Zum Ende des
Junge Ohren Preises
Text Kerstin Unseld
Wenn man über die Situation von Musikvermittler/innen schreibt, kann man viel davon erzählen, wie künstlerisch erstklassige Projekte mit profansten Widrigkeiten kämpfen, von handfesten Akzeptanzproblemen für Musikvermittlungsformate, die auf neue, zeitgenössische Situationen mit neuen, zeitgenössischen Formaten antworten und eben anders »ticken«. Ganz zu schweigen von den Finanzierungsproblemen. Man kann begründen, warum künstlerische Musikvermittlung im gängigen Konzertbetrieb epische Anerkennung verdient hätte. Habe ich auch getan (Link zum VAN-Artikel). Jaja, haben mir viele gesagt. Und: Naja naja, haben die anderen gesagt. An dieser Situation seien ja auch irgendwie die Musikvermittler/innen selbst schuld. Von wegen zu wenig Selbstvermarktung und Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl und so.
Wirklich? Gerade wurde in Berlin vom netzwerk junge ohren e.V. zum zehnten Mal der Junge Ohren Preis verliehen, der so eine Art Musikvermittlungs-Oscar ist und in verschiedenen Sparten vergeben wird. Es gibt den Junge Ohren Preis für »Best Practice: Konzert«, für »Best Practice: Partizipatives Projekt« und inzwischen auch den Konzeptpreis »LabOhr«, der etwas Vielversprechendes auszeichnet, das es noch gar nicht gibt (Link zu allen Preisträgern 2015). All das geschieht seit zehn Jahren, mit wachsender Bedeutung und ständig steigendem künstlerischen Niveau im Wettbewerb. Allein schon die Nominierung ist der Ritterschlag für ein Projekt, dessen Macher/innen dann am Tag der Verleihung gespannt warten, bis aus dem in Jungeohrengrün gehaltenen Umschlag langsam der Name des Preisträgerprojekts gezogen wird. Das ist dann zwar nur eines, die Impulse dieser Werkschau nominierter Musikvermittlungskonzepte aber nehmen alle mit und tragen sie weiter. Katharina von Radowitz vom netzwerk junge ohren erinnert sich bis heute noch an jeden einzelnen ›Jahrgang‹, und der von 2015 hat ein besonders hohes Niveau und eine große Dichte gehabt, sagt sie. Musikerfinden sei ein Trendthema, das Format der inszenierten Konzerte habe nach wie vor die Nase vorne, musikvermittlerische Schul- und Unterrichtsprojekte zeichnen sich zunehmend durch richtig erfindungsreiche Ansätze aus. Die Lust von Musiker/innen, die Vermittlung ihrer Musik künstlerisch nicht nur in die eigenen Hände zu nehmen, sondern gar in den Mittelpunkt zu stellen, nimmt stetig zu. Und immer schwieriger und komplexer werde, so Katharina von Radowitz, die Frage, was Musikvermittlung eigentlich sei. Wo verlaufen die Grenzen zwischen Konzert und Musiktheater, wo die zwischen Bühne und Publikum? Wer vermittelt denn da Musik?
So gesehen ist der Preis die ideale Plattform für eine Trendschau. »Der JUNGE OHREN PREIS setzt seit 2006 Impulse für die Professionalisierung und Entwicklung dieses Feldes und durfte zugleich symbolisch die Früchte ernten«, sagt Lydia Grün, die Geschäftsführerin des netzwerks junge ohren. Nach dieser üppigen Erntesaison soll nun Schluss sein. Die Nachricht saß, als Lydia Grün sie am Schluss der Preisverleihung verkünden musste. Für die gesamte, sich stetig verdichtende Szene, ist das ein Zeichen. Zunächst einmal ein schlechtes. Die Bundesmittel zur Förderung des Preises waren 2015 wegen einer degressiven Anlage der Förderung schon auf 67 Prozent gesunken. Ab 2016 fallen sie ganz weg. Da die öffentliche Förderung mehr als ein Drittel des Budgets von netzwerk junge ohren ausgemacht hat, schlägt das so sehr zu Buche, dass es den Musikvermittlungs-Wettbewerb nicht mehr geben wird. Jedenfalls so nicht mehr. Aber damit ist auch die Beratungsarbeit des netzwerk junge ohren in Gefahr. Ohne eine Strukturförderung gerät eine Initiative, die sich selbst ausschließlich aus Mitteln für eigene Projekte finanzieren muss, aus dem Lot, wird unabhängige Beratungsarbeit nicht mehr wie bislang geleistet.
