
Die Momente an der Schwelle zu etwas Neuem, in denen wir uns in dieser Zeit gravierender Veränderungen und globaler Umbrüche so regelmäßig wiederfinden, stehen im Zentrum der diesjährigen 67. Schwetzinger SWR Festspiele. Künstlerinnen und Künstler wirken dabei als Seismographen des Kommenden. In Schwetzingen loten sie Transformationen klanglich aus, in VAN versuchen sie, das, was war, ist und werden kann, mit Worten zu fassen.
Geigerin Antje Weithaas ist als Residenzkünsterlin der diesjährigen Schwetzinger Festspiele in gleich drei Konzerten zu hören. Immer geht es dabei um Komponisten, die Grenzen ausloten, verschieben, überschreiten. Mit Camerata Bern spielt sie am 3. Mai u.a. Britten, Kodály und Bartók, am Tag drauf mit Freund_innen Webern, Bartók und Brahms und am 6. Mai in einem Solo-Recital Bach, Kurtág und Ysaÿe. Über Veränderungen sprach sie auch mit Hartmut Welscher – über die neue Souveränität der heranwachsenden Musiker_innen-Generation im Umgang mit Medien, über die gespenstische Atmosphäre vor der Wende, den Mauerfall und darüber, was dabei rauskommt, wenn der Wille zur Veränderung fehlt: zum Beispiel ein völlig abgestandener Mozart.
Als zweite Residenzkünstlerin spielt Tanja Tetzlaff sogar vier Konzerte in Schwetzingen: Am 11. Mai gibt es Kammermusik (Berg, Zimmermann, Debussy, Webern und Messiaen) mit Florian Donderer, Sharon Kam und Kiveli Dörken. In Conversations am 12. Mai verhandelt sie mit Florian Donderer und Hans-Kristian Kjos Sørensen Bach, Aperghis, Globokar, Cage, Tüür u. a., das Tetzlaff-Quartett gibt am 18. Mai Mozart, Beethoven und Mendelssohn. Am 13. Mai werden in einem Konzert für Kinder ab 4 Jahren Gefühle hörbar. Über Emotionen sprach Tanja Tetzlaff auch mit VAN: Die Wutausbrüche ihres Lehrers Heinrich Schiff und wie eine seiner Schallplatten ihr half, ihren Liebeskummer zu überwinden.
Nils Mönkemeyers neuester Streich – Feedback – steht für Metamorphosen bekannter Werke und Fassungen, fließende Grenzen, Altbekanntes in neuen Zusammenhängen. Kombiniert mit Musik von Jimi Hendrix, erscheinen Werke von Bach, Dowland, Purcell und Kapsberger in neuem Licht. Kongenialer Partner bei diesen Grenzgängen am 25. Mai ist Andreas Arend, der neben der Theorbe die Jarana, die mexikanische Schwester der Gitarre, spielt und eine eigene Komposition beigesteuert hat, die den Gedanken der Solosuite aufgreift und somit die Musik Bachs in die heutige Zeit spiegelt. Über seine Erfahrungen mit Konzerten, die fürs Radio aufgezeichnet werden und wie wir uns daran gewöhnt haben, perfekt zu sein, schreibt Nils Mönkemeyer in VAN.
Bach und seine Söhne – das ist nicht nur ein Kapitel Familien-, sondern auch Epochengeschichte. Der Eintritt in die neue, bürgerliche Ära und ihre künstlerischen Ideale vollzog sich nicht nur im Übergang vom Vater zu den Söhnen, er begann bereits im Oeuvre des »alten Bach« selbst, vor allem in seinen Konzerten. Sie stehen bei ihm nicht als Gattung für sich; Sätze aus ihnen finden sich auch als Ouvertüren und um Chor erweitert in den Kantaten. Das instrumentale Konzert zieht aus ihnen die Quintessenz. Von diesem Kerngebiet des Epochenübergangs entfernen sich die Söhne unterschiedlich weit. Ihnen folgen am 10. Mai Les passions de l’ame und Kristian Bezuidenhout. Der Pianist und Cembalist sprach auch mit VAN über Bach & Zeitgenossen und die Frage: Muss das so klingen?