kompositionen mit gleichem Titel von Béla Bartók (1943) und Witold Lutosławski (1950–54) messen lassen.
Mit Paukendramatik und sich appellartig zusammenblasenden Blechdissonanzen beginnt das Werk. Der scharfzüngigen Solo-Klarinette wird kurzfristig das bestellte Feld überlassen. Die Wiederholung des anfänglichen Paukenüberfalls wird harsch abgebrochen und führt uns zu einer sofortigen Streicher-Elegie-Szenerie. (C’est la vie.)
Der Anmutung des »konzertierenden Orchesters« wird stattgegeben. Die jetzt schneidig dazwischenfunkenden Streicher scheinen erst einmal einen schnellen Sieg eingefahren zu haben – doch in diesen Möglichkeitsraum fällt die Militärtrommel im soldatischen Wundverbund mit der Piccoloflöte kriegerisch ein.
Nachdenklich weckt die Klarinette Zweifel an der Gesamtsituation an – und wieder kommt es anlässlich von individuellen Stimmen, die Ungemütliches formulieren, zu anschließenden Zusammenballungen einzelner Instrumente im harsch-dissonanten Dickicht. Deutlich sind Holzbläserpassagen von denen der nach etwa drei Minuten vom Schicksalsmajor zurechtgewiesenen, gedämpften Streicher und denen der Schlagzeuggruppe abgesetzt.
Irgendetwas türmt sich immer unter-, hintergründig auf in diesem Stück. Gemeine Dissonanzmomente stehen im Kontrast zu leise-entmündigten Einwänden. Nach fünf Minuten dringt außerdem eine Kontrabasslinie in das blockartige Holzwerk hinein – und irgendwie ist gleichsam Schostakowitsch mit seiner (vermeintlichen?) Militärmusikkritiksymphonik präsent. Ein Werk des Wollens, Zerlegens – ein Stück der ewigen Widerworte! Gut so. ¶