Förderung als eine reine Vergabe von Finanzmitteln macht – das wissen alle Freischaffenden nur zu gut – abhängig und einseitig verwundbar. Und vor allem ist sie auf Dauer unkalkulierbar. Mit dem Fingerzeig auf all die nominierten Projekte des diesjährigen JUNGE OHREN PREISES, die jedes für sich ein Geflecht von Partnern etabliert hat, gab sich Lydia Grün in ihren Schlussworten kämpferisch: »Wenn Sie das hier weiter wollen, dann brauchen wir Sie als Partner!« Der Satz zielte auf jene, die Förderung als eine partnerschaftliche Angelegenheit verstehen. An emanzipierte Förderer sozusagen. An Förderer, die die Zeichen der Zeit sehen. Solche, die mitreden wollen und sich als Entwickler sehen. Die berühmte Augenhöhe zwischen Musikvermittlung und denen, die sie fördern wollen beziehungsweise finanzieren können, ist es, die zur Diskussion steht. Wer auf Augenhöhe agiert, der entscheidet gemeinsam und bringt gemeinsam etwas voran. Das hat nichts mehr mit bloßem Verteilen von Fördermitteln zu tun, sondern mit Mitbestimmung und wirklichem Engagement. Wem es als Förderer ernst ist um die Relevanz kultureller Bildung, der wird jetzt (!) die Ohren spitzen und von sich aus das Gespräch suchen.
Einmal mehr wird es in Zukunft für Musikvermittlung um Kommunikation gehen. Das Vermitteln vermitteln, das Verständnis für Musikvermittlung als einer künstlerischen Sprache für und mit Musik noch viel selbstbewusster schaffen. Nur der berühmte Blick in die Glaskugel der Zukunft kann Antwort darauf geben, ob das künftig für den JUNGE OHREN PREIS und all die vielen wegweisenden Projekte in seinem Gefolge gelingt. Ich kann nur ermuntern, mit dieser Frage im Gepäck mal nach Umbidu zu gehen.

In Umbidu, dort wo 2015 der JUNGE OHREN PREIS hingewandert ist, werden Ihnen die Ohren aufgehen. Dort wird eine Sprache – umbiduisch nämlich – gesprochen, in der du verstehen kannst, was du schon lange über Musik wissen wolltest. Die prominent besetzte JUNGE OHREN PREIS-Jury hat es etwas nüchterner gesagt: »Die Handlung lässt &n
dash; nicht nur durch die surreale Sprache – Raum für Fantasie und drängt die Musik niemals in den Hintergrund. Im Gegenteil: Die magischsten Momente werden nicht in dramaturgischen Überbietungseffekten erzeugt, sondern entwickeln sich innerhalb der Kompositionen – wie ›von selbst‹. In Erinnerung bleibt die Berührung durch Musik.« Wie über Musik zu sprechen sei, wie preiswürdige Musikvermittlung gelingen kann, das lösten die vier österreichischen Musiker des Ensembles Die Schurken also auf umbiduisch.
Immer begibt man sich bei der Frage nach Musikvermittlung auf die Suche nach einer geeigneten Sprache, einer Ausdruckssprache, einer Kommunikationsform. Musik sei ja, so heißt es gerne, eine Sprache, die alle verstünden. Aber Musik per se spricht nun mal nicht – auch dann nicht, wenn sie uns was zu sagen hat. Sprechen ist schließlich etwas anderes als sagen. Für Musikvermittlung, in der es auf unterschiedlichen Ebenen eigentlich pausenlos um Kommunikationsformen geht, ist diese Frage ganz wesentlich. Wann ist Musik eine Sprache, mit der wir uns, Musikschaffende wie Zuhörende, untereinander verständigen? Tatsache ist, dass der JUNGE OHREN PREIS ein Panorama der Musikvermittlung und -kommunikation entfaltet hat, das seinesgleichen sucht. Immer wieder auch selbstreflektierend sind genau in diesem Wettbewerb um einen hellgrünen Preis künstlerische Ideen und Konzepte in einen Fokus gestellt worden, der einer ganzen selbstbewussten und hoch produktiven Szene an der magischen Schnittstelle zwischen Kunst, sprich Musik, und deren Dialog mit dem Publikum den Blick geschärft hat. Unvorstellbar, dass das aufhören sollte. ¶
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